Liwerij Woronow
Erzpriester Dr. theol. Liwerij Woronow (russ. Ливерий Аркадьевич Воронов, 1914–1995), Professor für Dogmatische Theologie der Geistlichen Akademie zu Leningrad (heute St. Petersburg, wurde am 22. Januar 1914 in der Stadt Oranienbaum (heute Lomonossow) in eine Beamtenfamilie hineingeboren. Sein Onkel war Erzbischof Feofan (Bystrow).
1930 absolvierte er eine Fabrikschule beim Chemischen Kombinat Ochta und erwarb den Grad eines Elektrochemikers. Seit Februar 1932 bis 1933 arbeitete er im Staatlichen Institut für angewandte Chemie in Leningrad. 1938 absolvierte er das Chemisch-Technologische Institut zu Leningrad mit einem Diplom des ersten Grades mit Auszeichnung als Betriebsingenieur und wurde dann dort wissenschaftlicher Mitarbeiter für physikalische Chemie. Ein Jahr später wurde er in das Graduiertenkolleg aufgenommen.
In diesem Zeitraum wurde seine geistig-spirituelle Ausbildung von Erzpriester Nikolai Tschukow und Erzbischof Nikolai (Jaruschewitsch) geleitet.
Dienst in Wyriza
Bei Beginn des Großen Vaterländischen Kriegs wurde Liwerij wegen der bevorstehenden Evakuierung des Graduiertenkollegs am 9. September 1941 mit Wiederaufnahmerecht exmatrikuliert.
Ende Sommer 1941 geriet er im Dorf Wyriza, wo er sich mit seiner Ehefrau bei seinen Eltern aufhielt, auf von deutschen Truppen besetztes Gebiet.
Im Herbst 1941 wurde er zu einem der Initiatoren des Wiederbeginns der Gottesdienste in den Gotteshäusern von Wyriza. Anfänglich war er Mitglied des Gemeinderates der örtlichen „Kirche zu Ehren der Kasaner Ikone der Muttergottes“ und diente als Chorsänger und Lektor.
1942 befand er sich mehrere Wochen lang in Geiselhaft der Deutschen.
Vom 1. Dezember 1941 bis zum 23. April 1943 diente er als Lektor in Gotteshäusern des Kreises Oredesch im Oblast Leningrad (in der Kirche zu Ehren der Heiligen Märtyrer Florus und Laurus und in der Kirche zu Ehren des Heiligen Märtyrers Clemens von Rom). Er lehnte das Angebot der Okkupanten ab, als Ingenieur zu arbeiten.
Pskower Mission
Am 24. April 1943 wurde er von Metropolit Sergij (Woskresenskij) von Litauen und Wilno zum Diakon und zwei Tage später zum Priester geweiht.
Als Mitglied der Pskower Mission diente er als Missionar und übernahm die pastorale Seelsorge für Menschen, die sich in nazideutscher Gefangenschaft oder auf besetztem Gebiet befanden.
Von Mai bis August 1943 war er Kanzleileiter der Mission. Am 26. April 1943 wurde er zum hauptamtlichen Priester der Dreiheitskathedrale in Pskow (damals Pleskau) ordiniert, und am 28. August auch zum Priester der St.-Athanasios-Kirche in Gdow.
Nach seiner Evakuierung nach Estland wurde er am 15. November 1943 von Erzbischof Pawel (Dmitrowskij) von Narwa zum Priester der Entschlafens- und derZeichenskirche von Narwa ordiniert, am 1. Februar 1944 der St.-Nikolaus-Kirche zu Tallinn, und am 16. Juni eines Gebetshauses in Viljandi (dt. Fellin).
Mit dem Segen des Erzbischofs Pawel von Narwa zelebrierte er zu Ostern 1944 einen Gottesdienst im Gefangenenlager in der Nähe von Tallinn. In Fellin errichtete er zusammen mit Teilnehmern der Wohlfahrtsgesellschaft „Russische Hilfe“ eine orthodoxe Gemeinde, deren Einkommen einer Stiftung für russische Flüchtlinge diente. Erneut lehnte er das Angebot ab, als Ingenieur zu arbeiten.
Nachdem Vater Liwerij im im September 1944 eine Vorladung der deutschen Behörden erhalten hatte, sich im Auffanglager einzufinden, um nach Deutschland verschickt zu werden, flüchtete er mit seiner Ehefrau nach Tallinn, wo ihnen Geistliche und gläubige Laien halfen, sich bis zur Ankunft der sowjetischen Truppen zu verstecken. Nach der Befreiung von Tallinn im Oktober 1944 wurde er in den Klerus der Leningrader Diözese aufgenommen
Verhaftung und Exil
Am 22. Oktober 1944 wurde Vater Liwerij in Tallinn des Landesverrats angeklagt und ins Kresty-Gefängnis des NKWD nach Leningrad überführt. Im Laufe der Verhöre bekannte er sich für nicht schuldig.
Im Januar 1945 wurde er durch das Kriegsgericht der NKWD-Truppen des Militärbezirks Leningrad wegen seiner Tätigkeit als Leiter der Pskower Mission zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt.
Von Januar 1945 bis November 1947 arbeitete er als Entwicklungsingenieur in einem Speziellen Schiffbaukonstruktionsbüro (OKB-196) in Leningrad, danach am Bergbau- und Hüttenwerk zu Norilsk (Norillag des Innenministeriums).
Am 23. April 1955 wurde er durch Beschluss des Regionsgerichts Krasnojarsk freigelassen. Im August 1956 wurde das Urteil aufgehoben und die Sache wegen Fehlens eines strafbaren Tatbestandes zu den Akten gelegt (1992 wurde er rehabilitiert).
Tätigkeit an der Geistlichen Akademie zu Leningrad
Vom 17. August 1955 bis zum 30. Juni 1957 diente Vater Liwerij in der Kathedrale zu Ehren der Geburt der Gottesmutter in Wologda. Zugleich absolvierte er das Geistliche Seminar zu Leningrad (Fernstudium) mit Auszeichnung und wurde an der Geistlichen Akademie aufgenommen.
1961 promovierte er mit der Dissertation „Die anglikanische Priesterschaft im Lichte der russischen orthodoxen theologischen Wissenschaft“ zum Doktor der Theologie. Seit dem 2. Juni arbeitete er an der Akademie als Lehrer und Stipendiatsprofessor.
Am 21. März 1961 wurde er zum Erzpriester erhoben. Er diente in der Kirche zu Ehren des Hl. Johannes dem Theologen bei der Akademie.
Seit dem 23. April 1964 diente er als Dozent am Lehrstuhl für Geschichte und Analyse der westlichen Konfessionen, seit dem 25. August 1965 als Professor für dogmatische Theologie und seit dem 27. Februar 1968 als Leiter des Lehrstuhls für theologische Wissenschaften der Geistlichen Akademie zu Leningrad.
Am 14. Februar 1971 verteidigte er die Magisterdissertation „Orthodoxie, Welt, Ökumene“.
Am 2. Oktober 1986 wurde Vater Liwerij der wissenschaftliche Grad eines habilitierten Dr.theol. für die Gesamtheit seiner wissenschaftlich-theologischen Werke verliehen.
Vater Liwerij investierte viel Zeit und Kraft in seine wissenschaftliche und pädagogische Tätigkeit in das Geistliche Seminar und Akademie zu Leningrad. Anfangs unterrichtete er auch Latein, hielt Vorlesungen über das Neue Testament, Geschichte und Analyse der westlichen Konfessionen, später Kurse für dogmatische Theologie und Geschichte der Alten Kirche, und verfasste mehrere Lehrbücher für Studierende.
Ausschüsse und Einrichtungen
Vom 13. September 1962 bis zum 22. Februar 1973 war er Mitarbeiter des kirchlichen Außenamtes des Moskauer Patriarchats. Bis zu seinem Dahinscheiden war er Mitglied verschiedener Ausschüsse beim Geweihten Synod der ROK: seit dem 10. Mai 1963 im Ausschuss zur Vorbereitung des Panorthodoxen Konzils; vom 7. Mai 1965 bis zum 22. Februar 1973 im Bildungskomitee als Vertreter der Geistlichen Akademie zu Leningrad; seit dem 23. Dezember 1980 im Ausschuss zur Vorbereitung der Feiern zum 1000. Jahrestages der Taufe Russlands; seit dem 11. April 1989 im Ausschuss für Heiligsprechung; seit dem 10. April 1989 im Ausschuss zum Studium der Materialien über Geistliche und Laien der ROK, die in der sowjetischen Periode bestraft wurden; seit dem 26. Februar 1994 im theologischen Ausschuss.
Er war Mitglied diverser internationaler christlicher Einrichtungen: seit 1964 in der Abteilung für das Studium der Christlichen Friedenskonferenz; von Juli 1968 bis Juli 1973 im Ausschuss „Glaube und kirchliche Ordnung“ des Ökumenischen Rates der Kirchen; seit dem 5. August 1965 im Interorthodoxen theologischen Ausschuss zur Vorbereitung des Dialogs mit der Anglikanischen Kirche; seit dem 20. März 1969 im Ausschuss für christliche Einheit und interkirchlichen Verkehr; von 1975 bis zum 20. Oktober 1987 Konsultant (seit dem 27. April 1979 Berater) des gemischten Theologischen Ausschusses für Dialog zwischen Orthodoxen Landeskirchen und der Römisch-Katholischen Kirche.
Vater Liwerij war Teilnehmer vieler orthodoxer (Belgrad 1966; Brooklyn (USA) 1970) und interkonfessioneller (Montreal 1963; Genf 1968; Zagorsk 1969) Tagungen und Kongresse (2., 3. und 4. Allchristlicher Friedenskongress in Prag 1964, 1968 und 1971), Beobachter des Moskauer Patriarchats an der 3. Sitzung des II. Vatikanischen Konzils und war an vielen Gesprächen mit römisch-katholischen und protestantischen Theologen beteiligt.
Was Fragen zur Annäherung der Kirchen und der Überwindung der Kontroversen, die ihrer Vereinigung entgegenstehen, betraf, war Vater Liwerij der Meinung, dass dem Geist der wahrhaft orthodoxen Theologie sowohl fanatischer Konservatismus als auch liberaler Indifferentismus fremd seien. Er befasste sich mit den Ideen des orthodoxen Ökumenismus in Anlehnung an die Werke des Heiligen Erleuchters Metropolit Philaret von Moskau, Kirchenhistoriker Wassilij Bolotow sowie Patriarch Sergius (Stragorodski) von Moskau und ganz Russland.
Am 6. Dezember 1995 ging Vater Liwerij heim. Er ist auf dem Wolkowskoje-Friedhof in St. Petersburg bestattet.
Werke
Vater Liwerij ist Autor von ca. 130 Werken über theologische Thematik und Probleme der Ökumene, erschienen im "Journal des Moskauer Patriarchats" («Журнал Московской Патриархии»), in den Sammlungen „Theologische Werke“ («Богословские труды»), der Zeitschrift „Stimme der Orthodoxie“ («Голос Православия») u.a. Viele Übersetzungen seiner Artikel wurden auch in der westlichen Presse veröffentlicht. Nicht veröffentlichte Vorlesungen von Vater Liwerij über Dogmatik und Geschichte der Alten Kirche werden in seinem Archiv aufbewahrt.
Einige Werke
- Свт. Николай - ревнитель и защитник Православия // ЖМП. 1961. № 6. С. 65-75; № 7. С. 66-74
- Слово в день праздника Воздвижения Креста Господня // Там же. № 9. С. 21-24
- Православный взгляд на сакраментальную сторону священства // Там же. 1962. № 9. С. 53-64; № 10. С. 64-72
- По поводу недели молитв о христ. единстве // Там же. 1963. № 1. С. 53-56
- Всеобщий мир и задачи Церкви // Там же. № 3. С. 19-28
- Мир и Экумена: Тез.для 1-й рабочей сессии Комис. ХМК «Мир и Экумена» // Там же. № 6. С. 36-47
- Вопрос об англикан. священстве в свете рус.правосл. богосл. науки // БТ. 1964. Сб. 3. С. 64-144
- Боговоплощение как основание христ. учения о мире // ЖМП. 1965. № 7. С. 29-34
- К вопр. о так называемом «тайном» чтении священнослужителем евхаристических молитв во время Божественной литургии // БТ. 1968. Сб. 4. С. 169-180
- Слово на текст: Исаии 54, 9-10, произнесенное на пленарном заседании 3-го Всехрист. Конгресса в защиту мира 4 апр. 1968 г. // ЖМП. 1968. № 6. С. 43-47
- Проблема теории конвергенции // Там же. 1969. № 7. С. 26-29
- Единство и разнообразие в правосл. традиции // Там же. 1970. № 10. С. 71-74
- Осуществление Примирения в жизни и деятельности Церкви // БТ. 1971. Сб. 6. С. 174-179
- Литургия по «TestamentumDomininostriJesuChristi» // Там же. С. 207-219
- Календарная проблема: Ее изуч. в свете решений Первого Вселенского Собора о пасхалии и изыскание пути к сотрудничеству между Церквами в этом вопросе // Там же. Сб. 7. С. 170-203
- Крещение и принадлежность к Церкви: Взгляд на состояние некрещеного человека (по учению св. отцов до 4-5 в.) // Там же. 1973. Сб. 10. С. 135-140
- Док-ты и акты, входящие в состав «Деяний Первого Вселенского Собора 325 г.» // Там же. Сб. 11. С. 90-111
- Истина Воскресения в Православии // ЖМП. 1974. № 6. С. 72-79; № 7. С. 46-51
- Андрей Рублев - великий художник древней Руси // БТ. 1975. Сб. 14. С. 77-94
- Евхаристия // Там же. 1980. Сб. 21. С. 60-70
- Понимание Филиокве в экуменической перспективе // ЖМП. 1982. № 3. С. 60, 61
- Путь жизни // Там же. 1985. № 11. С. 71-73
- Вопрос о «Filioque» с точки зрения рус.богословов // БТ. 1986: Юбил. сб., посвящ. 175-летию ЛДА. С. 157-185
- Слово Божие в жизни Церкви // ЖМП. 1987. № 3. С. 70-74; № 4. С. 61-67
- Богосл. основы правосл. понимания экуменизма // Тысячелетие крещения Руси: Междунар. церк. науч. конф. «Богословие и духовность». М., 1989. С. 195-211.
- Преосвященный Феофан (Быстров) - ректор СПбДА (1909-1910) // Вестник Ленинградской духовной академии. М., 1990. №01. С. 18-31
- Слово на литургии в Неделю 1-ю Великого поста // Вестник Ленинградской духовной академии. М., 1990. №01. С. 83-86
- Богословские основы православного понимания экуменизма: [Докл. на Второй Междунар. науч. конф. "Богословие и духовность Русской Православной Церкви", посвящ. 1000-летию Крещения Руси. Москва, 11-19 мая 1987 г.] // Христианское чтение. М., 1991. №01. С. 51-86
- Догматическое богословие. Из лекций, прочитанных для студентов IV курса Санкт-Петербургской духовной академии в 1991-1992 учебном году. Учебник для духовных учебных заведений. Московская Патриархия. Изд. «Хроника», 1994
- Проповеди [Специальный вып. памяти прот.Ливерия Воронова] // Христианское чтение. М., 1996. №11. С. 3-190
Auszeichnungen
- St.-Wladimir-Orden 2. Grades (1975)
- St.-Sergius-von-Radonesch-Orden 2. Grades (1984)
- St.-Daniel-von-Moskau-Orden 2. Grades [in welchem Jahr?]
- sowie verschiedene Orden anderer Kirchen