Bonifatius von Fulda

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Der Hl. Bonifatius

Gedächtnis: 5. Juni

Bonifatius, (* um 673/4/5 in Crediton; † 5. Juni 754 oder 755 bei Dokkum in Friesland), war Missionar, Klostergründer (darunter Fulda) und Bischof von Mainz und Utrecht. Aufgrund seiner umfangreichen Missionstätigkeit im damals noch überwiegend heidnischen Germanien wird er seit dem 16. Jahrhundert als „Apostel der Deutschen“ verehrt.

Hl. Bonifatius von Crediton (675-754), Apostel Deutschlands

In ihrer Reise auf den Meeren dieser Welt, gleicht die Kirche einem von Wogen unzähliger Lebenssorgen gepeitschten Schiff. Unsere Pflicht besteht darin, das Schiff nicht zu verlassen, sondern es auf Kurs zu halten. Hl. Bonifatius von Crediton

In materieller Hinsicht stellte die angelsächsische Zivilisation einen Misserfolg dar; ihr Hauptindustriezweig scheint in der Erzeugung und Ausfuhr von Heiligen bestanden zu haben… Die Grundlage dieses neuen Zeitalters wurde von dem größten von ihnen allen, dem hl. Bonifatius von Crediton, Apostel Deutschlands, geschaffen, einem Mann, der Europa tiefgreifender beeinflusst hat, als jeder andere Engländer, der jemals gelebt hat. Christopher Dawson, The Making of Europe, S. 210-11

Eine Aufeinanderfolge großer Engländer… pflanzte die Samen der Zivilisation in den Wäldern Mitteleuropas… Der größte von ihnen allen, Bonifatius von Crediton… Kein anderes Werk eines Engländers hatte eine größere Auswirkung auf die Welt. Sir Arthur Bryant, The Story of England, S. 90

Vorwort: Der dritte Mann

England: Das Jahr der Gnade 754. Ein künftiger Heiliger schreibt einen Brief an einen anderen künftigen Heiligen über einen dritten, neuen Heiligen. Der erste, Erzbischof Cuthbert von Canterbury, schreibt einen Brief an den zweiten, Lullus (Lull), den englischen Bischof von Mainz in Deutschland, über den neuerlich zu Tode gemarterten hl. Bonifatius. Der Erzhirte hält darin fest, dass das Konzil der Englischen Kirche beschlossen habe, den 5. Juni, den Tag des Martyriums des Heiligen Bonifatius, fortan jährlich als seinen Gedenktag zu begehen. Darüber hinaus soll der Heilige, zusammen mit den hll. Gregor dem Großen und Augustinus von Canterbury, zum dritten Schutzpatron Englands erhoben werden, denn er habe das Licht Christi zu den Barbarenvölkern, in entlegene und unzugängliche Gegenden Europas, getragen, welche nicht einmal die römischen Legionen zu betreten wagten. Wer war nun dieser dritte Mann, der hl. Bonifatius, der die Bekehrung Englands in eine Bekehrung ganz Nordwesteuropas verwandelte? Wer war dieser Wanderer über See und Berg, durch Wald und Wildnis, der ständiger Gefahr ausgesetzt war: vom Wasser her, von Räubern und Heiden, von falschen Brüdern? Wer war dieser Mann, der sein eigenes Land, seine Freunde, sein Kloster und seine Mönche so sehr liebte, und sie trotzdem alle verließ, um im Nordwesten Europas Ortskirchen aufzubauen, Kirchen und Klöster zu errichten, den zahllosen heidnischen Barbarenstämmen den Orthodox-Christlichen Glauben zu verkünden und schließlich von ihrer Hand zu sterben?

Die frühen Jahre

Bonifatius erhielt diesen Namen nicht bei seiner Geburt, denn er war ihm vor dem Beginn seiner Mission unter den Deutschen verliehen worden. Sein Taufname war Winfrith (Winfried), „Freund des Friedens“, und deutete möglicherweise auf seine gemischte englisch-keltische Herkunft hin. Er entstammte der Ehe eines adeligen englischen Vaters mit einer möglicherweise keltischen Mutter und wurde wahrscheinlich im Jahre 675 in Crediton (Devon) geboren, in einer keltischen Gegend, die erst vor kurzem englisch besiedelt wurde und nunmehr einen Teil des Königreichs Wessex (Westsachsenland) ausmachte. Sein Vater gehörte wohl zu den englischen Händlern in Exeter, einer Stadt an der Grenze zwischen England und jener keltischen Welt, die von Cornwall aus wie ein Keil tief ins Devon hineinragte. Schließlich kamen die Engländer erst eine Generation vor Winfriths Geburt in Devon an. In Exeter lebten Kelten und Engländer Seite an Seite, wenngleich mit jeweils eigener Kirche. Als Knabe wurde Winfrith von seinen Eltern zur Erziehung in ein kleines Kloster in Exeter gegeben. Hier „verliebte“ er sich in den Glauben. Nach dem Wunsch seines Vaters sollte er das Kloster verlassen, um sein Gut zu verwalten, eine Aufgabe, für die er dank seiner klösterlichen Bildung gut geeignet gewesen wäre. Doch Winfrith zog die Glaubenslehre und das Klosterleben vor. Sein Vater ließ sich erweichen und willigte ein, dass er Mönch unter der Leitung des damaligen Abtes Wulfhard werde. Winfrith, der, wie der Schreiber seiner Vita, St. Willibald, bemerkte, „den Funken des göttlichen Genius“ besaß, suchte nach höherer Lehre. Er verließ die provinzielle Grenzstadt Exeter und begab sich ins westliche Wessex, ins Kloster Nursling (damals: Hnutscelle) nahe Southampton. Dort, unter der geistlichen Leitung des Abtes Winbert, fand er das, wonach er suchte. Er erwarb vortreffliche Lateinkenntnisse und wurde auch einigermaßen des Griechischen kundig. Er wurde zum Leiter der dortigen Klosterschule ernannt und erlangte Berühmtheit als Glaubenslehrer und Unterweiser der Mönche. Seine Jünger kamen zu ihm von überallher, vor allem wegen seiner Kenntnis der Heiligen Schrift und seiner Gabe, sie richtig auszulegen. Uns sind aus dieser Zeit etliche Werke des Mönchs Winfrith überliefert, die im Stil des hl. Aldhelm, den Winfrith möglicherweise persönlich kannte, verfasst wurden. Der Mönch Winfrith wurde, nachdem er „das Wissen der Himmlischen Dinge“ erlangt hatte, zum „Inbegriff des christlichen Lebens und der Apostolischen Lehre“. Zu seinen persönlichen Vorzügen gehörten Enthaltsamkeit, Gebetseifer, Selbstdisziplin und seine Fähigkeit, anderen als Mentor zu dienen. In seinem Herzen immer noch ein Mönch, wurde er im kanonischen Alter von dreißig Jahren zum Priester geweiht. Nun also, Anfang des achten Jahrhunderts, stand Vater Winfrith im Ruf eines zuverlässigen und fähigen Dieners der Kirche. Er beteiligte sich an Kirchenkonzilien und war seinem Diözesanbischof, Daniel von Winchester, sehr gut bekannt. Dennoch verspürte er den Wunsch, Christus in Europa zu predigen. Höchstwahrscheinlich wurde er durch das Vorbild des hl. Wilfried und seiner Mission in Friesland in den Jahren 678-679 inspiriert. Diese fand ihre Fortsetzung in der missionarischen Tätigkeit der Jünger Wilfrieds, solcher wie des northumbrischen Priesters und Mönchs Willibrord, des künftigen Apostels Frieslands, die 690 ihre Missionsreise antraten.

Die Vorzüge der missionarischen Arbeit in Friesland, das nur 150 Meilen von der englischen Ostküste entfernt war, lagen auf der Hand. Sie wurde nicht nur durch die geographische Nähe begünstigt, sondern auch durch die Tatsache, dass Friesen und Engländer zu jener Zeit eine fast identische Sprache hatten. Die zwischen den Franken und den Engländern ansässigen Friesen waren Nachbarn in jedem Sinne dieses Wortes. Und ihr Land war damals beträchtlich weiträumiger als das heutige Friesland: es erstreckte sich über die ganze heutige niederländische Seeküste und darüber hinaus – vom heutigen Norden Belgiens bis hin nach Bremen. Im Jahre 695 wurde Willibrord in Rom zum Erzbischof geweiht und nahm dabei den Namen seines Schutzpatrons, des hl. Klemens, Papst von Rom, an, obgleich ihn alle unter seinem alten Namen kannten. Als Ausgangspunkt seiner Mission wählte er den römischen Ort Traiectum, das heutige Utrecht, wo er eine alte Kirche, die er dem hl. Martin von Tours weihte, wiederaufbauen ließ und den Grundstein zu einer dem Erlöser geweihten Kathedrale legte. Seine Taufreisen führten ihn in den fernen Norden, bis nach Helgoland, und er predigte sogar den Dänen. Mitglieder des englischen Klerus gewährten ihrem Landsmann bei seiner Mission zum Brudervolk der Friesen eine tätige Unterstützung. Zu ihnen zählten die zwei Ewalde – Ewald der Blonde und Ewald der Dunkle, ein Bruderpaar, das ca. 695 von den Sachsen zu Tode gemartert wurde. Zu ihnen gehörte auch der hl. Suitbert (Swithbert), der Bischof von Dorestad (dem heutigen Wijk-bij-Duurstede) wurde und danach in Kaiserswerth ein Kloster gründete, wo seine Reliquien bis heute aufbewahrt und verehrt werden. Die Kunde von diesen Missionen muss sich wie ein Lauffeuer in den englischen Klöstern jener Zeit verbreitet haben. Widerstrebend erteilte Abt Winbert schließlich dem damals etwa vierzigjährigen Vater Winfrith seinen Segen, in Richtung Festland aufzubrechen; er stellte ihm dazu die nötigen Vorräte und zwei oder drei Brüder als Begleiter zur Verfügung. Etwa im Frühling des Jahres 716 machte sich diese kleine Schar von London aus in einem friesischen Schiff auf den Weg. Nach ihrer Ankunft in Dorestad, dem heutigen Wijk-bij-Duurstede, taten sich ihnen Abgründe auf: Erzbischof Willibrord war ins Exil gegangen, da der heidnische König der Friesen, Radbod, die Kirchen zerstörte und die heidnischen Tempel wiederaufbauen ließ – in einem allverheerenden Feldzug gegen den nationalen Erzfeind – die Franken, die gleichzeitig als Verbreiter des Christentums auftraten. Obwohl es Winfrith gelang, unversehrt zu Radbod sprechen zu können, sah er ein, dass, angesichts der Tatsache, dass die Friesen den christlichen Glauben mit dem Erzfeind, den Franken, gleichsetzten, jede Missionsmöglichkeit für die absehbare Zukunft vertan war. Innerhalb weniger Monate verließ er Friesland. Doch nicht alles war verloren. Aufgrund dieser Erfahrung wurde es Vater Winfrith klar, dass der wahre Grund des Problems der Verfall der Fränkischen Kirche war. Um irgendetwas auf dem „dürren Boden“ Frieslands erreichen zu können, müsste er bei den Franken anfangen. Dies würde bedeuten, dass er sich, um eine wohlorganisierte Missionsarbeit in die Wege zu leiten, zuerst die Autorität und Unterstützung der höchsten Stelle des Westlichen Patriarchats sichern sollte. Vater Winfrith kehrte nach Nursling zurück und nahm sein früheres Leben wieder auf. Nach dem Tod des Abtes Winbert, der sich innerhalb eines Jahres ereignete, wurde er zum neuen Abt des Klosters gewählt. Dennoch weigerte sich Winfrith, diese Ehre anzunehmen, denn er dachte bereits an eine weitere Festlandsmission. Bischof Daniel akzeptierte seine Entscheidung, ernannte einen gewissen Mönch namens Stephan zum Abt, gab Vater Winfrith zwei Empfehlungsschreiben mit auf den Weg und schickte ihn nach Rom. Wie Winfrith wusste auch Bischof Daniel, dass er nur dann Autorität unter den Franken besitzen könnte, wenn er zuerst der Autorität des Papstes sicher war.

Der Apostel

Im Herbst 718 überquerte Vater Winfrith den Ärmelkanal, um nie wieder nach England zurückzukehren. Innerhalb von nur wenigen Wochen erlebte er seine erste Begegnung mit einem anderen künftigen Heiligen, dem Papst Gregor II.: Dieser trug denselben Namen wie der erste Papst Gregor, der Apostel der Engländer. Es sollten nach dieser Begegnung viele weitere folgen, da der Papst Winfriths Geduld und Glaubenseifer auf die Probe stellen wollte. Dann, im Mai des Jahres 719, änderte der Papst dessen Namen in „Bonifatius“, möglicherweise zu Ehren des gleichnamigen Märtyrers aus Tarsus (der Heimatstadt des hl. Theodor von Canterbury), dessen Fest am 14. Mai gefeiert wird. Der Name bedeutet auf Lateinisch „Wohltäter“. Hier scheint der Papst den Präzedenzfall des ersten großen englischen Glaubensboten, des hl. Willibrord, im Sinne gehabt zu haben, dessen Name im Jahre 695 offiziell zu „Klemens“ geändert wurde. In jedem Fall, trug Vater Bonifatius diesen neuen Namen konsequent für den Rest seines Lebens, und unter diesem Namen ist er hauptsächlich auch bekannt. Im Mai 719 brach Bonifatius nach Thüringen auf, das weit östlich vom Rhein und von den Franken lag und dessen Sprache mit dem Altenglisch von Vater Bonifatius fast identisch war. Hier, im waldigen Gebirge, sollte er mit der Vollmacht und dem Segen der Apostel wirken. Seit langem trug sich Papst Gregor mit dem Gedanken, eine Mission nach Thüringen in die Wege zu leiten, um die Kirche nach Osten hin zu den heidnischen Germanenvölkern auszudehnen. Dennoch wurde im eigentlichen Auftrag des Vaters Bonifatius kein bestimmtes Gebiet erwähnt; dieser bestand einfach darin, in den „Erdteilen der Heiden“ zu predigen. Vater Bonifatius verließ Rom, überquerte die Bayrischen Alpen und kam in Thüringen an. Hier fand er einige Christen vor, die vom fränkischen Klerus und vom irischen Mönch St. Kilian getauft worden waren; der Überlieferung zufolge wurde der letztere hier um das Jahr 688 zu Tode gemartert. Doch die meisten Thüringer waren bestenfalls nur halbe Christen. Da sie kein systematisches und wohlgeordnetes Kirchenleben kannten, verwechselten sie den Glauben, der ihnen durch die wandernden irischen Glaubensboten vermittelt worden war, mit dem Heidentum und den Riten von Donar und Wodan. Da sie darüber hinaus einen üblen Lebenswandel führten, verfolgten sie Vater Bonifatius. Angesichts dieser Schwierigkeiten begab sich Bonifatius nach Frankenland, das im Nordwesten lag, um Unterstützung zu holen. Hier hörte er von einer Wende in Friesland. Radbod war nunmehr tot und Erzbischof Willibrord zurückgekehrt. Bonifatius hielt sich nicht lange unter den Franken auf, sondern begab sich sogleich nach Friesland, in die „Erdteile der Heiden“, wo er sich ursprünglich im Namen Christi betätigen wollte. Hier sollte Vater Bonifatius zwischen 719 und 722 mit seinem Landsmann, Erzbischof Willibrord, zusammenarbeiten. Sie bildeten ein vollkommenes „Gespann“ – der eine alt und erfahren, der andere jung und tatkräftig. In Westfriesland gründeten die beiden eine Provinzkirche mit Utrecht als Stützpunkt. Bonifatius erwies sich als Meister der Planung und Organisation. Erzbischof Willibrord wollte ihn zu seinem Hilfsbischof machen, doch er lehnte dieses Angebot ab. Im Jahre 722 begab er sich, - nachdem er in Friesland alles, was er vermochte, getan und erlernt hatte, - mit dem Segen seines Erzbischofs in den Südosten, nach Hessen. Nach allem, was er gehört hatte, waren hier die Bedingungen für missionarische Arbeit viel günstiger, als in Thüringen. Erzbischof Willibrord blieb in Utrecht zurück, wo er seine Tätigkeit fortsetzte. 739 verschied er hochbetagt in seinem Kloster in Echternach, im heutigen Luxemburg. Seine Mission wurde von anderen fortgeführt, darunter auch von seinem Vetter, Beornred, dem ersten Bischof von Echternach und späteren Erzbischof von Sens in Frankreich. Sein anderer Gehilfe war ein Engländer namens Liafwine (dt. Lebuin), der später als Erleuchter Frieslands berühmt und als Märtyrer in Deventer verehrt wurde. Bei ihm befand sich auch der künftige St. Markhelm (auch Marcellin genannt), ein weiterer Unterstützer des künftigen hl. Bonifatius. Dann gab es noch andere Northumbrer, die hll. Plechelm (Pleghelm), Wiro (Wira) und Otger (Edgar), drei Missionsgefährten, die beiden ersten von ihnen Bischöfe. Ein weiterer northumbrischer Glaubensbote, der künftige St. Willehad, sollte später nach Norden vorstoßen und am Ende Bischof von Bremen werden. Seine Diözese war eine Mischung aus Friesen und Sachsen. Er entschlief im Jahre 789 als letzter der im apostolischen Geiste wirkenden großen englischen Glaubensverkünder. Aber zurück zu Hessen. In diesem Land, das an Thüringen grenzte und für einen Vorstoß ins Herz Deutschlands von strategischer Bedeutung war, fand Bonifatius eine Wildnis vor. Hessen wurde zum wahren Ausgangspunkt seiner Mission als Apostel Christi, denn, im Gegensatz zu Thüringen und insbesondere zu Friesland, war dieses Gebiet noch gänzlich heidnisch. Es war vom fränkischen Bischof von Mainz, zu dessen Diözese es angeblich gehörte, vernachlässigt worden, und selbst irische Wandermönche waren noch nicht hier gewesen. Auf seine friesische Erfahrung bauend, sprach Vater Bonifatius zunächst zu den dortigen Stammesführern, von denen er zwei zu Christus bekehrte. Hunderte und Tausende folgten. Doch es fehlte ihm an Gehilfen. Nachdem er den Papst über dieses Problem unterrichtet hatte, kehrte er nach Rom zurück.

Der Bischof

Von einer kleinen Jüngerschar begleitet, kam Vater Bonifatius Anfang November 722 in Rom an. Nach der Ablegung seines Bekenntnisses zum Orthodoxen Glauben, wurde er am St. Andreas-Tag, am 30. November, zum Bischof für ganz Deutschland östlich des Rheins geweiht und war in dieser Eigenschaft nur dem Papst von Rom verantwortlich. Auf diese Weise sicherte sich Bischof Bonifatius die Unterstützung durch den Patriarchen des Westens selbst, dessen Autorität jener der ignoranten und mitunter auch häretischen Wanderprediger und korrupten fränkischen Bischöfe weit überlegen war. Der Papst verfasste für Bischof Bonifatius fünf Empfehlungsschreiben. Sie beschrieben sehr genau, wie dieser allen östlich des Rheins beheimateten Völkern zu predigen hatte und enthielten eine Anweisung an alle dortigen Geistlichen und Laien, ihr Leben strikt nach den Kanones der Kirche auszurichten: dass zum Beispiel ein Mann, der zweimal verheiratet war, nicht zur Priesterweihe zugelassen werden darf. Anfang 723 trat Bischof Bonifatius die Rückreise an; als er das fränkische Gebiet durchquerte, stattete er unterwegs dem fränkischen Hausmeier Karl Martell einen Besuch ab und präsentierte ihm die für ihn vom römischen Papst selbst ausgestellten Empfehlungsschreiben. Obwohl Martell bestenfalls nur ein halbherziger Christ war, war er als Kriegsherr trotzdem imstande, wichtige politische Unterstützung und militärischen Schutz zu gewähren, und gewährte sie auch in der Tat, da Hessen und Thüringen Grenzprovinzen des Frankenreichs waren. Nachdem er sich Martells Unterstützung gesichert hatte, kehrte Bischof Bonifatius nach Hessen zurück. Es folgte ein Ereignis, das in all den langen Jahren, die der Bischof in den deutschen Landen verbrachte, das dramatischste war: es galt ihm jetzt, dem Herzstück des Götzendienstes in Hessen einen vernichtenden Schlag zu versetzen. Auf den Rat hessischer Christen hin, fällte der neue Bischof persönlich vor einer großen Menschenansammlung das Symbol des Heidentums, die dem Gott Donar geweihte „heilige Eiche“ von Geismar. Es wird überliefert, dass, während er sie fällte, ein mächtiger rauschender Wind aufkam und der Baum zu Boden fiel. Die Überlieferung spricht davon, dass, als die Eiche niederfiel, sie sich in vier Teile spaltete, die ein Kreuz bildeten. Als die Heiden sahen, wie die Axt in die riesige Eiche hineinschlug, ohne dass der Donnergott auch nur einen Laut von sich gegeben hätte, wussten sie, dass der Sieg den Christen gehörte. Statt zu fluchen, begannen die Heiden nunmehr zu segnen. Christus hatte den Sieg davongetragen. Es war dieses dramatische Ereignis, das der Macht des Heidentums in jenem Landstrich ein und für allemal ein Ende setzte. Der heidnischen Widerstandsbewegung war das Rückgrat gebrochen, und jene, die gekommen waren, den Galiläer zu schmähen, priesen den neuen Gott, als sie heimkehrten. Bischof Bonifatius verwendete das Holz der Eiche für den Aufbau einer Kapelle, die dem hl. Apostel Petrus geweiht war. An jener Stelle entstand später das Kloster von Fritzlar. Hessen wurde für Christus gewonnen, und fortan ging die Predigt der Frohen Botschaft zügig voran. Heidnische Schreine wurden zerstört, der Glaube wurde verkündet und das Volk wurde getauft. So erfolgreich verlief seine Mission, dass Bischof Bonifatius kurz vor dem Jahre 724 von Hessen wieder nach Thüringen aufbrach. Hier bestand eine seiner Hauptschwierigkeiten - wie er es damals in einem Brief nach Rom darlegte – ironischerweise nicht im Heidentum,sondern in der Obstruktionspolitik fränkischer Bischöfe. Vielfältig waren die praktischen und seelsorgerischen Probleme, die Bischof Bonifatius in den nachfolgenden Jahren begegneten; daher unterhielt er in diesen Jahren eine enge Verbindung zu Rom und holte sich von dort immer wieder Rat. Es ging nur stockend voran. Oft musste er einheimischen Christen materielle Unterstützung leisten, da Thüringen von Norden her mehrfach von heidnischen Sachsen überrannt wurde. Bischof Bonifatius sah sich drei brennenden Fragen gegenüber, denen sich alle Missionare zu allen Zeiten und an allen Orten früher oder später stellen müssen: Widerstand der Heiden, Treulosigkeit falscher Brüder, fehlende Unterstützung seitens der Machthaber. Auch hier gab es heidnischen Widerstand, Treulosigkeit und Grausamkeit der vermeintlich christlichen Franken, Häresien halbchristlicher Wanderlehrer und eine nur sehr geringe Unterstützung seitens Karl Martell. Aber jene sehr geringe Unterstützung war es, die ihm zumindest erlaubte, weniger peinliche Kompromisse gegenüber korrupten fränkischen Bischöfen eingehen zu müssen. Dazu kam noch, als seine Mission sich ausweitete, ein Mangel an jenen, die bereit waren, den geistigen Kampf zu führen. Aufrufe an die Franken brachten nur wenige neue Bereitwillige; Rufe, die nach England ergingen, sollten dagegen eine überwältigende Antwort bringen. Bischof Bonifatius war in seinem heimatlichen Wessex nicht vergessen. Mit einigen stand er in Briefwechsel; Teile dieser Korrespondenz haben sich bis heute erhalten. In den späten zwanziger Jahren kamen einige wenige Gehilfen – Leser, Schreiber und Gelehrte – aus Wessex zu ihm herüber, in den dreißiger Jahren aber verwandelte sich dieses zaghafte Rinnsal in einen ständigen Strom, der in den Vierzigern zu einer wahren Sturmflut wurde. Zu den Mönchen, die aus England kamen, zählten der künftige hl. Wigbert von Glastonbury, der später zum Abt von Fritzlar wurde, ein anderer Wigbert und Liafwine, der künftige hl. Lebuin; ferner die treuen Witta, Eoban und Denehard; der künftige hl. Burkhard (Burchard) aus Malmesbury, der spätere Bischof von Würzburg; der künftige hl. Lullus (Lull), ebenfalls aus Malmesbury, danach ein Jünger von Vater Winfrith in Nurseling, später Nachfolger des hl. Bonifatius und Erzbischof von Mainz; ferner der künftige hl. Markhelm und später die beiden Brüder und Anverwandten von Bischof Bonifatius, die künftigen Heiligen Wunibald (Winebald) und Willibald.

Einige von ihnen waren begabte Prediger, andere begabte Organisatoren. Unter den vielen bemerkenswerten Nonnen, die aus England kamen, befanden sich Cunihild und deren Tochter Bergit, die nach Thüringen ging, Cunitrud in Bayern, die künftige hl. Walburga (Walburg), Schwester der hll. Wunibald und Willibald und Äbtissin von Heidenheim, deren Reliquien bis zum heutigen Tage Myron (wohlriechendes Salbungsöl) verströmen; ferner die künftige hl. Thekla, Äbtissin von Kitzingen, und, allen voran, die innige Seelenfreundin und Anverwandte des Bischofs Bonifatius, die künftige hl. Lioba, Äbtissin von Tauberbischofsheim. Ihnen allen verdankten die neuen Christen Mitteldeutschlands ihr geistiges Wachstum.

Ab 725 wurden in Hessen und Thüringen große Fortschritte auf dem Gebiet der Glaubensverbreitung gemacht. Glaubenseifer verbunden mit Weisheit brachte seine Früchte. Es fanden verschiedentlich Massentaufen von Hunderten oder gar Tausenden statt. Kirchen, Kapellen und Klöster wurden gebaut. Wie sonst bei orthodoxen Missionen, spielten Klöster dabei die entscheidende Rolle – als Gebets- und Unterweisungszentren, als geistige Stätten, die eine vorbildhafte Funktion erfüllten. Trotz der Streifzüge heidnischer Sachsen und der Übergriffe der fast genauso heidnischen „christlichen“ Franken, waren Klöster Leitsterne der Kultur, die den Geist des Evangeliums in die sie umgebende Finsternis ausstrahlten. Besonders bemerkenswert waren in dieser Hinsicht die ersten Klöster - das von Amöneburg, das dem Erzengel Michael gewidmet war, sowie die von Fritzlar und Ohrdruf. Bis zum Jahre 732 wurde hier eine einheimische Kirchenprovinz errichtet; sie übertraf jene der Franken bei weitem in allem, was klösterliche Disziplin und Gelehrsamkeit anging.

Der Erzbischof

Im Jahre 731 entschlief der heilige Papst Gregor II. und wurde von seinem Namensvetter, dem Syrer Gregor III., abgelöst. Dieser war ebenso weitblickend, erleuchtet, eifrig und weise wie jener, ja er sollte nach dem Tode gleichfalls als Heiliger verehrt werden. Im nachfolgenden Wendejahr 732 erhob dieser syrische Papst Bischof Bonifatius in den Rang eines Erzbischofs und gestattete ihm als Metropoliten von ganz Deutschland östlich des Rheins, neue Bischöfe zu weihen. Die missionarische Tätigkeit wurde fortgesetzt.

Im Jahre 738 reiste Erzbischof Bonifatius nach Rom, um dort sein Projekt der Ausdehnung der Missionstätigkeit in die Gebiete seiner sächsischen Stammesbrüder zu besprechen. Zur großen Enttäuschung des Erzbischofs war der Papst der Meinung, die Zeit dafür wäre noch nicht reif. Allseits gab es Feinde und falsche Freunde. Zwar hatte Karl Martell die Christenheit vor den Muslimen verteidigt, indem er im Jahre 732 die Schlacht von Tours gewann, doch war er selbst weit davon entfernt, ein idealer Mann der Kirche zu sein. Dann gab es das Problem der Langobarden und der Unfähigkeit des Kaisers in Konstantinopel, Kräfte für die Verteidigung Roms selbst abzustellen. So bat der Papst den Erzbischof stattdessen darum, seine bisherigen Errungenschaften zu konsolidieren. Zudem bat er ihn, sich um Reform und Reorganisation der Kirchen in den bayrischen Gauen, die heute Süddeutschland und Nordösterreich umfassen, sowie in Alemannien - heutige Schweiz und Ostfrankreich - zu kümmern. Im Februar 739, im Alter von nunmehr sechzig Jahren, verließ der Erzbischof Rom nach einem mehrmonatigen Aufenthalt. Von dort nahm er nicht nur Geschenke und Reliquien, sondern auch neue Freiwillige – Engländer, Bajuwaren und Franken – auf die Rückreise mit. Unter ihnen taten sich besonders die bereits erwähnten künftigen Bruderheiligen hervor – seine beiden Anverwandten, die englischen Mönche Wunibald und Willibald, denen er in Rom begegnete. Willibald, der Mönch in Bishop´s Waltham in Hampshire geworden war, war viel gereist. Nachdem sein Vater, der hl. Richard, in Italien verschied, ließ er dort seinen Bruder zurück. Danach brach er zu einer Pilgerreise nach Sizilien, Zypern, Patmos, Syrien und Konstantinopel auf, wo er zwei Jahre verbrachte, und ließ sich nach seiner Rückkehr im Jahre 729 als Mönch im italienischen Monte Cassino nieder. Er sollte ein hohes Alter erreichen und im Jahre 786 entschlafen. Nachdem nun alle Bischöfe, die bereits dort waren, seiner Weisungsgewalt unterstellt worden waren, brach der Erzbischof nach Bayern auf, wo dringende Neuorganisations- und Umbauaufgaben auf ihn warteten, denen gerecht zu werden einzig sein Genius imstande war. Wie der hl. Augustinus von Canterbury vor ihm, war der hl. Bonifatius ein Glaubensbote, aber, wie der hl. Theodor von Canterbury, zugleich ein vortrefflicher Organisator. Die nachfolgenden fünfzehn Jahre würden die tatkräftigsten und bewegtesten seines Lebens sein. Das Christentum wurde im frühen siebten Jahrhundert von Franken und Iren nach Bayern gebracht. Im Südwesten Deutschlands, auf der Bodenseeinsel Reichenau, gab es auch ein vom hl. Pirmin, einem südgallischen Missionsbischof, im Jahre 724 gegründetes Kloster. Das Christentum wurde in Bayern auch von Persönlichkeiten wie den hll. Rupert (Hrodbert), Emmeram (Emmeran) und Korbinian verbreitet, und in der Folge dieser Mission entstanden christliche Zentren in Salzburg (heute Österreich), Regensburg und Freising, denen es freilich an Koordination untereinander fehlte. Es gab keine Bistümer und keine kirchliche Organisation, und das politische Klima im achten Jahrhundert war wegen des Hegemonialstrebens der Franken äußerst ungünstig. Bajuwarische Herrscher suchten ständig nach einer Gelegenheit, sich der fränkischen Übermacht zu entziehen – eine für Missionare prekäre Situation. Als der Erzbischof im Jahre 739 dort ankam, teilte er Bayern in vier Diözesen ein: Regensburg, Salzburg, Freising und Passau - und weihte Gaibald, Johannes und Erembert zu Bischöfen der ersten drei Bistümer. Ein weiterer Helfer war ein Engländer namens Liafwine (Lebuin), der später als Erleuchter Frieslands berühmt und in Deventer als Märtyrer verehrt wurde. Zwei Jahre danach wurde ein fünfter Bischof, Willibald, für Eichstätt ernannt. Es handelte sich dabei um niemand anderen als den Verwandten des Erzbischofs, den künftigen hl. Willibald. Um das Jahr 740 wurde das erste Konzil dieser neugegründeten bayrischen Kirche abgehalten. Allem Anschein nach befasste es sich mit kanonischen, disziplinären und administrativen Fragen, mit der Wichtigkeit regelmäßiger Beichte und Kommunion, mit dem Problem regelwidriger Priesterweihen, die vor dem Amtsantritt des Erzbischofs vollzogen worden waren – kurzum, mit all den einfachen, aber dennoch unumgänglichen Fragen, die noch vor der Wiederherstellung einer elementaren Ordnung gelöst werden mussten. Der Erzbischof widmete sich daraufhin der Einrichtung des klösterlichen Lebens in Bayern, indem er Gebets-, Gottesdienst- und Ausbildungszentren sowohl für den verheirateten Pfarrklerus als auch für asketisch lebende Mönche gründete. Um das Jahr 741 wurde im Bistum Passau, in Altaich, ein dem hl. Mauritius geweihtes Kloster, sowie ein weiteres Kloster in Benediktbeuern errichtet. Nach Schätzungen wurden zwischen 740 und 778 fast einhundert Klöster in Bayern gegründet. All dies wurde unabhängig von den halbheidnischen Bischöfen des halbheidnischen Franken Karl Martell erreicht. Erzbischof Bonifatius fühlte sich von der Autorität der Apostel, nicht von den Gezeiten der fränkischen Machtpolitik abhängig. Bis zum heutigen Tage bleibt Bayern eins der am wenigsten entchristlichten Gebiete Deutschlands – das verdankt dieses Land wohl in einem nicht geringen Maße dem hl. Bonifatius und dem soliden Fundament, das er hier gelegt hat. Ab 741 wandte sich der Erzhirte wieder Hessen und Thüringen zu. In dem Maße, in dem die Kirchen dort herangewachsen waren, wuchsen auch die Anforderungen an Disziplin und Organisation. Erzbischof Bonifatius schuf in diesen Ländern drei neue Bistümer. Das nicht weit vom Kloster Fritzlar entfernte Büraburg wurde zum Hauptbischofssitz für Hessen, und ein Engländer, Witta (lat. Albin), zu dessen Bischof erhoben. Das nicht weit vom Kloster Ohrdruf gelegene Erfurt wurde zum Bischofssitz für Thüringen, mit einem weiteren Stützpunkt in Würzburg, von dem aus Südthüringen betreut wurde. Hier wurde der Mönch Burkhard von Malmesbury Bischof. Von nun an erkannten acht Bischöfe die Weisungsgewalt des Bonifatius in Bayern, Hessen und Thüringen an, und etliche andere, die von ihm persönlich nicht geweiht worden waren, anerkannten ihn in Alemannien (heutige Schweiz). Erzbischof Bonifatius, wenngleich er selbst noch über keinen festen Bischofssitz verfügte, war im Begriff, zu einem wahrhaften Metropoliten von ganz Deutschland zu avancieren. Der Erzbischof hatte bis dahin bereits drei monastische Zentren in Amöneburg, Fritzlar und Ohrdruf eingerichtet. Nun galt es, das Klosterwesen auszuweiten, um in Deutschland eine christliche Zivilisation und Lebensweise zu schaffen. Hilfe kam von Mönchen und Nonnen, vor allem aus England. Ein Missionskloster wurde in Eichstätt vom künftigen Bischofsheiligen Willibald gegründet, ein weiteres würde später, im Jahre 751, unter dem Bruder des letzteren, dem künftigen hl. Wunibald, in Heidenheim entstehen. Nach dem Tode Wunibalds würde seine Schwester, die künftige hl. Walburga, die Leitung des Klosters übernehmen. Drei Frauenklöster wurden jeweils in Kitzingen, Ochsenfurt und Tauberbischofsheim gegründet. Das größte all dieser Klöster aber bleibt bis heute das von Fulda, wo sich auch das Grab des hl. Bonifatius befindet – ein Kloster, das - hätte das Schisma im Westen nie stattgefunden - zum deutschen Monte Cassino, zum deutschen Athos geworden wäre. Erzbischof Bonifatius hatte denn auch lange Zeit den Wunsch gehegt, solch ein großes Kloster zu gründen, das als Ausgangspunkt des Missionswerks im Südwesten Thüringens dienen sollte. Darin ahmte er den hl. Willibrord nach, der von Friesland aus seinen monastischen Stützpunkt in Echternach aufgebaut hatte. Mit dieser Aufgabe betraute Bonifatius seinen treuen bajuwarischen Jünger, den Mönch und späteren Mönchspriester namens Sturmius (Sturm). Nach langer Suche fand dieser schließlich mitten in tiefen Wäldern eine Einöde, einen idealen Standort - ein weites Tal mit fruchtbarem Boden, umsäumt von Bergen, denen der Fluss Fulda entsprang. Um diesen Ort herum lebten vier verschiedene Völker, denen Erzbischof Bonifatius die Frohe Botschaft gebracht hatte. Im Januar 744 begannen hier Bauarbeiten. Der Wald wurde gerodet, und eine dem Erlöser geweihte Steinkirche – die Christuskirche - begann, Gestalt anzunehmen. Klostergebäude wurden errichtet, und eine Gruppe von Mönchen zog dort ein. Im Jahre 748 wurde Vater Sturmius nach Monte Cassino in Italien entsandt und nach seiner Rückkehr im Jahre 750 zum Abt gemacht. Nach dem Tod des hl. Bonifatius wurde Fulda zu einem mächtigen Kloster, und um das Jahr 779 betrug die Zahl der Mönche dort über vierhundert. In späteren Jahren begann der Erzbischof hier viel Zeit zu verbringen; er lebte als Einsiedler und betete oft auf einem nahegelegenen Hügel, der von den Mönchen „Bischofs Hügel“ genannt wurde. Das Kloster wurde in den Rang eines „Pekuliarklosters“ erhoben, mit anderen Worten, es wurde stauropegial oder unabhängig von der Rechtsprechung des örtlichen Diözesanbischofs - allein dem Patriarchen von Rom unterstellt.

Der Metropolit

Bis zum Jahr 741 breitete sich der Einfluss und die Verantwortlichkeit des Erzbischofs Bonifatius über den ganzen Nordwesten Europas aus; er nahm allmählich die Rolle eines Metropoliten an, der Hand in Hand mit seinem Patriarchen arbeitete. In jenem Jahr verschieden sowohl Karl Martell, der Hausmeier der Franken, als auch Papst Gregor III. Der Tod des ersteren hatte eine gewisse politische Instabilität zur Folge, und der Fortschritt der Mission wurde zeitweilig behindert. Nach einer kurzen Zeit der Wirren trat der nächste Papst, ein Grieche namens Zacharias, sein Amt an. Dieser ehemalige Diplomat fuhr fort, Erzbischof Bonifatius zu unterstützen, obwohl er ihn ursprünglich falsch beurteilt hatte. Seine Unterstützung erwies sich als letztendlich unschätzbar und auch er wurde schließlich als Heiliger verehrt. In seinem bis heute erhaltenen frühen Briefwechsel mit ihm beschrieb Erzbischof Bonifatius den argen Zustand der fränkischen Kirche und wies auf die Tatsache hin, dass seit mehreren Jahrzehnten kein einziges Konzil einberufen worden war. Er prangerte den korrupten Zustand des fränkischen Klerus an und erwähnte dabei gleichfalls den sittenlosen Lebenswandel vieler in Rom. In seinem Antwortschreiben stellte Papst Zacharias in Abrede, dass solch ein Sittenverfall in Rom üblich wäre. Er hielt auch fest, dass man nur vor der Weihe heiraten dürfe, und dies nur einmal, im Gegensatz zu den fränkischen Klerikern, die Mätressen hielten oder polygam waren (Epistel 28). Er beantwortete auch die Frage des Erzbischofs nach den genauen Stellen, an welchen während des Eucharistischen Kanons das Zeichen des Kreuzes gemacht werden musste. Als sich die Situation unter den Franken verbesserte und Karl Martell von seinen kirchenfreundlicheren Söhnen, Karlmann und Pippin III., abgelöst wurde, verbesserte sich auch die Lage des Erzbischofs. Der eher kirchlich gesinnte Karlmann, ein großer moralischer Unterstützer und finanzieller Förderer der Kirche, regierte Austrien (Austrasien), den östlichen Teil des Frankenreiches (das heutige Deutschland und die Schweiz). Mit ihm unterhielt der Erzbischof denn auch die engsten Kontakte. Die Aufgabe des Erzbischofs bestand hier nicht darin, das Licht Christi denen zu bringen, die nie von Ihm gehört hatten, sondern darin, die korrupte fränkische Kirche mittels Konzilien zu reformieren – erst den germanischen (austrischen) Teil unter Karlmann, und dann den „französischen“ (neustrischen) unter Pippin. Das erste Kirchenkonzil für den austrischen Klerus fand unter Karlmann im April des Jahres 742 statt; sein Ziel war die Reform der Kirche. Den Vorsitz bei einem solchen Konzil zu führen bedeutete, dass der Erzbischof einen Großteil der täglichen Verantwortlichkeit für die Kirche Deutschlands den von ihm zu diesem Zweck ernannten Bischöfen übertragen hatte. Wieder einmal sehen wir den Erzbischof hier nicht nur als Glaubensboten und eifrigen Mönch, sondern auch als Staatsmann, als wahren Metropoliten des ganzen Nordwestens des europäischen Festlands. Seine Aufgabe war groß; er musste sich den korrupten fränkischen Bischöfen entgegenstellen, insbesondere jenen von Mainz und Trier. Eins war es, Kanones zu erlassen, und etwas ganz anderes, sie umzusetzen, zumal wenn sich die meisten fränkischen Bischöfe sogar weigerten, den Konzilien beizuwohnen. Ein zweites Reformkonzil wurde ebenfalls unter Karlmann, im März 743, abgehalten, und es folgte ein drittes für das Westfrankenreich (Neustrien), das unter Pippin in Soissons, im März 744, stattfand (bei dem letzteren handelte es sich nunmehr um den Vater Karls des „Großen“, der 743 geboren worden war). Ein fünftes, allgemeines Konzil für das ganze, sowohl romanische wie germanische, Frankenreich folgte im Jahre 745. Dieses Konzil, das unter dem Vorsitz des Erzbischofs Bonifatius stattfand, hatte hauptsächlich Fragen der Lehre und der Kirchenverwaltung zum Thema. Es befasste sich unter anderem mit Irrlehren und abergläubischen Praktiken, die von zwei Wanderpredigern, einem Franken und einem Iren, die sich für Bischöfe ausgaben, verbreitet wurden, sowie mit disziplinären Fragen: es hatte, beispielsweise, mit dem skandalösen Fall eines fränkischen Bischofs von Mainz zu tun, eines Mörders, der überdies auch noch der Sohn seines in der Schlacht gefallenen Amtsvorgängers war! Das besagte Konzil beschäftigte sich zudem mit der Schaffung eines einheitlichen Metropolitansitzes für die gesamte Kirche Deutschlands. Obgleich sowohl der englische Erzbischof als auch der griechische Papst der Ansicht waren, dass Köln der ideale Ort dafür wäre, entschied man sich letztendlich, nach verbissenem Widerstand seitens der eifersüchtigen Frankenbischöfe, für Mainz. Schließlich fand in Gallien im Jahre 747 ein weiteres, ebenfalls gesamtfränkisches, Reformkonzil statt. Seine Beschlüsse waren nicht neu, sondern fassten lediglich alles vorher Beschlossene zusammen. Diese konziliare Aktivität spielte in der Geschichte der Westkirche7 eine herausragende Rolle, ja sie übte einen ganz erheblichen Einfluss auf die Kirche Englands aus. Ein Beispiel dafür war das Gesamtenglische Konzil in Clofescoh (Clovesho) im Jahre 746, das gewiss unmittelbar den Bemühungen des Erzbischofs Bonifatius zu verdanken war. Derart groß war die Autorität des Erzbischofs geworden, dass er es war, - nachdem Karlmann abgedankt hatte, um Mönch in Italien zu werden, - der Pippin, den König aller Franken, im November 751 krönte und salbte. Dieses Ereignis bezeichnete das Ende der Merowinger-Dynastie und den Beginn einer engen Zusammenarbeit zwischen Rom und den Franken. Der hl. Bonifatius war jene Schlüsselfigur, welche die Rechtgläubigkeit der Franken und ihre Ergebenheit der Römischen Orthodoxie gegenüber garantierte. Seine erfolgreiche Reform und Umgestaltung der Fränkischen Kirche stellte die Verkörperung seiner Orthodoxie dar. Vielfältig waren die Schwierigkeiten, denen Erzbischof Bonifatius begegnete - gleichviel, ob sie ihm nun von weltlich gesinnten Großgrundbesitzern, korrupten Bischöfen und Priestern oder Irrlehrern in den Weg gelegt wurden. In einem seiner Briefe an Papst Zacharias erwähnt der Erzbischof sogar, er selbst habe sich geweigert, zusammen mit fränkischen Klerikern die heilige Kommunion zu empfangen - so groß war das Ausmaß ihrer Korruption (Epistel 86). In allem sorgte der Erzbischof dafür, dass die Franken sich den orthodoxen Praktiken Roms unter seinem griechischem Papst Zacharias annäherten. Dieser Zusammenhang war es, welcher die römische Orthodoxie der Franken garantierte. Solange Erzbischof Bonifatius die Zügel in der Hand behielt, blieben die Franken Rom und der Orthodoxie verbunden. Man darf behaupten, dass es Erzbischof Bonifatius und seinem Werk der Einpflanzung der römischen Orthodoxie unter den halbheidnischen und halbanalphabetischen Franken zu verdanken war, dass sich das Westliche Schisma nicht schon früher ereignete. Es geschah schließlich erst später, dass die Franken ihre Ansichten Rom aufzuzwingen begannen und letztendlich das Papsttum mitkorrumpierten. Erst nach der Zeit des hl. Bonifatius und seiner Jünger wurde dieses segensreiche Bündnis zwischen Rom und den Franken aufgekündigt. Dies trat mit den Häresien Karls des „Großen“ und mit seiner Ablehnung des Siebenten Ökumenischen Konzils auf der Frankfurter Synode des Jahres 794 klar zutage; es zeigte sich auch bei seinem Massenmord an Sachsen, die, trotz der Proteste des englischen Gelehrten Alkuin, durch Feuer und Schwert „bekehrt“ wurden. Diese Häresien und Freveltaten, gegen die auch Rom nichts auszurichten vermochte und die schließlich dazu führten, dass Rom selbst durch die Franken übernommen wurde, hatten nichts mit dem Werk des hl. Bonifatius zu tun.

Der Märtyrer

Das Jahr 752 eröffnet den letzten Lebensabschnitt des Erzbischofs und weist den Weg zu seinem ruhmreichen Märtyrertod. Er war nun etwa 77 Jahre alt und dachte nicht daran, sich zum Leben eines Einsiedlers in Fulda zurückzuziehen. Obwohl er immer noch darauf brannte, die Frohe Botschaft den blutsverwandten Sachsen zu predigen – was ihm zu seinen Lebzeiten nicht vergönnt sein würde, trieb ihn auch sein ursprünglicher Wunsch, zu den immer noch heidnischen Friesen zu gehen und ihnen das Evangelium zu verkünden. Er beschloss, nach Friesland zurückzukehren und die Eroberung dessen Volkes für Christus durch die Predigt im immer noch heidnischen Ostteil des Landes zu Ende zu führen. Aber zunächst musste er Vorkehrungen für die Zukunft Deutschlands treffen. Bereits im Jahre 748 bat er Papst Zacharias darum, ihn von seinen Diözesanpflichten zu entbinden. Die Entscheidung des Papstes ging dahin, Bonifatius einen Helfer zur Seite zu stellen. Die Wahl des Erzbischofs fiel auf seinen Landsmann, Lullus von Malmesbury, der im Jahre 752 das Bistum Mainz übernahm. Ob diese Entscheidung von weiser Voraussicht, einer Todesahnung oder vielleicht von beidem diktiert wurde, lässt sich heute nicht mehr genau sagen. Im gleichen Jahr 752 entschlief der später heiliggesprochene Papst Zacharias im Herrn, und der Erzbischof hatte vollauf mit Wiederaufbau oder Herrichtung von etwa dreißig Kirchen zu tun, die in Thüringen durch plündernde Sachsen beschädigt oder zerstört wurden. Uns sind nur zwei Briefe des Erzbischofs an den nächsten Papst, Stephan II., erhalten - beide mit dem Jahr 753 datiert. In jenem Jahr traf Bonifatius, möglicherweise zum letzten Mal, Bischof Lullus und erteilte dem letzteren Anweisungen hinsichtlich des Baus neuer Kirchen in Thüringen und der Vollendung des Klosters in Fulda. Er bekundete seinen Wunsch, daselbst begraben zu werden und fügte später hinzu, dass seine geistliche Schwester, Lioba, neben ihm beigesetzt werden möge. Daraufhin begab sich der Erzbischof nach Utrecht, zum Bischofssitz des hl. Willibrord, der nunmehr zum Ausgangspunkt seiner Missionsreisen in den Osten Frieslands werden sollte. Er setzte einen weiteren seiner treuen Jünger, den Engländer Eoban, als Bischof der dortigen St. Martinsgemeinde ein. Im Spätfrühling oder Frühsommer 753, ungeachtet der von anderen geäußerten Befürchtungen, brach Erzbischof Bonifatius zu seiner Mission auf. Mit einer Gruppe Jünger segelte er den Rhein stromabwärts, hatte zum letzten Mal eine Begegnung mit Pippin und nahm anschließend Kurs nordwärts, durch die Marschen Richtung Zuidersee, ins Herzland des friesischen Heidentums. Hier zeitigte die Predigt des betagten Erzbischofs großen Erfolg. Zusammen mit Bischof Eoban vollzog er Massentaufen. Überall ging er an den Wiederaufbau zerstörter und den Bau neuer Kirchen heran, bis der Winter ihn dazu zwang, sich nach Utrecht oder möglicherweise gar nach Mainz zurückzuziehen. Im folgenden Jahr kehrte er zurück. Diesmal stieß er noch weiter in den äußersten Nordosten Frieslands, jenseits der Zuidersee, vor. Er schlug sein Zeltlager an einem Ort nahe Leeuwarden, der Dokkum hieß, auf und rief die von ihm neugetauften Christen herbei, sich dort am 5. Juni 754 zur Feier des Pfingstfestes zu versammeln (Eine Mainzer Tradition setzt dafür das Jahr 755 an, doch wurde diese Datierung in den letzten Jahrzehnten von verschiedenen Historikern weitgehend in Frage gestellt). Beim Anbruch jenes Tages, während Bonifatius auf die Ankunft seiner Neubekehrten wartete, wurde das Lager von einer Horde Krieger überfallen, die zu einem benachbarten heidnischen Friesenstamm gehörten. Zwar versuchten etliche seiner Gefolgsleute, den Erzbischof zu verteidigen, doch verbot er es ihnen und befahl stattdessen, sich auf das Martyrium vorzubereiten, sie mit mutig-edlen Worten ermahnend: „Der langersehnte Tag ist da“. Es war ein Gemetzel, und es ist zweifelhaft, ob jemand überlebte. Bischof Eoban erlitt das Martyrium zusammen mit Erzbischof Bonifatius. Alles in allem sollen an jenem Pfingsttag zweiundfünfzig Personen die Ruhmeskrone empfangen haben. Der nahezu achtzigjährige Heilige selbst wurde von einem tödlichen Hieb niedergestreckt, während er das Evangelienbuch über seinem Haupt hielt, „sich im Tode mit dem Buch zu verteidigen wünschend, das er im Leben so liebte“. Das Schwert drang durch das Buch und das Haupt des Heiligen, und er fiel leblos zu Boden. Man kann in der Staatsbibliothek von Fulda noch heute ein uraltes, wenngleich beschädigtes irisches Evangelienbuch bestaunen. Die Überlieferung behauptet einhellig, dass dieses Exemplar des Evangeliums dem Heiligen gehörte. Andere kamen und nahmen die Reliquien der Heiligen und Sachen mit, die ihnen gehörten – hauptsächlich, Manuskripte. Die Reliquien wurden nach Utrecht und später nach Mainz überführt. Trauernde Menschenmassen umdrängten die Begräbnisprozession, in dem Versuch, den Zug nach Fulda aufzuhalten. Viele meinten, die Reliquien sollten in der erzbischöflichen Stadt ruhen, wagten aber nicht, den Wunsch des Heiligen zu missachten. Und so kehrte der Heilige schließlich heim in das Kloster seines treuen Abtes Sturmius. Der hl. Bonifatius wurde an der geheiligten Stätte beigesetzt, die er am Abend seines Lebens selbst erwählt hatte: in der neuen Klosterkirche im mittleren Deutschland, dem Land, das von ihm die Frohe Botschaft erhielt. Sein Grab wurde sofort zu einem Pilgerschrein. Was nun Friesland betrifft, so bekehrte sich das ganze Land nach dem Opfertod des Erzbischofs in einem Akt kollektiver Reue zum Christlichen Glauben. Nachdem er die Nachricht vom Martyrium des Heiligen erhalten hatte, bemerkte Bischof Milret von Worcester, der erst jüngst von einem Besuch bei Erzbischof Bonifatius zurückgekehrt war, in einem Brief an Bischof Lullus, der gemarterte Apostel sei „der Ruhm und die Krone all jener, die vom Mutterland auf das europäische Festland vorausgeschickt worden sind...; seine Pilgerreise in höchster Mühe vollendend, ist er eines ruhmreichen Todes als Zeuge Christi gewürdigt worden und thront nun in Herrlichkeit im Himmlischen Jerusalem“. Keine wahreren Worte wurden je über den hl. Bonifatius geschrieben.

Der Mensch

Wir haben das Glück, ein vom Priester Willibald verfasstes Leben des Heiligen Bonifatius zu besitzen (dieser Willibald ist nicht mit dem hl. Willibald identisch, sondern es handelt sich bei diesem um einen weiteren englischen Zeitgenossen, der mit vielen Menschen gesprochen hatte, die den hl. Bonifatius persönlich kannten). Darüber hinaus besitzen wir gut einhundert Kopien persönlicher Briefe des Heiligen. Aus ihnen kennen wir die Geschichte seiner Missionen, die Politik seiner Zeit, die Persönlichkeiten der Päpste, mit denen er zu tun hatte, aber wir erkennen in ihnen auch den Mann selbst. Der hl. Bonifatius zeigte ein lebhaftes Interesse für alles, was mit seiner Heimat zu tun hatte. Er war ein Mann mit einem breiten Freundes- und Bekanntenkreis, zu dem sowohl Männer als auch Frauen gehörten. Er war ein Mann, der tiefe menschliche Sympathie, Inspiration, Freundschaft und Respekt kannte. Sein aus Vertretern vieler Völker zusammengesetzter Freundeskreis war im Grunde bereits eine Vorwegnahme und Widerspiegelung der Gemeinschaft der Heiligen im Himmelreich. Er war ein Kirchenführer, der Weisheit mit Toleranz, Autorität mit Demut, Strenge mit Herzensgüte, Umsicht mit Glaubenseifer, Feingefühl mit Offenheit, Großzügigkeit mit Kühnheit bei der Anprangerung des Lasters, visionäre Kraft mit praktischem Können im Detail vereinte. Seine Briefe nach England, in denen er um Rat und Unterstützung bittet, zeigen insbesondere das Menschliche an ihm, sowie seine erstaunliche persönliche Anziehungskraft, das Charisma des Heiligen Geistes. Dies gerade war es, was so viele fromme Männer und Frauen aus seiner westsächsischen Heimat (Wessex) dazu bewegte, mit ihm auf dem Gebiet der Mission zusammenzuarbeiten. Denn er war auch ein Patriot, dessen Zeilen von einer beständigen Liebe zu seiner Heimat und vom Heimweh des Exils durchdrungen waren, der über seine Briefe oft Geschenke und Gebete mit seinen Landsleuten – sowohl mit Laien als auch mit Mönchen – austauschte. Wie er in der Epistel 74 schrieb: „Ich freue mich der guten Taten und des guten Rufes meiner Nation, bin aber traurig und betrübt ob ihrer Sünden und ihrer Schande“. In mehreren Briefen bittet er um Bücher aus seiner Heimat und ersucht darum, „mit den Büchern der Heiligen Schrift und den geheiligten Werken der Väter“ versorgt zu werden (Epistel 34). Zu diesen gehörten die Kommentare des hl. Beda Venerabilis, die er sehr hoch schätzte. Seine Epistel 46 macht seine Mission zum Kontinent zu einer nationalen Mission, einem nationalen Unterfangen. Er wendet sich an das gesamte Episkopat und den gesamten Klerus der Englischen Kirche und äußert dabei den Wunsch, die heidnischen Sachsen mit den Kindern der Mutterkirche vereinigt zu sehen, denn sie seien „eines Blutes und eines Fleisches“ mit den Engländern. Er ersucht um die Gebete der ganzen Nation. Das war ein Herzensschrei, und dieser Ruf des Herzens war es, der einen außergewöhnlichen Exodus von Priestern, Mönchen und Nonnen aus England zum Festland veranlasste – eine wahre geistliche Kolonisationsbewegung, welche die englische Frömmigkeit und kirchliche Gelehrsamkeit auf den europäischen Kontinent verpflanzte. Bemerkenswert sind seine Briefe an englische Äbtissinnen, denen er sein Herz ausschüttet. Zum Beispiel in der Epistel 65: „Allenthalben begegnen einem Kummer und Mühe, äußere Kämpfe und innere Ängste. Am ärgsten jedoch ist die Treulosigkeit falscher Brüder, welche die Bosheit der ungläubigen Heiden übertrifft“. Worte, die all jenen, die zu allen Zeiten um Orthodoxie ringen, vertraut sind und mit denen sie sich identifizieren können. Am innigsten war seine Beziehung zu seiner Blutsverwandten (möglicherweise Cousine), der hl. Lioba, mit der er viele Vorlieben des Herzens und des Verstandes teilte und die er, wie oben bereits erwähnt, neben sich beigesetzt wissen wollte. Eine Frau von großer Gelehrsamkeit und Weisheit, eine Asketin, die immer guter Dinge war, gebot die hl. Lioba über die Hochachtung der Bischöfe. Ausgebildet unter der hl. Tetta in Wimborne, wurde sie Äbtissin von Tauberbischofsheim. Eigentlich war sie die wahre geistliche Erbin des hl. Bonifatius, bei der sich Bischöfe und weltliche Herrscher in gleichem Maße Rat holten. Wie bereits gesagt, war es erst nach ihrem Hinscheiden im Jahre 780 und nach dem Tod anderer, vergleichbarer Leitfiguren, dass die Franken den verderblichen Weg einschlugen, der sie zu ihren Irrtümern führte. Innerhalb von vierzehn Jahren nach ihrem Entschlafen, auf der 794 einberufenen Synode von Frankfurt, verschrieb sich der für die Massakern an den Sachsen verantwortliche Karl der „Große“ nicht nur dem Ikonoklasmus, sondern auch dem filioque8. Überdies offenbart der Briefwechsel des Heiligen die Quellen seiner geistigen Kraft, seiner Askese, seines Glaubens, Gehorsams und Gebetseifers, seiner Kenntnis der Heiligen Schrift, seiner fast täglichen Teilhabe am Leibe und Blute Christi, seines Glaubens an den Ratschluss und den Willen Gottes. Seine Errungenschaften als geistlicher Führer, Glaubensbote, Organisator und Staatsmann erwuchsen alle aus seiner persönlichen Heiligkeit.

Der vergessene Heilige

Wie bereits gesagt, 794, vierzig Jahre nach dem Märtyrertod des großen Heiligen im Jahre 754, erlagen die Franken unter der Führung des Tyrannen Karls des „Großen“ auf der Synode in Frankfurt der Häresie. Dereinst, genau dreihundert Jahre nach seinem Tod, würden sie Westeuropa in den Strudel der Westlichen Rebellion des Jahres 1054 mitreißen. Es ist eine merkwürdige Tatsache, dass das Fest des hl. Bonifatius unter anderem mit dem Datum der Schlacht von Waterloo zusammenfällt, die im Jahre 1815 stattfand. Jene Schlacht endete mit dem Sieg der vereinten anglo-deutschen Kräfte über einen weiteren westeuropäischen Tyrannen, den Neo-Karolinger Napoleon. Und es ist nicht weniger merkwürdig, dass sein Fest auch mit dem Tag des Aufbruchs „angelsächsischer“ Invasionstruppen aus Wessex in die Normandie am 5. Juni 1944 zusammenfällt. Das Ziel dieses Unterfangens war, Westeuropa von einem dritten Tyrannen, dem Neo-Karolinger Hitler und seinen Truppen, zu befreien. Bezeichnend ist auch, dass beide dieser alliierten Siege mit Hilfe der russischen Kräfte errungen wurden. Im Gegensatz zu den Projekten dieser drei Tyrannen – Karls des „Großen“, Napoleons und Hitlers – erwies sich das europäische Einheitsprojekt des hl. Bonifatius als unvergleichlich nachhaltiger. Im Unterschied zu diesen blutrünstigen Fanatikern wird Bonifatius als Heiliger Gottes, nicht als Vorläufer des Antichrists, verehrt. Dies kann nicht bloß darauf zurückzuführen sein, dass sein ursprünglicher Name, Winfrith, „Friedensfreund“ und sein neuer Name, Bonifatius, „Einer, der Gutes tut“ hieß. Seine Mission war die erste nationale Mission Englands und letztendlich auch der Britischen Inseln, denn viele von denen, die ihn vorbereitend und durch Zusammenarbeit unterstützten, waren Iren. Sein Wirken war vom Bewusstsein einer nationalen Aufgabe durchdrungen; seine Mission war ein großes nationales Unterfangen, etwas, was wir heute sosehr vermissen. Heute existiert in England ein neuzeitlicher römisch-katholischer Schrein des hl. Bonifatius in Crediton mit Reliquien aus Fulda, sowie eine weitere, wenig bekannte, eventuelle Reliquie des Heiligen in Brixworth. Nichtsdestoweniger bleibt es eine Tatsache, dass der hl. Bonifatius, der „dritte Mann“, als nationaler Schutzheiliger von seinem eigenen Land vergessen worden ist. Wahrlich, «Kein Prophet ist angenehm in seinem Vaterlande“. Selbst jene, die sich noch an unsere beiden ersten Schutzpatrone, die hll. Gregor und Augustin, erinnern neigen dazu, unseren eigenen englischen Helden10 zu vergessen. Dies ist, ohne Zweifel, in einem nicht unerheblichen Maße auf falsche protestantische Auffassungen vom frühen Papsttum als Patriarchat sowie auf die Vorstellung zurückzuführen, der zufolge das mittelalterliche Papsttum schon immer existiert habe und der hl. Bonifatius somit ein Diener des „Papismus“ gewesen sei. Er ist zum vergessenen Heiligen Englands geworden, oder, traurigerweise und genauer, zum vergessenen Heiligen eines vergessenen Englands.

Die vergessene Einheit

Aber der heilige Bonifatius ist nicht nur ein vergessener Heiliger; er versinnbildlicht auch eine vergessene Einheit. Er lebte in einer Zeit, in der Päpste Römer, Syrer und Griechen waren. Der Erzbischof von Canterbury seiner Jugend, Theodor von Tarsus, war ein Grieche, wie auch einer der Päpste von Rom, mit denen er später zusammenarbeitete. Er lebte in einer Zeit, in der man die Kirchenväter nicht nur las, sondern ihnen auch begegnete. Er lebte in einer Zeit, in der man, wie einer seiner Zöglinge, Willibald, von den äußersten Gestaden des Westens bis nach Konstantinopel, Jerusalem und Damaskus reisen, dort konzelebrieren und mit den dortigen Christen in der Einheit des Glaubens leben konnte. Wie groß auch die Unterschiede der Sprachen, Bräuche und Riten gewesen sein mögen, der Geist war derselbe. Damals wusste noch jeder, dass es in der Christenheit kein Ost und West gab und dass man fast in der ganzen Kirche Europas und Asiens bereits der lebendigen Gemeinschaft der Heiligen angehörte. Heute wird ein neues Projekt der europäischen Einheit gehandelt. Regierungseliten der fünfundzwanzig11 Länder Europas, von Portugal bis Lettland und von Lappland bis Zypern, sind auf der Suche nach einer neuen Verfassung. Es ist eine Verfassung, die mit keinem Wort den Christlichen Glauben erwähnt und alles in Frage stellt, was der hl. Bonifatius und andere erreicht hatten, die das Licht Christi zu den Völkern Europas brachten und die Einheit des Westlichen Patriarchats befestigten. Jedoch, obgleich dieses Projekt keinen militärischen, sondern politischen und wirtschaftlichen Charakter hat, wird es keine wahre Einheit bringen, da es den eigentlichen Ursprung Europas, den Glauben Christi, leugnet. Im späten siebten und im achten Jahrhundert gingen zwei Engländer, die hll. Willibrord und Bonifatius, gefolgt von vielen Jüngern, von England aus und brachten das Licht Christi in die Dunkelheit Nordwesteuropas. Ihr Einfluss sollte sich bald in ganz Westeuropa, von Rom bis nach Skandinavien, verbreiten, durch die englischen Missionen, die später in jene Länder aufbrachen. Im neunten Jahrhundert gingen zwei Griechen, Kyrill und Method, gefolgt von vielen Jüngern, von ihrem Land aus und brachten das Licht Christi in die Dunkelheit Südosteuropas. Ihr Einfluss sollte sich bald in ganz Osteuropa verbreiten, vom Lande der Tschechen bis zum Ural, durch die Missionen, die später dorthin kamen. Wir sind der festen Überzeugung, dass , solange diese Tatsachen nicht anerkannt werden, in Europa nicht Einheit, sondern lediglich Kleinlichkeit und wirtschaftliche Käuflichkeit herrschen werden. Tatsache ist, dass Wenige willens sind, dies anzuerkennen. Eine solche Erkenntnis würde uns aber zu den Zeiten zurückleiten, denen die jüngeren Streitigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten noch fremd waren. Auf diesem Rückweg würden wir auch die aus dem elften Jahrhundert stammende Trennung zwischen dem, was immer noch den Mehrheitsglauben Europas12 ausmacht – dem Orthodoxen Christentum – und dem Katholizismus hinter uns lassen. Das hieße, das Problem an der Wurzel zu packen – an der Machtgier des mächtigsten und aggressivsten germanischen Volkes – der Franken. Denn, nach der Generation des letzten geistlichen Erben von Bonifatius, des hl. Willehad aus Northumbrien (†789), der fast genau ein Jahrhundert nach der Ankunft des hl. Willibrord in Friesland (690) entschlief, waren es die Franken, die nicht nur ihren Ikonoklasmus und ihre irrtümliche Auffassung von Gott der Heiligen Dreieinigkeit aufzwangen, sondern im elften Jahrhundert auch die päpstliche Macht in Rom übernahmen.

Nachwort: Einheit und Vielfalt

Vom orthodoxen Stadtpunkt aus gesehen, hat sich das heutige Westeuropa offenkundig äußerst weit von jenem Westeuropa entfernt, das einst einen integralen und wichtigen Teil der Orthodoxen Christenheit ausmachte. Die vom Westen stets scharf kritisierten Rigoristen und Nationalisten, ob in der Slowakei, in Kroatien, Kosovo oder in der Ukraine, neigen dazu, im heutigen Westeuropa nichts als geistige Leere zu sehen, während osteuropäische Modernisten und Liberale im Westen ein nachahmenswertes Ideal und Vorbild erblicken. Es ist wie mit dem Glas: Ist es halb leer oder halb voll? Eine ausgewogene Sichtweise zeigt, dass wir in Westeuropa noch heute wichtige Spuren des Ersten, Orthodoxen, Millenniums finden können. Die meisten der einfachen nichtorthodoxen Christen in Westeuropa bekennen sich immer noch zum Glauben an den Dreieinigen Gott und an die Fleischwerdung des Gottessohnes. Es wäre viel zu leicht, Westeuropa dafür zu verurteilen, was es verloren hat und zu übersehen, was es immer noch bewahrt. Andrerseits kann bei einer ausgewogenen Betrachtung nicht entgehen, dass ein Großteil des heutigen Westeuropas sich bereits seit langem in einer zutiefst antichristlichen, und somit antiorthodoxen, und daher auch selbstmörderischen, Phase befindet. Jeder Angriff des Westens auf die Orthodoxe Kirche ist ein Angriff auf seine eigenen Wurzeln. Es bleibt eine schmachvolle Tatsache, dass die westliche Hälfte Europas zum antichristlichsten aller Kontinente dieser Erde geworden ist. Es gibt immer noch Kräfte in Westeuropa, die für das Gute wirken. Und es gibt hier noch Glauben – bei einer Minderheit, die zwar politisch machtlos ist, aber dies waren am Anfang auch die Zwölf Apostel. Nichts ist endgültig bis zum Ende. Vielleicht bedeutet die Rückkehr der Orthodoxen Kirche ins heutige Westeuropa neue Hoffnung für den Kontinent. Denn nur wenn Westeuropa zum Glauben des hl. Bonifatius zurückkehrt, kann es zugleich auch zum Glauben der hll. Kyrill und Method zurückfinden und auf diese Weise die alte Einheit wiedererlangen. Vater Andrew Phillips Seekings House 12./25. März 2004 Tag des hl. Gregor des Großen, des Apostels Englands Der vollständige Gottesdienst für den Festtag des hl. Bonifatius, Erleuchter der Deutschen Lande, wird zur Zeit aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

Die in diesem Aufsatz erwähnte Gemeinschaft der Heiligen

  • Hl. Aldhelm von Malmesbury († 709), Fest: 25. Mai
  • Hl. Augustin von Canterbury, Apostel der Engländer († 604), Fest: 26. Mai
  • Hl. Beda Venerabilis („der Ehrwürdige“) († 735), Fest: 26. Mai
  • Hl. Bonifatius von Tarsus, Märtyrer († ca. 307), Fest: 14. Mai
  • Hl. Bonifatius von Crediton († 754), Fest: 5. Juni
  • Hl. Burkhard (Burchard), Bischof von Würzburg († 754), Fest: 14. Oktober
  • Hl. Korbinian, Bischof von Freising (†730), Fest: 8. September
  • Hl. Cuthbert, Erzbischof von Canterbury (†758), Fest: 26. Oktober
  • Hl. Kyrill, Apostel der Slawen († 869), Fest: 11. Mai
  • Hl. Emmeram (Emmeran), Bischof von Regensburg († ca. 690), Fest: 22. September
  • Hl. Eoban, Bischof von Utrecht (†754), Märtyrer, Fest: 5. Juni
  • Hll. Ewald der Blonde und Ewald der Dunkle, Märtyrer († ca. 695), Fest: 3. Oktober
  • Hl. Gregor I., Papst von Rom, auch „der Große“ oder „Dialogus“ genannt, Apostel der Engländer († 604), Fest: 12. März
  • Hl. Gregor II., Papst von Rom († 731), Fest: 11. Februar
  • Hl. Gregor III., Papst von Rom, Fest: 10. Dezember
  • Hl. Kilian, Bischof von Würzburg, Märtyrer († ca. 689), Fest: 8. Juli
  • Hl. Lebuin (Liafwine, dt. Liebwin), Märtyrer († ca. 775), Fest: 12. November
  • Hl. Lioba, Äbtissin von Tauberbischofsheim († 782), Fest: 28. September
  • Hl. Lullus (Lull), Erzbischof von Mainz († 786), Fest: 16. Oktober
  • Hl. Markhelm (Marcellin) († 8. Jahrhundert), Fest: 14. Juli
  • Hl. Mauritius (Moritz) († ca. 287), Fest: 22. September
  • Hl. Method (Methodios), Apostel der Slawen (†885), Fest: 11. Mai
  • Hl. Pirmin, Abt von Reichenau († 753), Fest: 3. November
  • Hl. Plechelm (Pleghelm), Bischof († 8. Jahrhundert), Fest: 16. Juli
  • Hl. Richard, Bekenner († 720), Fest: 7. Februar
  • Hl. Rupert (Ruprecht/Hrodbert), Bischof von Salzburg († ca. 717), Fest: 27. März
  • Hl. Sturmius (Sturm), Abt von Fulda († 779), Fest: 17. Dezember
  • Hl. Suitbert (Swidbert/Swithbert), Bischof († 713), Fest: 1. März
  • Hl. Tetta, Äbtissin von Wimborne († ca. 772), Fest: 28. September
  • Hl. Theodor von Tarsus, Erzbischof von Canterbury († 690), Fest: 19. September
  • Hl. Thekla von Wimborne, Äbtissin von Kitzingen († ca. 790), Fest: 15. Oktober
  • Hl. Walburga (Walburg/Walburgh), Äbtissin von Heidenheim († 779), Fest: 25. Februar
  • Hl. Wigbert (dt. Wiprecht), Abt von Fritzlar († ca. 738), Fest: 13. August
  • Hl. Wilfried (Wilfrith), Bischof von York († 709), Fest: 12. Oktober
  • Hl. Willehad, Bischof von Bremen († 789), Fest: 8. November
  • Hl. Willibald, Bischof von Eichstätt († 786), Fest: 7. Juli
  • Hl. Willibrord (Klemens), Apostel der Friesen († 739), Fest: 7. November
  • Hll. Wiro (Wira) und Otger (Eadgar) († 753), Fest: 8. Mai
  • Hl. Witta (Albin/Albuin), Bischof von Büraburg († ca. 760), Fest: 26. Oktober
  • Hl. Wunibald (Winebald), Abt von Heidenheim († 761), Fest: 18. Dezember
  • Hl. Zacharias, Papst von Rom († 752), Fest: 15. März und 5. September

Quelle und Copyright

Vater Andrew Phillips, Christliche Orthodoxe Schriften, oekumene 3000. Aus dem Englischen übersetzt von Helena Hennes-Wanin

Vortrag: Pilgerfahrten in der Umgebung von Offenbach: Drei Heilige der angelsächsischen Mission Deutschlands

Winfried von Crediton – Bonifatius von Fulda (675 – 754)

Die entscheidende Rolle bei der Christianisierung Hessens, kommt Winfried-Bonifatius zu. Winfried wurde 672/3 in Crediton im Südwesten Englands geboren. Er erhielt eine klösterliche Erziehung, ab 718 missionierte er in Nord- und Westdeutschland. Er gründete 8 neue Bischofssitze; durch ihn und seine Schüler entstanden weit über hundert Klöster. Er starb auf seiner letzten Missionsreise am 5. Juni 754 in Friesland bei einem Raubüberfall.

Die Bedeutung von Bonifatius für die Christianisierung von Friesland, Thüringen, Bayern und Hessen, also sein Apostolat für die Kirche, und damit auch der Grund für seine Verehrung als Heiliger, ist nicht ganz leicht zu greifen. Man muss zunächst einigen Mehltau abtragen, der sich auf seine historische Wahrnehmung, und dann auch auf seine Beurteilung bei orthodoxen Christen gelegt hat. Ich werde diese Hindernisse also zunächst beseitigen, bevor ich im zweiten Teil zu seiner Bedeutung komme.

Hindernisse bei der Wertschätzung des Heiligen Bonifatius

In der hier in Deutschland verbreiteten Literatur heißt es gewöhnlich, der vierzigjährige Missionar Winfried habe aus seiner englischen Heimat ein Christentum mitgebracht, das auf eine deutliche Rom-Orientierung ausgerichtet war.

Bei orthodoxen Christen, die „Rom“ als heterodox kennen, weckt dies zunächst Besorgnisse.

Aber diese Besorgnisse verschwinden, wenn man ein wenig genauer auf die historische Situation und die Bedingungen der westlichen Bonifatius-Rezeption blickt. Drei Überlegungen sollen helfen, die Hindernisse, die orthodoxe Christen daran hindern könnten, Bonifatius richtig einzuschätzen, zu beseitigen.

Der Zustand der fränkischen Kirche

Bei seinen Missionsbemühungen in Friesland fand Winfried Heiden vor, die sich gegen fränkische Eroberer wehrten. Das Christentum wurde als Religion der Eroberer verstanden. Die fränkische Kirche (seit 550 um Utrecht) hatte die Friesen nicht mit den neuen Herrn als Trägern eines überlegenen Glaubens versöhnen können. Das lag (Krumwiede, Kirchengeschichte Niedersachsens) daran, dass die fränkischen Missionare mit dem Glauben immer auch die Machtinteressen ihrer Fürsten vertraten.

Die Angelsächsischen Missionare hatten von Anfang an bei den Friesen größeren Erfolg, weil sie durch persönliche Askese und mit Liebe missionierten.

Auch bei Bonifatius’ späteren Bemühungen, zuerst als Missionsbischof, später als Erzbischof und päpstlicher Legat, die von ihm gestärkte Kirche in den rechtsrheinischen Gebieten zu organisieren, blieb der fränkische Episkopat feindselig. Der Grund lag in der Problematik der fränkischen Kirche.

Diese Kirche war seit dem 6. Jahrhundert, also seit durch die Taufe des Frankenherrschers Chlodwig (um 500) das Christentum zur Regierungssache und die Kirche zum Machtfaktor wurde, durch zwei sehr verschiedene Tendenzen bestimmt: es gab Klöster und stark monastisch geprägte Bischöfe auf der einen Seite. Auf der anderen Seite regierten die Frankenherrscher die Kirche autokratisch und setzten sie für ihre Herrschaftsinteressen ein. Damit erlangten diejenigen Bischöfe größeren Einfluss auf die Kirchenpolitik, die ihre Stellung ihrer Herkunft aus dem örtlichen Adel verdankten und eng mit dem Hof zusammenarbeiteten. Diese Bischöfe lebten nicht geistlich, sondern hielten am heidnischen Ethos der Germanen fest.

Bonifatius Reform konzentrierte sich zuerst auf die neueroberten Gebiete des Frankenreichs rechts des Rheins,wo noch keine festen Kirchenstrukturen bestanden. Als er sie aber auch auf die fränkische Kirche links des Rheins ausdehnte, bis ins heutige Frankreich hinüber, wo die geistliche Macht in festen Händen lag, fand er keine Gegenliebe.

Wenn er sich also nach Rom wandte (auf insgesamt drei Reisen: 719, 722, 737/8), so geschah dies, um Rückhalt zu gewinnen gegen die Widerstände des fränkischen Episkopats.

Der Zustand Roms

Wie Vater Andrew Philipps in seiner schönen (inzwischen auch auf Deutsch übersetzten) Bonifatius-Biographie mit Recht hervorhebt, war Rom im 8. Jahrhundert ein Hort der Orthodoxie. Von den vier Päpsten, mit denen Bonifatius im Verlauf seiner langen Tätigkeit zusammenarbeitete, war Gregor III ein Syrer, und Zacharias ein Grieche. Die Verbindung zur Einheit der Kirche war lebendig.

Aber noch wichtiger: Konstantinopel selbst stand unter der kaiserlichen Herrschaft eines Ikonoklasten. Die römischen Patriarchen blieben rechtgläubig. Damals stimmte die päpstliche Lehre mit der Lehre der Kirche zusammen.

Der einzige Schwachpunkt allerdings war der schon damals vertretene universale päpstliche Primatsanspruch und Hierarchismus, der das Kirchenverständnis Roms verzerrte. Hier fand sich Bonifatius durch die Widrigkeit der Umstände in seinen Missionsländern zu einem übertriebenen Verständnis von Gehorsam verführt. Aber immerhin, - für Bonifatius war der Gehorsam gegenüber seinem Patriarchen des Westens ein Ausdruck seiner Rechtgläubigkeit und monastischen Demut.

Der Zustand der Bonifatius-Rezeption

In Deutschland wird Bonifatius von der westlichen Christenheit als ihr Hauptheiliger für sich beansprucht. Man nimmt von seinen Anliegen nur wahr, was mit späteren häretischen Entwicklungen in Rom zusammenstimmt. Hierzu gehört die Überbewertung des intellektuellen Zugangs zum Christentum: Lehre, Studium, Schulmäßigkeit der Mission.

Auch wird nicht genug unterschieden zwischen den Machtinteressen der Karolinger, die für die Ersetzung der Merowinger Roms Autorität brauchten, und Bonifatius’ Seelsorger-Interessen, die ohne Rom nicht durchgesetzt werden konnten.

Leider hat Bonifatius auch selbst den Zwangszölibat für Priester durchgesetzt (eine Häresie die bei der Synode von Ankyra 314, bestätigt durch das erste Konzil von Nicaea 325, verurteilt worden war). Aber er tat das wohl in einem etwas übertriebenen Gehorsam gegen seinen Patriarchen, der einem Mönch wohl verziehen werden mag. Und sowieso haben viele Heilige theologische Irrtümer vertreten, - daran soll seine Verehrung also nicht scheitern.

Die Bedeutung des Heiligen Bonifatius für orthodoxe Christen

Wenn man all diese Verzerrungen und Irrtümer abzieht, wird Bonifatius als ein von Gott selbst verherrlichter Heiliger sichtbar. Ich möchte nun zuerst von einigen Zeichen sprechen, die seine Heiligkeit bekräftigen. Erst danach soll seine Vorbildlichkeit für uns heutige Christen in den Blick treten.

Zeichen seiner Heiligkeit

Hierzu gehören seine Missionserfolge, seine Wunder, und sein Martyrium.

Missionserfolge

Bereits zu Lebzeiten wurde Bonifatius von der Kirche in England als Missionar und Apostel verehrt. Sein Wirken im östlichen Frankenreich war gesegnet. Dort hat er – wie in Friesland und Hessen - von Grund das Christentum eingepflanzt, oder – wie in Thüringen und Bayern – eine sehr dünne Christianisierung seiner Vorläufer gereinigt und gefestigt. All dies wurde schon früh als ein Zeichen seiner göttlichen Verherrlichung erkannt. Gleich nach seinem Tode wurde er dort neben Gregor I und Anselm von Canterbury zum dritten Patron des Landes erklärt (Philipps).

Wunder

Daneben spielen die Berichte über von ihm gewirkte Wunder, besonders nach seinem Tode, eine wichtige Rolle.

Viele ereigneten sich bei der Übertragung der Reliquien des Heiligen von Mainz nach Fulda. Diese Wunder wurden an den Orten des Geschehens selbst bestätigt: dort, wo eine heilige Quelle entsprungen ist, als die Bahre des Heiligen den Boden berührte, oder wo ein Heilungswunder stattgefunden hat, sind die Brunnen gefasst und Kapellen erbaut worden. Seit 754 ist an diesen Stellen die Bonifatius-Verehrung lebendig geblieben.

Man hat darum heute sogar den Weg dieser Reliquien nachzeichnen können und – ihm folgend – einen für heutige Pilger gehbaren Pilgerweg eingerichtet.

Martyrium

Wenn somit Bonifatius ein Geistträger war, wird auch das Ungewöhnliche seines Ablebens weniger problematisch. Es geht um sein Martyrium.

Sie haben bemerkt, dass die englische Ikone des Heiligen ihn in weiß kleidet, also nicht im Rot der Martyrer. Auf anderen Ikonen trägt er einen roten Mantel.

Was hat es mit diesem Martyrium auf sich?

Gegen Ende seines Lebens übergab Bonifatius sein Bischofsamt in Mainz seinem Schüler Lullus, um noch einmal bei den Heiden in Friesland zu missionieren. Dort überfielen friesische Räuber sein Lager, nicht, weil sie etwas gegen seine Botschaft hatten, sondern weil sie bei ihm Geld vermuteten. Bonifatius hat um seines Zeugnisses für Christus willen auf Gegenwehr verzichtet. Er hat auch seine Gefährten angewiesen, keine Gegenwehr zu leisten und sie zum Martyrium ermutigt. Ich habe bisher keine Belege dafür gefunden, dass die Reliquien dieser Gefährten gesammelt oder erhoben worden wären. Aber immerhin, diese Gefährten wurden in die Heiligenkalender aufgenommen. Als geistlicher Vater konnte er seinen Priestern und Mönchen den Segen zum freiwilligen Martyrium durchaus geben. Auch haben sich nach seinem Tod die Friesen in großen Scharen zu Christus bekehrt.

Dennoch wurde zwar Bonifatius nach seinem Ableben zumindest von den Mönchen seines Fuldaer Klosters ausschließlich als heiliger Mönch, nicht aber als Martyrer verehrt. Die kirchliche Anerkennung seines Martyriums kam erst später. Auch wir können ihn als Martyrer ehren.

Nimmt man dies alles zusammen, so können orthodoxe Christen den heiligen Bischof Bonifatius in der Tat als einen verehrungswürdigen Fürbitter bei Gott ansehen.

Seine Bedeutung als Vorbild

Was ist es nun genauer an seiner Vorbildlichkeit als Mönch, das Bonifatius für Nicht-Mönche zu einem hilfreichen Begleiter macht? Ich möchte mich auf seine geistliche Orientierung, seine Unerschrockenheit und seine geistlichen Führungsqualitäten beschränken.

Die geistliche Orientierung

Bonifatius soll schon in frühen Kinderjahren seine Gedanken auf Gott gerichtet haben.

Als kleiner Junge erlebte er mit, wie Wandermönche zum Predigen auf den Hof seines Vaters kamen. Von ihren Worten bezaubert bedrängte er seinen Vater so lange mit dem Wunsch nach einem klösterlichen Leben, bis dieser nachgab.

Erwachsen geworden, widersetzte er (nach Father Andrews Quellen) sich dem Plan des Vaters, mit den im Kloster erworbenen Kenntnissen das väterliche Gut weiterzuführen.

Auch später hat er große Opfer gebracht, um dem Missionsbefehl Christi zu gehorchen. Er war ein weit bekannter geistlicher Vater für zahlreich zu ihm hinstrebende Schüler. Er war ein allseits gerühmter und gesuchter Ratgeber seiner Kirche und der politischen Herrscher. Alles gab er auf, um den stammesverwandten Friesen und Sachsen jenseits des Kanals Christus zu bringen. Auch als er nach seiner ersten (aus politischen Gründen erfolglosen) Friesenreise nach England zurückgekommen war, legte er die ihm übertragene Stellung eines Abtes in seinem Kloster ab, um erneut als Missionar zu wirken.

Diesen Gehorsam und diese Hingabe an den Ruf Christi hielt Bonifatius sein ganzes Leben lang unter den allergrößten Schwierigkeiten und Prüfungen durch. Weder Misserfolge noch Widerstände konnten ihn von seinem Weg abschrecken.

Auch als bedeutendster Kirchenpolitiker seiner Zeit blieb er im Herzen, und wo er konnte auch in der Praxis, Mönch. Zumindest ab 743, als sein kirchenpolitischer Einfluss schon sehr abgeschwächt war, widmete er viel Zeit und Kraft dem Aufbau seines größten und Musterklosters unter seinem Schüler Sturmius im heutigen Fulda. Anders als in den zahlreichen Missionsklöstern, die durch ihre Aufgabe auf starken Außenkontakt angewiesen waren, wollte er hier das Mönchtum in seiner reinen benediktinischen Form pflegen. Hier verbrachte er darum jedes Jahr längere Zeit in einer Zelle, in der Stille des Gebets auf einem Berg, der darum lange Bischofsberg hieß.

Bonifatius hat zwischen seinem 40. und 70. Lebensjahr eine ungeheure Leistung vollbracht. Unermüdliche Reisen (3 nach Rom), Korrespondenzen, ununterbrochene Mühen beim Predigen auf Dörfern und in Hofsiedlungen, bei Verhandlungen mit Fürsten oder Streitereien mit widerspenstigen Klerikern. Dazu die Sorgen und Enttäuschungen. Bei alledem ist dieses Festhalten an der Askese und am Bemühen um die Stille bewundernswert.

Seine Unerschrockenheit

Bonifatius lebte so sehr im Glauben, dass er für persönliche Gefahren keinen Sinn hatte. Dieser Mut lag natürlich schon seinem Entschluss zur Heidenmission zugrunde.

Bei seiner ersten Ankunft in Friesland fand er die vom Heiligen Willibrord erbauten Kirchen zerstört, seinen Vorläufer weit weg im fränkischen Exil. Unbekümmert setzte Bonifatius eine Audienz beim heidnischen Fürsten Radbod durch.

Ähnlich kühn begab er sich zu heidnischen Fürsten in Hessen, um sie durch seine Überzeugungskraft zu bekehren. Dann wagte er – und das wurde zum spektakulärsten Akt seiner Mission, das zentrale Heiligtum der örtlichen Bevölkerung, die Donar-Eiche in Geismar, zu zerstören.

Oft wird gesagt, dass Bonifatius hier nicht viel riskiert hätte, weil in der nahen Garnison auf dem Büraberg fränkische Truppen zur Hilfe bereit standen. Aber das finde ich schwer nachvollziehbar: Wären die Germanen vor Ort wütend geworden, hätten die fränkischen Krieger auch nur noch seine sterblichen Überreste einsammeln können.

Dieselbe Rücksichtslosigkeit zeigte er im Umgang mit den Mächtigen aller Art. In den bereits oberflächlich christianisierten Thüringen und Bayern drängte er kompromisslos Herrschern und Klerus seine geistliche Reform auf. Ebenso kompromisslos konfrontierte er den fränkischen Episkopat mit seiner Kritik an ihrer unkanonischen Lebensweise. Selbst als sein großer Förderer, der Franken-Hausmeier Karl Martell, seine Unterstützung für diesen im fränkischen Adel so unbeliebten Missionar zurückfuhr, wich Bonifatius kein Stück von seinen Forderungen ab. Sogar seinen Patriarchen Papst Zarachias tadelte er, weil dieser heidnische Gebräuche in Rom duldete und für Bischofsernennungen in Neustrien hohe Gebühren verlangte.

Bei all diesen Konfrontationen ging es ihm um die geistliche Ausrichtung der Kirche, und um die Integrität des christlichen Glaubens und der christlichen Lebensführung. Mit dieser Entschiedenheit stellt Bonifatius ein deutliches Gegenbild gegen die Versuchung dar, um jeden Preis nach Anerkennung und Beliebtheit zu streben. In unserer weit gehend kulturell reduzierten christlichen Umgebung hier in Deutschland ist diese Versuchung, so scheint mir, für uns orthodoxe Christen besonders gefährlich: Im Bestreben nach Zugehörigkeit neigen wir dazu, uns anzupassen. Ich meine, wir könnten bei aller Höflichkeit und Freundlichkeit gegenüber denen, die sich wie wir Christen nennen, ein wenig deutlicher die Wahrheit des Evangeliums einfordern und uns gegen seine Verfälschungen wehren.

Seine geistlichen ‚Führungsqualitäten’

Schon als Priestermönch im englischen Kloster Nursling zog seine Lehrtätigkeit Scharen von Schülern aus anderen Klöstern im ganzen Land an. Er muss ein faszinierender Lehrer und geistlicher Mentor gewesen sein.

Dies wird besonders anschaulich an der Geschichte mit Gregor. Bonifatius hatte mit dem Heiligen Willibrord, ebenfalls einem Engländer, bei dessen Mission der Friesen mitgearbeitet. Als dieser ihn aber als seinen Suffraganbischof dauernd an sich binden wollte, reiste er weiter, um auch im Binnenland zu missionieren. Er machte Station im Kloster Pfalzl bei Trier. Dort las ein 14-jähriger Junge im Refektorium auf Lateinisch aus der Bibel vor, und dies so fehlerlos, dass Bonifatius erstaunte. Er fragte ihn hinterher, ob er auch in fränkischer Sprache erzählen könne, was er da gelesen hatte. Da stockte der Junge, und Bonifatius erklärte ihm den Inhalt und Sinn der vorgelesenen Schriftstellen, - zur Bewunderung aller Anwesenden. Der Junge, Gregor, war so begeistert, dass er bei seiner Großmutter, der Äbtissin Adela, durchsetzte, mit Bonifatius reisen zu dürfen. So wurde Gregor ein wichtiger Helfer für den Heiligen, der später als Abt das Bistum Utrecht verwaltete und schließlich selbst von Gott verherrlicht wurde.

Die Beredsamkeit und persönliche Überzeugungskraft des Bonifatius erlaubten es ihm, die ganz oder halb heidnischen örtlichen Herren und überregionalen Fürsten zu gewinnen. Nicht nur konnte er die Heiden von der höheren Wahrheit des Christentums überzeugen. Auch die örtlichen Herrscher in den bereits christianisierten Ländern (Thüringen und Bayern) gewann er für die – ja stets mit schmerzhaften Entscheidungen verbundene - Reform ihrer Kirchen.

Diese geistliche Ausstrahlung des Heiligen hat – neben seinem großartigen Organisationstalent –überdies dazu geführt, dass seine Mission durch Heerscharen von Mitmissionaren aus England unterstützt wurde. Sein jahrelang aufrecht erhaltener Briefkontakt hatte große Hilfsbereitschaft in der Heimat geweckt. In den englischen Klöstern wurden all jene zahlreichen Handschriften angefertigt, mit denen Bonifatius seine Missionszentralen und Kirchen ausstattete. Und dann kamen die besten Mönche auch selbst auf seinen Ruf. Sie unterstellten sich bereitwillig seiner geistlichen und bischöflichen Leitung. Viele von ihnen wurden ihrerseits später heilig gesprochene Bischöfe und Äbte.

Auch bei seiner dritten Romreise zu Papst Gregor III schlossen sich ihm in Italien neben britannischen Pilgern große Mengen von Sachsen, Franken und Bayern an, die bereit waren, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Die Früchte seiner Arbeit sind eindrucksvoll: Obwohl er im Frankenreich nur einer Provinzkirche vorstand, übertraf diese in geistlicher Hinsicht die fränkische Kirche weit. Allein Bayern entstanden durch ihn und seine Schüler fast 100 Klöster.

Es ist bemerkenswert, dass der Mann, der als Kirchenführer äußerst undiplomatisch und oftmals harsch Missstände bloßstellte und mit Kritik nicht sparte, wenn es um die Treue zum Evangelium ging, doch zugleich im persönlichen Umgang mit seinen Brüdern im Stande war, eine große Menge von Mitstreitern zu gewinnen. Seine Fähigkeit zur persönlichen Nähe und Freundschaft zeigte sich besonders in der Beziehung zu seiner Nichte Lioba. Bonifatius hatte, anders als die Missionare vor ihm, begriffen, dass eine dauerhafte Christianisierung nur mit Hilfe der Ehefrauen, Mütter, und Töchter gelingen kann. Darum forderte und förderte er auch die Ankunft besonders qualifizierter englischer Nonnen. Zu ihnen gehörten auch Verwandte, wie Lioba. In ihr fand er eine geistliche Tochter, die im Verlauf ihrer Tätigkeit immer mehr zur geistlichen Schwester wurde. Er fühlte sich ihr so nahe, dass er sie in seinem letzten Willen sogar neben sich in seinem eigenen Sarg bestattet haben wollte, damit sie gemeinsam auf die Auferstehung warten können.

Für uns: Bonifatius hat sein Leben lang nicht aufgehört, geistliche Freundschaften zu pflegen, immer im Gedanken daran, wie andere sie ermutigen und ermächtigen könnte, selbst zu Lehrern und Ermutigern für andere zu werden.

Fassen wir zusammen: Seine Liebe zur Askese, seine Unerschrockenheit in der Verteidigung der Wahrheit Christi, und dieser Sinn für die Gemeinschaft der orthodoxen Mitstreiter sind, so scheint mir, Züge, die nachzuahmen sich lohnt.

Reliquien

Gleich nebenan in Frankfurt gibt es in Kalbach eine Quelle, die nach Bonifatius benannt wurde, - wie es heißt als Erinnerung an die Station, die hier bei der Übertragung seiner Reliquien gemacht wurde. Diese Quelle soll entsprungen sein, wo sein Haupt den Boden Berührte. (Sie wurde inzwischen neu gefasst, Haltestelle U2, Riedwiese). Historiker bezweifeln das Quellwunder und meinen, der Leichenzug habe an dieser Stelle wegen der schon vorhandenen Quelle haltgemacht. Dem sei nun wie ihm wolle. Immerhin wurde gleich nach dem Weiterzug der Reliquien an dieser Quelle ein Holzkirchlein erbaut, was zeigt, wie Bonifatius von seinen Zeitgenossen als Heiliger verehrt wurde. Die Besitzerin des Ackers, eine Walpraht von Nitaha, schenkte diesen dem Kloster Fulda, das um 1000 das Holzkirchlein durch eine steinerne Heiligkreuzkirche ersetzte (ad crucem, die Krutzenkirche). Ein geistlicher Konvent bildete sich im „Kreuzerfeld“, der die ganze Umgebung bis zur Reformationszeit betreute. Wie immer es also mit dem Wunder der Quelle stehen mag, - das Wunder einer jahrhundertelangen geistlichen Blüte kann man Bonifatius sicher zurechnen.

Kleinere Reliquien des Heiligen kann man in Mainz verehren, und zwar im Dom, und auch im Domschatz und Dommuseum.

Dasselbe gilt eigentlich für alle Bonifatiuskirchen der Umgebung, denn seine Reliquien sind vollständig vorhanden. Das ist ungewöhnlich, denn die meisten Reliquien hiesiger Heiliger wurden durch die protestantische Reformation oder die napoleonischen Truppen zerstört. Jede dem heiligen Bonifatius geweihte Kirche könnte damit ein Ort sein, an dem er gegenwärtig ist. Leider gilt dies aber nur, wenn die Priester und Gemeinden (wie in St. Pius in Fulda-Edelzell geschehen) ihren Sinn für Reliquien bewahrt haben und sich aus dem Vorrat in Fulda versorgen lassen.

Seine Gegenwart ist aber sicherlich am deutlichsten in Fulda, wo er seinem eigenen Wunsch gemäß im größten der von ihm gegründeten Klöster beigesetzt wurde.

Quelle und Copyright

Bogoslov.ru, Cornelia Delkeskamp-Hayes

Lebensgeschichte des geistlichen Märtyrers Bonifatius, Apostel der Deutschen

Die erste Lebensbeschreibung des hl. Bonifatius wurde sechs Jahre nach dessen Tod auf Anregung des hl. Bischofs Lullus von Mainz von einem dortigen Priester namens Willibald im Jahre 760 verfasst. Dieser Text stammt aus: "Orthodoxe Heiligenleben", Vorabdruck im Internet, S.119ff. Scan des Kapitels über den Hl. Bonifatius. Mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber.

Kindheit

Der hl. Bonifatius wurde um das Jahr 673 in Crediton, dreißig Kilometer norwestlich von Exeter, in der Grafschaft Devonshire in England in einer freien, wohlhabenden Bauernfamilie geboren. Die Bevölkerung dieses Gebietes war erst 50 Jahre zuvor zum Christentum bekehrt worden. Bei der Taufe erhielt er den Namen Winfrid. Schon als Kind zeigte er großes Interesse an theologischen Fragen, indem er anhaltend über Gott und die himmlischen Dinge nachzudenken sich bemühte.

Eintritt ins Kloster

Bereits als Knabe von sechs Jahren trat er, zunächst gegen den Willen seines Vaters, welcher erst nach einer plötzlichen Erkrankung seine Einwilligung gab, in das vom hl. Abt Wolphard geleitete Kloster Adescancastre (Exeter) ein. Mit 20 Jahren wurde er zur Weiterbildung in das Kloster von Nutcell (Nursling) im Bistum Winchester geschickt, wo er unter der Leitung des Abtes Winbert seine Ausbildung vervollkommnete und schließlich als Lehrer angestellt wurde. In dieser Zeit verfasste er zusammen mit seinem Schüler Dudd eine lateinische Gramatik und eine Verslehre. Zehn Jahre später empfing er dort die Priesterweihe, und sein Ruf als Seelsorger, Asket und Mann von Bildung war überall so gut, dass er von den Bischöfen zu allen Synoden eingeladen und vom König mit wichtigen Geschäften betraut wurde. Winfrid stand eine glänzende geistliche Karriere in Aussicht. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts bestand in Britannien bereits eine selbstständige Landeskirche, welche sich wegen ihrer Herkunft von Gregor dem Großen eng mit Rom verbunden fühlte. Danneben existierte aber auch noch die ältere irische Tradition der Wanderbischöfe und Wanderprediger, welche das Land durchzogen und ihre eigene Tradition pflegten. Durch die letzteren war Winfrid zuerst mit dem Christentum in Berührung gekommen. Dementsprechend gingen die Gedanken Winfrids über den Kreis seiner irdischen Heimat und eine sichere geistliche Karriere hinaus. Sein Wunsch war es, die noch im Heidentum verstrickten germanischen Völker, von welchen die Sachsen seine Blutsverwandten waren, zum wahren Glauben zu bekehren.

Erste Missionsversuche

Mit diesem Wunsch wandte sich Winfrid zu Beginn des Jahres 716 schließlich an seinen geistlichen Vater Winbert, und nachdem dieser schließlich seinen Segen gegeben hatte, reiste Winfrid in Begleitung zweier Gefährten von London aus nach Dorsta in Friesland und von dort weiter nach Utrecht. Hier hatte der friesische König Radbot gerade große Gebiete seines Landes aus der fränkischen Vorherrschaft zurückerobert, und obwohl er dem ihm unerschrocken entgegetretenden Winfrid die Erlaubnis zu predigen erteilte, erwiesen sich dessen Bemühungen als vergeblich, da das Christentum als fränkisches Knechtungsmittel angesehen wurde. So sah sich Winfrid bereits im Herbst des Jahres 716 genötigt, nach England zurückzukehren.

Erneuter Aufbruch nach Germanien

Bald darauf starb Abt Winbert vom Nutcell-Kloster, und Winfrid sollte sein Nachfolger werden. Da dieses Amt jeden Gedanken an die Mission in Germanien ausschloss, bemühte sich Winfrid um Anerkennung seiner Abdankung, welche er nach einem Jahr von Bischof Daniel von Winchester erhielt, der die Ernennung eines anderen Abtes gestattete. Im Jahre 718 brach Winfrid, versehen mit zwei Empfehlungsschreiben von Bischof Daniel an den Bischof von Rom und den fränkischen Herrscher, erneut zur Mission auf. Um seiner Missionstätigkeit bei den ganz am Rande der damaligen Welt unter fränkischer Vorherrschaft lebenden Germanen größtmögliche geistliche Autorität zu verschaffen, sah sich Winfrid gezwungen, eng mit den weltlichen Herrschern zusammenzuarbeiten und sich um die moralische Unterstützung durch den anerkanntesten Bischofsstuhl seiner Zeit zu bemühen, welcher durch das nicht lange zurückliegende heroische Bekennertum von Papst Martin bei der Auseinandersetzung mit der Häresie des Monophysitismus der römische Bischofsstuhl war. Der römische Bischof war damals lediglich Metropolit von Italien und dem oströmischen Kaiser unterstellt.

Segen des Papstes

Nachdem Papst Gregor II. Winfrid kennengelernt hatte, verlieh er ihm am 15. Mai des Jahres 719, einen Tag nach dem Gedächtnis des hl. Märtyrers Bonifatius von Tarsos, die förmliche Missionsvollmacht zur Bekehrung der Heiden, schenkte ihm Reliquien und gab ihm Empfehlungsschreiben mit. In der Urkunde Gregors II. wird Winfrid das erste mal Bonifatius genannt, was darauf schließen lässt, das sich Winfrid bereits bei diesem ersten Besuch in Rom nicht nur die offizielle Anerkennung, sondern darüber hinaus die freundschaftliche Hochachtung des Bischofs von Rom erworben hatte.

In Bayern, Thüringen und Friesland

Zuerst wirkte Winfrid in Bayern, wo das Christentum schon verbreitet war und das Heidentum nur noch in Resten bestand, und bald darauf in Thüringen, wo im Gegensatz zu Bayern das Heidentum noch verbreitet und das Christentum wieder vom Heidentum überwuchert war. So wie nur wenige Priester gemäß den kirchlichen Kanones lebten, war auch das Wissen um den Inhalt des christlichen Glaubens sehr zurückgegangen. Bonifatius konnte zwar einige thüringische Adelige und Priester von der Notwendigkeit einer Reform überzeugen; da aber für die Durchsetzung seiner Vorstellungen die Autorität eines Bischofs notwendig war, verließ er noch im Herbst 719 Thüringen wieder. Auf dem Weg ins innere Frankenreich erfuhr Bonifatius, dass König Radebot gestorben war. Gleichzeitig hatte er, wie er in einem Brief in die Heimat schrieb, einen Traum, welcher ihm anzeigte, dass in Friesland eine reiche Ernte einzubringen sei. Deshalb begab er sich nach Utrecht zu Bischof Willibrord. Drei Jahre arbeitete er zusammen mit dem hl. Bischof von Utrecht, der seine Kathedralkirche wie ein Kloster führte; diese Zeit wird von seinen Biografen als die Lehrjahre des hl. Bonifatius bezeichnet. Dabei lernte er auch die fränkische Sprache zu beherrschen. Unter dem Schutz des Hausmeiers Karl Martell machte die Mission rasche Fortschritte, für welche Bonifatius von seinen Landsleuten in England Bücherspenden, Altargeräte, Kleider und Geld bekam. Auf die zuversichtlichen Briefe des Bonifatius schloss sich ihm aus England der Gehilfe Denewald an, der einer seiner wichtigsten Mitarbeiter wurde. Als Bischof Willibrord Bonifatius dazu bestimmen wollte, sein Nachfolger zu werden lehnte dieser mit dem Hinweis ab, das er das kanonische Alter von 50 Jahren noch nicht erreicht habe, und begab sich im Frühjahr 721 nach Hessen.

Ein treuer Schüler

Auf der Reise übernachtete Bonifatius im Kloster Pfalzel bei Trier, welches von seiner Gründerin, der Äbtissin Adela, geleitet wurde. Als nach der Feier der göttlichen Liturgie, welche Bonifatius auch auf seinen Reisen täglich zelebrierte, alle im Refektorium zum Essen versammelt waren, las dort ein 14jähriger Junge, zum Erstaunen des Gastes, aus der lateinischen Heiligen Schrift, ohne einen Fehler zu machen. Nach der Lesung fragte er den Jungen, ob er auch in der eigenen Muttersprache wiedergeben könne, was er gelesen habe. Als dieser mit dem Fränkischen ins Stocken geriet, vollendete Bonifatius die Wiedergabe der Bibelstelle und legte sie zur Erbauung der Anwesenden aus, was den Jungen so sehr beeindruckte, das er vom Fleck weg erklärte, er werde mit diesem Manne Gottes ziehen, um sein Schüler zu werden und die göttlichen Bücher kennenzulernen. Dieser Junge hieß Gregor und war der Enkel der Äbtissin. Diese hielt das Vorhaben des Jungen natürlich für eine jugendliche Marotte; aber da dieser mit Beharrlichkeit auf seinem Wunsch, mit Bonifatius zu ziehen, bestanden, willigte sie schließlich ein und stattete die Reisenden mit Dienern und Pferden aus. Bonifatius aber hatte einen treuen Schüler gewonnen.

Missionstätigkeit in Hessen

Danach missionierte er mit Erfolg in Hessen, wo durch die Siege Karl Martells die Verhältnisse ruhiger geworden waren. Von allen Ländern des fränkischen Reiches, welche Bonifatius bereiste, war Hessen, das Land der Chatten, noch am stärksten vom Heidentum geprägt. Als Bonifatius dort eintraf, wurde der Wettergott Donar als Stammesgottheit verehrt. Bonifatius wandte sich zuerst an die Verwalter der Festung Amöneburg im oberen Lahngau, einem fränkischen Stützpunkt zum Schutz vor Sachsenüberfällen, die zu den wenigen Christen des Landes gehörten, die beiden Brüder Dettic und Deorulf. Nachdem er sie in der Religion unterwiesen hatte, erkannten sie die Nichtigkeit des Götzendienstes, dem sie aus Unwissenheit noch angehangen hatten. Bonifatius erhielt daraufhin ihre Unterstützung bei der Gründung eines Mönchsklosters in Amöneburg, welches er mit einigen seiner Begleiter besetzte, um die frisch Bekehrten nicht ganz ohne geistliche Stütze zu lassen. Auf die Predigten des hl. Bonifatius bekehrten sich nämlich trotz der Nähe zur sächsischen Grenze, viele Tausende zum Christentum und ließen sich taufen. Die erfolgreiche Missionierung festigte auch die fränkische Herrschaft im Land, die sich nun neben ihrer militärischen Macht auch auf das Christentum stützen konnte.

Bischofsweihe in Rom

Nach dem Erfolg der Mission in Hessen schickte Winfrid seinen Vertrauten Vinnan zu Papst Gregor II. mit der Bitte um die Bischofsweihe, die für das Fortbestehen seiner Missionserfolge notwendig geworden war. Dieser lud Winfrid persönlich zu sich ein. Im Herbst 722 kam Bonifatius mit einer großen Pilgergruppe nach Rom, und am 30. November 722, dem Tag des hl. Apostels Andreas, weihte Bischof Gregor II. Bonifatius - nachdem er ihn auf das rechtgläubige Glaubensbekenntnis und den Gehorsam gegenüber dem Papst hatte schwören lassen, sowie keine Gemeinschaft mit Bischöfen zu haben, die gegen die hergebrachten Satzungen der heiligen Väter verstießen - zum Bischof der Deutschen, allerdings ohne ihm einen festen Sitz zuweisen zu können. Bonifatius wurde keinem anderen Bischof oder Erzbischof unterstellt als nur dem Bischof von Rom. Er sollte Missstände abstellen, soweit es in seiner Macht stünde, und alles, was darüber hinaus gehe, sofort dem Papst berichten. Außerdem erklärte ihn Gregor in einem eigenen Dokument zum Familiarius oder Hausgenossen; eine Stellung, die sonst nur den Mitgliedern des päpstlichen Hofes zukam. Der Grund hierfür war, das man Widerstand gegen die von Bonifatius geplanten Reformen erwartete. Deshalb sollte die geistliche Autorität des neugeweihten Bischofs gegenüber den anderen Bischöfen hervorgehoben werden.

Unterstützung durch Karl Martell

Mit Briefen an Karl Martell und die fränkischen Bischöfe versehen kehrte Bonifatius Anfang des Jahres 724 nach Deutschland zurück. Karl Martell war mit den Vorhaben des neuen Bischofs einverstanden, denn die Festigung der fränkischen Herrschaft in den neueroberten Gebieten konnte sich neben der militärischen Stärke nur auf die Religion stützen. Durch die Unterstützung der Missionare aber vermied Karl Martell, das diese gegen ihn auftraten. So wurden Bonifatius und seine Mitarbeiter von nun ab durch Karl Martells Beamte und Vasallen mit allem zum Leben Notwendigen versorgt. Zu dieser Zeit wütete in Konstantinopel, zu dessen Herrschaftsbereich Rom und ein großer Teil Italiens gehörte, die Häresie des Ikonoklasmus. Dies führte im damals noch rechtgläubigen Italien zu Aufständen gegen die byzantinische Herrschaft, was wiederum die arianischen Langobarden im Norden Italiens zur Ausweitung ihres Einflusses auszunutzen suchten. Um das Jahr 740 wandte sich der Bischof von Rom deshalb das erste Mal in der Geschichte um Unterstützung an die Germanen in Gestalt von Karl Martell, der 732 die Araber geschlagen hatte. Im Frankenreich, wo die Herrschaft der Merowinger zu Ende ging und die Hausmeier die faktische Herrschergewalt innehatten, war man dazu übergegangen, Verdienste des Adels durch den Verleih von Bistümern zu vergelten, welche nun nicht mehr die seelsorgerisch Fähigsten bekamen, sondern diejenigen, die gerade belohnt werden mussten. So kam es, dass die Bistümer sehr häufig von Bischöfen geleitet wurden, welche die Jagd und das Kriegshandwerk pflegten oder auch in Vielweiberei lebten.

Die Donar-Eiche von Geismar

Von Karl Martells Hof begab sich Bonifatius wieder nach Hessen, wo die Neugetauften zu seiner Freude hatten den Glauben bewahrt hatten, so dass er sie nun mit dem hl. Myron salben konnte. Danach begab er sich in die Grenzgebiete zu Sachsen, wo das Heidentum noch stark und der Widerstand gegen das Christentum größer war. Der hl. Willibald berichtet, das man dort teils heimlich, teils offen Wahrsagerei, Zauberei und sonstigen Aberglauben betrieb. Die mächtigsten Bäume waren dem Gott Donar geweiht und dienten als Orte seiner Verehrung. Die Heiden prahlten, dass über die Eiche von Geismar bei Fritzlar auch der Christengott keine Macht habe, und dass Thor selbst jeden, der es wage, Hand an sie zu legen, mit dem Hammer zerschmettern würde. Um ein Zeichen für die Irrigkeit dieses Glaubens zu setzen, begab sich Bonifatius, nachdem er davon gehört hatte, nach Geismar. Eine große Menge hatte sich zur festgelegten Stunde an der Eiche versammelt – einige wenige mit einem Gebet auf den Lippen, der Plan möge gelingen, eine vielfach gewaltigere Anzahl von Heiden aber, die den Bischof kräftig verwünschten und nur darauf warteten, dass ihn die Rache Donars ereile. Aber kaum hatte Bonifatius den Stamm der Eiche nur ein wenig angehauen, da wurde die gewaltige Masse der Eiche durch höheres göttliches Walten zu Fall gebracht und stürzte mit gebrochener Krone zur Erde. Wie durch die Kraft eines höheren Willens zerbarst sie sofort in vier Teile, und ohne dass die umstehenden Brüder etwas dazu beigetragen hätten, boten sich den Augen vier ungeheuere Spaltstücke von gleicher Länge dar. Als dies die vorher fluchenden Heiden sahen, wurden sie wie umgewandelt, verwarfen selbst ihre früheren Lästerungen, priesen Gott und glaubten an Ihn. Darauf erbaute der hochheilige Bischof, nachdem er sich mit den Brüdern beraten hatte, aus dem Holz dieses Baumes eine Kapelle und weihte sie zu Ehren des hl. Apostels Petrus.

Missionstätigkeit in Thüringen

Im Jahre 724 war die Mission in Hessen so weit fortgeschritten, das Bonifatius die weitere Arbeit seinen Schülern überließ und nach Thüringen weiterzog. Zu diesem Zeitpunkt versuchte sich Bischof Gerold von Mainz der geistlichen Autorität des neubekehrten Landes zu bemächtigen. Nachdem Bonifatius Papst Gregor davon unterrichtet hatte, wurde Bischof Gerold von diesem zurückgerufen, und Hessen blieb in Bonifatius’ Amtsgewalt. Mir einem neuen Empfehlungsschreiben von Gregor II. setzte Bonifatius seine Arbeit in Thüringen fort, wo das Christentum zwar bereits heimisch geworden, aber durch die Unachtsamkeit der Geistlichen völlig verwahrlost war.

Klosterbau zu Ordruf

Mit der Unterstützung wohlhabender Grundherren, bei denen er mit der Neubelebung des Glaubens begann, errichtete Bonifatius in Thüringen mehrere Kirchen und ein Kloster in Ordruf, in dem nicht nur missioniert, sondern auch Ackerbau, Viehzucht und Gartenwirtschaft gelehrt wurden. Der Überlieferung nach hatte Bonifatius vor der Gründung des Klosters an diesem Ort eine Erscheinung des hl. Erzengels Michael. Am folgenden Tag, als der für das Essen zuständige Begleiter nach der göttlichen Liturgie dem Bischof nichts vorzusetzen hatte, sagte Bonifatius: „Der, Welcher das Volk Israel vierzig Jahre in der Wüste wunderbar ernährte, sollte seinem unwürdigen Knecht nicht für einen einzigen Tag Speise verschaffen können?“ Und gleich darauf kam ein großer Vogel vom nahen Fluss herbeigeflogen und brachte einen großen Fisch, den er vor dem Bischof fallen ließ. Daraufhin schenkte der Grundherr dieses Gebietes, ein Thüringer namens Hugo, das für die Gründung eines Klosters nötige Gelände. Bonifatius kam so oft es ging zur Erholung in dieses Kloster.

Widerstände bei den Germanen

Um in allen geistlichen Fragen und Angelegenheiten wie zum Beispiel in Fragen zu den kanonischen Regeln für die Sakramente der Taufe und der Eheschließung in größtmöglicher Übereinstimmung mit der römischen Kirche zu bleiben, wandte sich Bonifatius mit Hilfe seines Begleiters Denewald immer wieder an den Bischof von Rom, welcher Bonifatius als treuen Sachverwalter lobte und in seiner Arbeit ermunterte. Bezüglich des kirchlichen Brauches der Eheschließung traf Bonifatius bei den germanischen Völkern auf hartnäckiges Unverständnis, da diese von je her gewohnt waren, dass Ehen auch unter Verwandten zweiten Grades geschlossen werden durften. In den Briefen des bereits über sechzigjährigen Bonifatius an seine Freunde in England erfährt man etwas von der Enttäuschung, die er zu dieser Zeit erfahren musste. Mehrfach schreibt er, dass das Schifflein seines Geistes durch mancherlei Sturmfluten seitens der germanischen Völker leckgeschlagen sei, und dass er müde geworden sei über den Stürmen des germanischen Meeres, die ihn von allen Seiten trafen. Dabei gab er die Schuld für die vielen ihn treffenden Drangsale niemand anderem als seinen eigenen Sünden oder seiner persönlichen Unzulänglichkeit.

Zwist mit Karl Martell

Im Jahre 731 wandte sich Bonifatius an den neuen Papst Gregor III. und bat ihn um Unterstützung seiner Vorhaben. Der neue Bischof von Rom versicherte Bonifatius seiner Unterstützung und erhob ihn in den Rang eines Erzbischofs, was ihn dazu autorisierte, selber Bischöfe zu weihen. Dies verstärkte allerdings das Misstrauen der fränkischen Bischöfe gegen Bonifatius, welche ihn als Fremden betrachteten und eine rückhaltlose Unterstellung unter die Führung der römischen Kirche, wie Bonifatius sie propagierte, schlicht als unzumutbar empfanden. Seit der Taufe ihres hl. Königs Chlodwig hatten sich die christlichen Franken nicht nur ihrer militärischen, sondern auch ihrer sittlichen Überlegenheit gegenüber den Römern gerühmt, welche die Christen einst verfolgt hatten, während die Franken Christus wunderschöne Kirchen errichteten. Durch den Einfluss der fränkischen Bischöfe kühlte nun auch das Verhältnis zwischen Bonifatius und Karl Martell merklich ab, was gerade jetzt sehr schädlich war, da Bonifatius seine Missionserfolge mit einer Reform der Organisation der Kirche festigen musste, wenn diese nicht wieder verloren gegen sollten. Karl Martell befand sich zu dieser Zeit gerade im Kampf mit den Arabern und durfte seine militärische Gefolgschaft, welche die beherrschende Schicht des fränkischen Adels ausmachte, einschließlich des verweltlichten Episkopats, nicht gegen sich aufbringen. Diese aber fühlten sich durch die Reformvorhaben von Bonifatius um ihre Gewalt über die von der Kirche entliehenen Pfründe bedroht. Deshalb blieb die Arbeit von Bonifatius ohne Unterstützung seitens der weltlichen Macht und musste aufgeschoben werden.

Verdienstvolle Mitarbeiter

So wandte sich Bonifatius nun der Gründung und Ausgestaltung neuer Klostergründungen zu und setzte mit Hilfe von Mitarbeitern, die er aus England kommen ließ, seine apostolische Arbeit in Hessen, Thüringen und Sachsen fort, wobei er nun auch Frauenklöster gründete. Seine bekanntesten Mitarbeiter waren; der Abt Wigbert vom Kloster in Fritzlar; die Äbtissin Lioba von Tauberbischofsheim, die durch ihre geistliche Persönlichkeit bei allen germanischen Völkern bekannt war und sich die Freundschaft mit Königin Hildegard, einer Gattin König Karls, erwarb; die Äbtissin Thekla von Bad Kitzingen; sein Nachfolger auf dem Bischofssitz zu Mainz, Lull oder Lullus; sowie die Geschwister Wunibald, Willibald, Walburga, Witta und Burkhart. Neben neuen Mitarbeitern erbat sich Bonifatius auch immer wieder Bücher aus seiner Heimat und bat um Abschriften, um sie in seinen Predigten zu verwenden. Die von Bonifatius hinterlassenen Bücher waren der Grundstock für die Bibliothek von Fulda, die bis zu ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg eine geistige Schatzkammer des heidnischen und christlichen Altertums darstellte. Erzbischof Cuthbert von Canterbury nannte Bonifatius gleich nach dessen Tod einen „Großen Erforscher der himmlischen Bibliothek“.

Missionstätigkeit in Bayern

In den Jahren 733 bis 735 hielt sich Bonifatius auf Einladung Herzog Hukberts in Bayern auf, wo er die kirchliche Neuorganisation des Landes vorbereitete, welche wenige Jahre später durchgeführt wurde. Während dieser Zeit schloss sich ihm ein junger adeliger Bajuware namens Sturmius an, welchen er im Kloster Fritzlar ausbilden ließ. Die Einrichtung von Diözesen in Deutschland, die er mit würdigen Bischöfen besetzte, wodurch er der Willkür und dem Zufall bei der Ausbreitung des Christentums in Germanien Einhalt gebot, konnte er zunächst nur vorbereiten.

In Rom

Im Jahre 737 befand sich Bonifatius wieder in Rom. Der Überlieferung nach wollte er auf Grund seines fortgeschrittenen Alters, seiner abnehmenden Kräfte und des sich mehrenden Widerstandes gegen seine Arbeit seinen Rücktritt anbieten. Papst Gregor III. untersagte ihm strikt solche Gedanken und stattete ihn statt dessen mit größeren Vollmachten aus, die Bonifatius’ Stellung über den anderen Bischöfen noch unterstreichen sollte. Er wurde zum päpstlichen Legaten ernannt, wodurch er überall als besonderer Bevollmächtigter des Bischofs von Rom behandelt werden musste. Außerdem durfte er bereits jetzt seinen Nachfolger selbst bestellen, was allerdings unter dem folgenden römischen Bischof wieder rückgängig gemacht wurde. Mit einer Anzahl neuer Mitarbeiter, welche er sich während seines fast einjährigen Romaufenthaltes dank seiner Popularität dazu erworben hatte, kehrte Bonifatius im Mai des Jahre 737 zu seinem Aufgabenfeld nördlich der Alpen zurück.

Missionstätigkeit in Sachsen

Zunächst bemühte er sich um die Bekehrung der Sachsen, welche durch einen neuen Feldzug Karl Martells zurückgedrängt worden waren. Da aber die Siege Karl Martells über die Sachsen die eigentlichen Kernländer Sachsens unberührt gelassen hatten, blieb die Mission trotz einer großen Zahl von Neugetauften undurchführbar, so dass Bonifatius sich auch später nicht mehr darum bemühte. Stattdessen begab er sich wieder nach Bayern zu Herzog Odilo, der mit Hilfe der Ordnung der Kirchenorganisation und der daran sich anschließenden Erschließung des Landes durch neugegründete Klöster die Entwicklung seines Landes vorantreiben wollte.

Zurück in den Stammländern

Bonifatius grenzte in Bayern die vier Bistümer Salzburg, Regensburg, Freising und Passau genau von einander ab und besetzte sie mit Bischöfen seiner Wahl. Im Jahre 741 stiftete er die Kloster Niederalteich bei Passau, Benediktbeuren, und Mondsee im heutigen Österreich, so dass insgesamt 29 Klöster im bayerisch-österreichischen Raum auf seine Initiative zurückgehen. Durch das Beispiel der Mönche lernte auch die ansässige Bevölkerung allmählich, sich selbst durch regelmäßige eigene Arbeit ihr Brot zu verdienen. Im Sommer 741 kehrte Bonifatius in seine Stammländer zurück und gründete die Bistümer Erfurt für Thüringen, Buraburg für Hessen, welches später nach Paderborn verlegt wurde, und Eichstätt für den sogenannten Nordgau. Im Jahre 746 ließ er durch seinen Schüler Sturmius auf einem ihm von Karlmann geschenkten Waldgrundstück die Abtei Fulda gründen, welche er direkt dem Bischof von Rom unterstellte. Sturmius, der in Monte Cassino die Klosterregeln des hl. Benedikt kennengelernt hatte, wurde der erste Abt von Fulda.

Bündnis mit Pippin und Karlmann

Als im Jahre 741 der Hausmeier Karl Martell starb und sein Reich kampflos an seine beiden Söhne Pippin und Karlmann weitergeben konnte, änderten sich die Verhältnisse zu Bonifatius’ Gunsten. Um ihre staatsrechtliche Position abzusichern, mussten sich die neuen Hausmeier enger an die Kirche als der einzigen Autorität neben der weltlichen Herrschaft, anschließen, da ihre Gegner - die das Königtum anstrebenden anderen Hausmeier - nun dieselben waren wie die, welche die dringend notwendigen kirchlichen Reformen von Bonifatius behinderten, nämlich die Nutznießer der verpfändeten Kirchengüter. So fanden sich Pippin, Karlmann und Bonifatius in ihren Zielsetzungen vereint. Dennoch gelang deren Durchsetzung nur schleppend.

Papst Zacharias

Im Jahre 741/742 erhielt Bonifatius von Karlmann die Unterstützung für den kanonischen Ausbau der Missionskirche und wurde beauftragt, eine Synode einzuberufen, um die austrasische Landeskirche neu zu ordnen. Bonifatius hatte sich hierfür die Rückendeckung durch den neuen römischen Bischof Zacharias, den letzten Griechen auf dem römischen Bischofsstuhl, erbeten, indem er ihm einen Bericht über den Zustand der fränkischen Landeskirche durch den Priester Denehard überbringen ließ. Darin schrieb er, dass die fränkische Kirche bereits seit über 80 Jahren keine Synode abgehalten habe, und dass ein großer Teil der Bischofssitze Laien überlassen worden sei, die nach Besitz trachteten, oder unwürdigen Geistlichen, welche der Unzucht und dem Wucher oder der Trunkenheit frönten, streitsüchtig seien und sich der Jagd und des Kriegshändels erfreuten und mit eigenen Händen Menschenblut vergossen hätten. Bischof Zacharias versicherte Bonifatius seiner Unterstützung, erlaubte ihm aber nur, einen Helfer und keinen Nachfolger zu bestellen, und befahl, dass Bonifatius bis zu seinem Lebensende auf seinem Posten auszuharren habe.

Das fränkische Konzil

743 wurde das fränkische Konzil an einem unbekannten Ort eröffnet. Diejenigen, die von der Notwendigkeit einer Reform überzeugt waren, erschienen zum Konzil, während diejenigen, welche den Verlust ihrer bisherigen Machtstellungen befürchteten, fern blieben. So wurden die Beschlüsse des Konzils, welches den Namen „Concilium Germanicum“ erhielt, mit großer Einmütigkeit getroffen. Neben den Bischöfen waren auch weltliche Größen am Konzil beteiligt, die sogenannten Optimaten, welche die Durchsetzung der Beschlüsse, an denen sie auch selbst mitgearbeitet hatten, garantierten. An erster Stelle stand die Rückführung der durch Karl Martell enteigneten Kirchengüter in die Hände der Kirche, an zweiter die Amtsenthebung unehrenhaft lebender Priester und Bischöfe. Außerdem wurden die Benediktinerregeln für alle austrasischen Klöster verbindlich gemacht, und es wurde beschlossen, jährlich ein Konzil einzuberufen. Die Konzilsbeschlüsse wurden von Karlmann, dem „Dux et princeps Francorum“, als sogenannte „Kapitulare“ verkündet und erlangten so staatliche Gesetzeskraft. Bonifatius besetzte nun die von ihm gegründeten neuen Bistümer mit Bischöfen seiner Wahl, in der Mehrzahl seine Landsleute, und erhielt auch materielle Unterstützung durch Karlmann. Daneben bemühte er sich weiter um neue Klostergründungen, vor allem um ein Kloster im Mittelpunkt seiner ersten Missionsländer, das spätere Kloster Fulda, die aber wegen des Widerstandes der anliegenden Grundherren nicht sogleich durchgeführt werden konnten. 744 fanden unter seinem Einfluss als päpstlichem Legaten nicht nur in Austrasien seinem ursprünglichen Wirkungsbereich, sondern auch im Herrschaftsgebiet Pippins in Neustrien, dem heutigen Frankreich, weitere Synoden statt. Auf diesen Synoden wurden die Beschlüsse der vorjährigen Synode bestätigt, ihre Durchsetzung, besonders die Rückführung von Kirchengütern, allerdings auf friedlichere Zeiten verschoben. Im Jahre 744 erfolgte auch die Gründung des Klosters Fulda, welches Bonifatius als Musterkloster anlegte und direkt dem Bischof von Rom unterstellte, welcher dies auch annahm.

Das Kloster Fulda

Nach langem Suchen war der Schüler von Bonifatius, Sturmius, an eine Stelle gelangt, welche mitten zwischen den vier Völkern lag, welchen Bonifatius die frohe Botschaft verkündet hatte, und von seiner natürlichen Beschaffenheit für die Gründung eines Klosters geeignet war; dort, wo das Tal der Fulda sich zu einer Ebene öffnete und von einer ausgedehnten Hügelkette umgeben war. Bonifatius bat auf den begeisterten Bericht Sturmius hin Karlmann um seine Unterstützung beim Erwerb dieses Ortes und bat ihn, ihm diesen, der auf königlichem Gebiet lag, zu schenken. Karlmann stimmte dem Wunsch Bonifatius zu und schenkte ihm urkundlich allen Besitz um den Ort Eichenloh an der Fulda im Umkreis von vier Meilen, um dort ein Kloster zu gründen. Am 12. März des Jahres 744 erfolgte die Gründung des Klosters durch Sturmius in Begleitung von sieben Mönchen. Bonifatius selbst beobachtete den Fortgang der Errichtung des Klosters vom nahen Bischofsberg, dem heutigen Frauenberg aus, wo er sich eine Zelle für geistliche Lesungen und Gebete hatte errichten lassen.

Ernennung zum Erzbischof von Mainz

Im Jahre 745 wurde vor einem gemeinsamen Feldzug der beiden Hausmeier Pippin und Karlmann gegen Aquitanien ein gesamtfränkisches Konzil abgehalten. Dabei wurde der Anführer der Gegner von Bonifatius, der Mainzer Bischof Gewilib, der bei einem Feldzug Karl Martells gegen die Sachsen den Soldatentod seines Vaters mit eigener Hand gerächt hatte, einstimmig abgesetzt. Außerdem wurde Bonifatius das Erzbistum Köln versprochen, das er allerdings wegen des Einflusses der Opposition nicht antreten konnte. Schließlich blieb Köln Bistum und wurde mit dem fränkischen Bischof Agilolf, einem Anhänger der Reform, besetzt. Im Jahr 746, als Karlmann sich in ein Kloster zurückgezogen hatte, wurde keine Synode einberufen. Im Jahre 751 wurde Bonifatius von Papst Zacharias und dem neuen fränkischen König Pippin, welcher sich von Bonifatius hatte krönen lassen, das Erzbistum Mainz übertragen, das von nun an als Metropolitensitz galt und welchem die Bistümer Köln, Tongern, Utrecht, Augsburg, Chur, Konstanz, Straßburg, Speyer und Worms untergeordnet waren und welches damit kirchlicher Mittelpunkt der Mission Germaniens wurde. Zunächst hatte Bonifatius daran gedacht, darauf zu verzichten, da ihm bereits früher vom Papst das viel ältere Köln zugesprochen worden war. Aber im Jahre 748 bestätigte der Papst die Verfügung Pippins auf der Synode von 745, und Bonifatius musste sich der Verfügung beugen.

Primas von ganz Deutschland

Bonifatius war nun „Primas von ganz Deutschland“. Durch die Festigung der Christianisierung Deutschlands mit der Hilfe vieler durch Tugend und Bildung ausgezeichneter Männer und Frauen vollbrachte Bonifatius ein Werk, welches vor und nach ihm kein anderer Bischof in Deutschland getan hat. Bonifatius rottete Tausende von Abgöttern aus und bekehrte Heiden und Halbheiden, die an einem Gemisch von Christentum und Heidentum hingen, zum wahren Glauben und bemühte sich, mit Hilfe der von ihm gegründeten Klöster die rauen Sitten der verschiedenen germanischen Völker zu besänftigen. Auf von Bonifatius angeregten Synoden in Austrasien bemühte er sich um die Erneuerung des geistlichen Standes im untadeligen christlichen Lebenswandel, die Überführung der Verwaltung von Kirchengütern aus den Händen von Laien an die Kirche und die Hebung des Ansehens der römischen Kirche, welche von den Franken als ehemaligen Siegern über die Römer verachtet wurde. Diese Reformen gingen nur langsam voran, was Bonifatius viel Kummer bereitete.

Zurück in Friesland

So sehr Bonifatius im Alter von manchen seiner Amtsbrüder bekämpft wurde, so wenig minderte dies seinen Eifer bei der Verbreitung des Gotteswortes unter den Heiden. Mit etwa 75 Jahren trat er den Bischofssitz an seinen Nachfolger Lullus ab und reiste, nachdem er von Papst Stefan die Erlaubnis dazu erhalten hatte, noch einmal in jugendlicher Begeisterung für die Rettung der Seelen zum einstigen Ausgangspunkt seiner Mission in Germanien, nach Friesland, wo das Missionswerk seit Willibrords Tod ins Stocken geraten war. Seinen Gehilfen Eoban setzte er als neuen Bischof von Utrecht ein, wo er auch den Winter 753/754 verbrachte. Der Friese Luidger, der spätere Bischof von Münster, erzählte noch lange begeistert von seiner Begegnung mit Bonifatius im Kloster zu Utrecht und auch, dass sein Haar silberweiß und sein Leib abgezehrt und vom Alter gebeugt gewesen sei.

Als der Frühling gekommen war, brachen Bonifatius und seine Begleiter erneut nach Norden auf, um in den äußersten Randgebieten Frieslands zu predigen und zu taufen. Er wandelte heidnische Opferstätten in christliche Kirchen um und bekehrte eine große Anzahl von Männern, Frauen und Kindern. Im Gehöft Dockinga (heute Stadt Dockum) am Flüsschen Bordau erwartete er wenige Tage nach Pfingsten, am 5. Juni des Jahres 755, die Ankunft von Neugetauften, um ihnen die Myronsalbung zu spenden.

Martyrium durch heidnische Hand

Die Predigt des hl. Bonifatius war von den nordischen Völkern mit Argwohn aufgenommen worden, und sie planten, ihn zu ermorden und so der Christianisierung des Landes ein Ende zu machen. Die Nacht zum 5. Juni hatte der greise Erzbischof in Gebet und Betrachtung verbracht, um sich auf die bevorstehende Myronsalbung vorzubereiten. Da erklang plötzlich statt der zu erwartenen Hymnen und Loblieder wildes Geschrei, und statt der Neugetauften sah er eine Rotte blutgieriger Feinde nahen, welche aus dem heidnischen Teil Frieslands kamen und - teils aus Hass gegen das Christentum, teils aus Hoffnung, reiche Beute zu machen - auf den Lagerplatz der Missionare eindrangen. Bonifatius untersagte seinen Begleitern jeden Widerstand und ermunterte sie, dem Martyrium nicht zu entfliehen. Dann wurde er zusammen mit seinen 52 Begleitern von den Ungläubigen mit dem Schwert erschlagen. Leidensgefährten des hl. Bonifatius waren u.a. Bischof Coban, die Priester Wintrun, Walter und Adalariua, die Diakone Hamundus, Scirbaldus und Sosa, die Mönche Waccarus, Gundecarus, Elleherus und Hathevulfus, sein Diener Hiltebrandus, ein Bruder des Diakon Hamunt und 40 Laien.

Nach der Niedermetzelung drang die Rotte in die Zelte und nahm alles, was sie an Kleidungsstücken, Büchern, Reliquien und sonstigen Sachen vorfand, mit sich fort. Dann gingen die Räuber auf die Schiffe, in welchen die Nahrungsmittel aufbewahrt wurden, plünderten auch diese und berauschten sich an dem vorgefundenen Wein. In den mit Büchern bepackten Kisten aber glaubten sie reiche Schätze zu finden, und nun entspann sich über die Verteilung der Beute ein Streit, in dessen Folge die von Mord und Wein Erhitzten mit den noch vom Blut der Friedensboten dampfenden Waffen aufeinander losgingen und ein großer Teil der Rotte getötet wurde. Nachdem sich die Überlebenden über die Verteilung der Beute geeinigt hatten, aber in den Kisten, in denen sie noch immer materielle Reichtümer glaubten, nur Bücher entdeckten, gerieten sie vor Wut außer sich und warfen die Bücher teils achtlos zu Boden, teils suchten sie dieselben im Schilf, in den Sümpfen und in den Gräben zu verbergen. In der Folge wurde einiges davon wiedergefunden, unter anderem drei Bücher, die noch heute in Fulda in der Landesbibliothek aufbewahrt werden. Der erste Band ist eine Abschrift des Evangeliums, welches Bonifatius eigenhändig abgeschrieben haben soll, der zweite Band eine Evangelienharmonie, das älteste Manuskript und in ganz kleinem Folio gebunden; der dritte Band ist mit dem Blut des hl. Bonifatius besprengt und enthält Abhandlungen verschiedener hll. Väter, welche dem hl. Bonifatius wahrscheinlich als Kathechismus gedient haben. Eine Augenzeugin erzählte später, Bonifatius habe zum Schutz gegen den Schwertstreich ein Buch auf sein Haupt gelegt, welches sein Mörder durchgehauen habe.

Als die erwarteten Neugetauften endlich ankamen und Bonifatius mit gespaltenem Haupt und seine Begleiter um ihn herum in ihrem Blute liegen sahen, erhoben sie ein großes Wehgeschrei über diese Greueltat. Die Nachricht von der Ermordung des Bonifatius und seiner Begleiter ging wie ein Blitz durch Deutschland. Nach weniger als drei Tagen hatte sich eine zahlreiche Kriegsschar versammelt, welche eine Strafexpedition in die heidnischen Gebiete Frieslands durchführte. Ein Teil derjenigen, welche den christlichen Glauben nicht annehmen wollten, floh daraufhin in entferntere Gebiete, der andere Teil wurde in Gebiete mit christlicher Bevölkerung umgesiedelt, so dass Friesland von diesem Zeitpunkt an christlich war. Die Mörder des hl. Bonifatius aber sollen zum christlichen Glauben bekehrt worden sein.

Überführung und Bestattung

Sein Leib wurde mit dem Schiff über die Zuidersee nach Utrecht gebracht. Es wird überliefert, das die Utrechter, die den Leib des Heiligen gerne bei sich behalten hätten, diesen trotz aller Kraftanstrengung nicht von der Stelle bewegen konnten. Bischof Lullus von Mainz überführte mit einer Gesandtschaft den Leib des hl. Bonifatius nach Mainz, wo er am 4. Juli ankam. Auch die Mainzer erhoben Anspruch auf die Reliquien des hl. Erzbischofs, der ja ihr örtlicher geistlicher Hirte gewesen war, und erst nachdem der hl. Bonifatius einem Diakon namens Otpert erschienen war und den sich daran anschließenden ermahnenden Worten von Bischof Lullus wurde der Leib des hl. Bonifatius weiter über den Main stromaufwärts über Hochheim und Kolbach bei Frankfurt bis nach Fulda überführt, wo er am 9. Juli nach fünf Tagen ankam und gemäß dem letzten Willen des Heiligen von Bischof Lullus in der Klosterkirche beisetzt wurde. So wie in Dokkum am Ort seines Martyriums sogleich eine Kirche errichtet wurde, so erinnern Kapellen und Steinkreuze an die Raststätten des Leichenzugs des hl. Bonifatius. In Mainz wurde an seiner ehemaligen Kathedralkirche zu Ehren des hl. Apostels Johannes die St. Bonifatius-Kapelle angebaut, in welcher Bischof Lullus das mit Wasser vermischte Blut des Heiligen, mit dem der Leichnam gewaschen worden war, vergrub. Von einem der Erinnerungskreuze erhielt das im 17. Jahrhundert aufgegebene Dorf Crutzen bei Kolbach seinen Namen. Den Acker, auf dem das Kreuz und später eine Kirche errichtet wurden, hatte bald nach dem Tod des Heiligen ein gewisser Walprath von Nidda dem Kloster Fulda geschenkt. In der Schenkungsurkunde wir erwähnt, dass es jener Acker war, auf dem als Zeichen desen, dass hier der Leichnam eine Nacht geruht hatte, eine Quelle entsprang. Diese wurde später in Stein eingefasst und trägt heute den Namen Bonifatiusbrunnen. Ebensolche Bonifatiusquellen werden zu Windecken und bei Ilbeshausen im Vögelsberg genannt, mit der Bezeichnung Münchsborn. Die letzte Rast vor Fulda war die heutige Wallfahrtskapelle Kleinheiligkreuz. Zunächst wurde Bonifatius in einem Felsengrab beigesetzt, später dann mehrere Male umgebettet. Heute ruhen die Reste seiner Reliquien in der Krypta, wo sie im Spätmittelalter erneut beigesetzt wurden. Das Grab des Heiligen wurde zu allen Zeiten von Gott durch Gebetserhörungen verherrlicht.

Reliquien

Im deutschsprachigen Raum können in folgenden Kirchen Reliquien des Heiligen verehrt werden:

  • Dom zu Fulda (Deutschland)
  • Dom zu Mainz (Deutschland)
  • russisch-orthodoxe Kirchengemeinde zur "Kurskaja" Ikone (ROKA) in Hannover (Deutschland)

Gebete

Troparion (5.Ton)

O Heiliger Bonifatius, Hieromärtyrer und Apostelgleicher, frommer Spross Englands, Lob Deutschlands, Preis Frankreichs, Ruhm der Niederlande! Angetan mit Gewändern, durch dein Opferblut rot gefärbt, lege mit Kühnheit Fürsprache für uns ein vor dem Throne des Königs aller, dass Er alle Völker befriede und unsere Seelen heimsuche mit großer Barmherzigkeit.

Kondakion (6. Ton)

Möge das ganze Volk Britanniens froh sein, und mögen sich freuen jene Germaniens und Hollands! Denn durch Bonifatius ergoss der Herr die Gnade des Heils, und durch ihn brachte Er sie in Seinen himmlischen Schoß, auf dass sie mitten unter den Erstgeborenen frohlocken mögen. Darum lasset uns ihn lobpreisen, mit den Worten: Freue dich, Bonifatius, der du dein Blut um Christi, des Oberhirten, Willen vergossen hast!

Gebet zum heiligen Bonifatius

O heiliger Bonifatius, der du von Kindesbeinen an den Ruf Christi hörtest und darauf antwortetest, indem du dein Leben der Ausbreitung des Glaubens weihtest; du, der du willig das Exil wähltest und dafür lebtest, dass das Reich Gottes erkannt werde von allen Unwissenden, tritt für uns ein mit deinen heiligen Gebeten, auf dass der Herr in Seinem Erbarmen, trotz des geringen Maßes unserer Fähigkeiten, uns die Gnade gewähre, dir ähnlich zu werden. Er gebe uns deinen großen Mut und deinen Eifer, Beharrlichkeit und Hoffnung in Prüfungen und jene glückselige Gewissheit, die dich, ohne jemals in deinem ganzen Leben schwach zu werden, ins Reich der Allerheiligsten Dreieinigkeit führte. Amen.

Bibliographie

  • Orthodoxe Heiligenleben, Vorabdruck im Internet
  • Deanesly, M., The Pre-Conquest Church in England, London, 1961 und 1963
  • Duckett, E.S., Anglo-Saxon Saints and Scholars, New York, 1947. The Wandering Saints, London 1959
  • Godfrey, C.J., The Church in Anglo-Saxon England, Cambridge 1962
  • Greenaway, G.W., Saint Boniface, London 1955
  • Levison, W., England and the Continent in the Eighth Century, Oxford 1946
  • Reuter, T., The Greatest Englishman, Exeter 1980
  • Stenton, Sir Frank, Anglo-Saxon England, Oxford, mehrere Auflagen
  • Talbot, C.H., Herausg., The Anglo-Saxon Missionaries in Germany, London 1954 und 1981
  • Der Hl. Bonifatius, „Apostel der Deutschen“

(Neben sehr interessantem Material über die hll. Willibrord, Willibald, Lioba, Lebuin und Sturm, enthält diese Abhandlung die Vita sowie viele ins moderne Englisch übersetzte Briefe des hl. Bonifatius)