Martin von Tours
Gedächtnis: 12. Oktober (slaw.) und 11. November (ROKA) sowie 4. Juli (Übertragung der Gebeine)
Martin von Tours (Lateinisch Martinus, * um 316/317 in Szombathely|Sabaria, römische Provinz Pannonien, heute Szombathely, Ungarn; † 8. November 397 in Candes bei Tours in Frankreich) war der dritte Bischof von Tours. Er ist einer der bekanntesten Heiligen der Orthodoxen Kirche und ebenso in der katholischen Kirche.
Leben
Der hl. Martin wurde in der ersten Hälfte des 4. Jh. in der Stadt Sabaria in Pannonien geboren. (Pannonien war eine der bedeutenden an der Donau liegenden Provinzen des Römischen Reiches; heute gehört es zu Ungarn, und Sabaria ist jetzt die Stadt Szombathely, auf deutsch Steinamanger.) Sein Vater diente zuerst im Stand eines einfachen Soldaten, aber aufgrund seiner Leistungen wurde er zum Kriegstribunen (d.h. zum Befehlshaber einer bekannten besonderen Truppe des Heeres) erhoben und nahm einen hohen Rang ein. Seine Kindheit verbrachte Martin in Tizina (heute Pavia, eine bedeutende Stadt in Norditalien am Fluss Ticino kurz vor dessen Einmündung in den Po), wo sein Vater damals Dienst tun musste. Schon in ganz jungem Alter gefiel Martin Gott durch seine Sanftmut, seine Barmherzigkeit und seelische Reinheit – Zeichen seiner hohen Berufung.
In dieser Zeit verbreitete sich der christliche Glaube überall schnell und offen in den Grenzen des römischen Reiches, und Martin hörte, nachdem er die Bekanntschaft von Gläubigen gemacht hatte, von ihnen die Wahrheit über den christlichen Glauben und begann mit ganzer Seele zu ihr zu streben, indem er er die Wahrheit mit seinem reinen, unverdorbenen Herzen aufnahm. Brennend vor Liebe zu den Tugenden und dem heiligen Leben der Christen wurde das Kind im zehnten Lebensjahr gegen den Willen seiner Eltern Katechumene (d.h. einer, der sich auf die Taufe vorbereitet). Er studierte nicht die Wissenschaften, sondern war zufrieden mit der Lehre Christi allein. Die Unterrichtung im Christentum sollte die einzige Bildung sein, die er sich aneignete und wohinein er sich mit unermüdlichem Eifer vertiefte. Bereits mit zwölf Jahren war sein Vorbild die abgeschiedene Lebensweise der heiligen Antonius und Paulus und deren Schüler. Er hegte in sich das fromme Begehren, Einsiedler zu werden, um das abgeschiedene Leben des hl. Antonius nachzuahmen. Aber Gott entschied anders, damit seine Frömmigkeit noch vor der Erleuchtung im Bad der Taufe deutlicher offenbar würde.
Martins Vater war äußerst unzufrieden über die freundschaftlichen Beziehungen seines Sohnes mit Christen und über seine frommen Neigungen, da er, in Streben nach Ehre und Ruhm befangen, wünschte, aus diesem starken und tätigen Jungen einen hervorragenden Krieger zu machen, der seinen Namen auf den Schlachtfeldern verherrlichen würde. Als Martin 15 Jahre alt wurde, fasste sein Vater einen Entschluss, in Übereinstimmung mit einem kaiserlichen Erlass, nach dem die Söhne von Veteranen (bei den Römern die alten Soldaten vor der Versetzung in den Ruhestand, die von jeglicher Arbeit freigestellt und nur zu Verteidigung der Heimat vor äußeren Feinden in den regulären Dienst berufen wurden) in das Heer eintreten mussten: Er legte ihn in Ketten und nötigte ihn mit Gewalt, den Soldateneid abzulegen. Mit 15 Jahren wurde Martin also in die Reiterei aufgenommen und bekam bald einen Posten als Circuitor („Rundgänger“), bei welchem er die Wachen zu beaufsichtigen hatte. So wurde Martin als Sohn eines Tribunen und als stattlicher und starker Jüngling zum Reiteroffizier gemacht und erwarb sich großes Vertrauen von Seiten seiner Vorgesetzten.
Die neue prominente Stellung Martins veränderte nicht seine demütige und fromme Lebensweise. Von den Fehlern, in welche ein Soldat sich so leicht verstricken lässt, hielt er sich vollkommen frei. Seine Mittel hätten ihm ermöglicht, zwei oder mehr Diener bei sich zu haben. Er aber begnügte sich mit nur einem, den er sich nicht wie einen Knecht, sondern wie einen Freund und Bruder behandelte, und er diente ihm mehr, als er von ihm Dienste annahm. Im Essen und Trinken übte er stets Enthaltsamkeit, so dass er während aller Strapazen ein völlig asketisches Leben führte. Wegen seiner Demut war er bei allen seinen Kameraden beliebt. Seinen Mitdienern brachte er große Liebe entgegen und erweckte in ihnen nicht nur aufrichtige Zuneigung, sondern auch verwunderte Achtung seines streng wohlanständigen Lebens auch unter widrigsten Bedingungen. Selbst als er Soldat war, gab sich Martin ganz den Werken der christlichen Barmherzigkeit hin. Indem er von seinem Gehalt nur so viel behielt, wie für die Ernährung notwendig war, und sich selbst in allem einschränkte, half er mit den verbleibenden Mitteln weniger Glücklichen; bekleidete Nackte, ernährte Arme und tat andere Werke der Mildtätigkeit.
Im Jahre 351 machte er die Kriegszüge des Kaisers Konstantin gegen Magnentius mit und war noch beim Heer, als Kaiser Julian der Abtrünnige die Franken und Alemannen mit Krieg überzog, also etwa bis zum Jahre 355. Drei Jahre nach seinem Eintritt in den Kriegsdienst, als er in Gallien (das heutige Frankreich) stationiert war, begab es sich, dass er mit dem Heer im Winterquartier in Amiens (heute Hauptstadt des französischen Departements Somme am Ufer der Somme, 124 Kilometer nördlich von Paris) weilte. Der Winter war außergewöhnlich hart, und Martin, der sich immer durch Barmherzigkeit ausgezeichnet hatte, teilte in dieser Zeit umso freigiebiger sein Vermögen zur Ernährung und zum Unterhalt der Armen. Einmal, als er durch die Tore der Stadt zog, begegnete er einem halb entblößten Bettler, der von der grausamen Kälte fast ganz erstarrt war. Die Vorbeigehenden würdigten ihn keinerlei Aufmerksamkeit und ließen ihn ohne jede Hilfe, wahrscheinlich, weil auch sie selbst Not litten und nichts übrig hatten. Auch Martin konnte dem Elenden keinerlei Almosen geben, denn er hatte vorher all sein Geld weggegeben. Aber sein Herz zog sich vor Trauer und Mitleid zusammen beim Anblick dieses unglücklichen Elenden. Ohne zu zögern und in dem Wunsch, dem Unglücklichen rasche Hilfe zu erweisen, löste er seinen Soldatengürtel, nahm den Umhang und gab, nachdem er ihn in zwei Hälften zerteilt hatte, die eine Hälfte dem unter der Kälte Leidenden. Er selbst aber hüllte sich in die verbliebene Hälfte. Dieses Vorgehen sahen einige Vorübergehende und begannen beim Anblick seiner seltsamen Bekleidung über ihn zu lachen. Aber das Herz des barmherzigen Soldaten erfüllte sich mit Freude. Er geriet wegen der Lacher nicht in Verwirrung, da er des Wortes des Göttlichen Retters gedachte: „Ich war nackt und ihr bekleidetet mich… Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt. 25,36)
Und der Herr bestärkte Martins Glauben und tröstete ihn für seine große Barmherzigkeit mit einer himmlischen Vision. Nachts zur Schlafenszeit erblickte Martin den Herrn Jesus Christus, mit einem Teil eines Umhangs bekleidet, der ihm befahl zu schauen, ob nicht dies gerade die Hälfte war, die er dem Elenden am Tor abgegeben hatte. Martin stand in ehrfürchtigem Schweigen. Christus aber wandte sich von ihm zu der Schar der umstehenden Engel und sagte laut: „Martinus, obwohl noch Kathechumene, hat mich mit diesem Mantel bekleidet.“
Erfreut durch eine so wunderbare, tröstende Vision, erwachte der Jüngling. Darin erkannte er nicht nur eine Belohnung seiner Tat sondern auch die Aufforderung die hl. Taufe zu empfangen. An der Stelle wo der hl. Martin dem Bettler seinen halben Mantel geschenkt hatte, wurde später eine Kapelle errichtet. Der heute in ganz Europa gebräuchliche Name Kapelle kommt von Capella („kleiner Umhang“), der Bezeichnung der damals beim Heer getragenen Mantelart, wie sie der hl. Martin bei seiner Begegnung mit dem Bettler trug.
Hiernach schwankte Martin nicht länger und empfing unverzüglich die heilige Taufe, im Alter von 18 Jahren. Nach seiner Taufe drängte er noch eifriger danach, den Armeedienst zu verlassen, der seinen religiösen Neigungen ganz fremd war und nicht seinem sehnlichsten Wunsch nach einem abgeschiedenen, asketischen Leben entsprach. Dennoch musste er auf die unverzügliche Erfüllung seines Begehrens verzichten. Sein Tribun, der ein Christ war, wollte sich auf keinen Fall von ihm trennen. Als Martin ihm von seinem Vorhaben, den Heeresdienst zu verlassen und Mönch zu werden, in Kenntnis setzte, versprach der Tribun, wenn er noch bis zum Ende seiner Dienstzeit warte, dann würde auch er mit ihm gemeinsam aus dem Dienst gehen und die Welt verlassen. Martin sah sich genötigt, dem Wunsch des Tribunen nachzugeben, blieb noch für zwei Jahre im Heer und nahm an den schwierigen Feldzügen von Kaiser Konstantin dem Zweiten gegen die Alemannen teil. (Die Alemannen waren ein wilder Stamm der Germanen, der zwischen Donau, Main und Oberrhein lebte, an den Grenzprovinzen des Römischen Reiches, gegen die sie häufige verwüstende Überfälle unternahmen. Die Feldzüge Kaiser Konstantins des Zweiten gegen die Alemannen fanden in den Jahren 354/355 statt.)
Zur Zeit dieser Feldzüge, die zur Abwehr unzähliger Barbareneinfälle in die Grenzgebiete des Römischen Reiches unternommen wurden, übertrug der Kaiser die Militärführung über den Teil des Heeres, in dem auch Martin diente, seinem Vetter namens Julian, der Caesar genannt wurde. (Dieser war ein Helfer und Mitregent des Kaisers, der darauf rechnen konnte, mit der Zeit sein Nachfolger zu werden, und unter dem Namen Julian der Abtrünnige in die Geschichte eingegangen ist.)
Diese Abteilung des Heeres war nicht allzu groß, und Julian beschloss, zur Anspornung den Soldaten Geschenke aus der bei den Alemannen gemachten Beute zu machen. Um die Krieger angesichts der bevorstehenden Schlacht stärker zu motivieren, befahl er, jeden Krieger mit Namen aufzurufen, und er selbst verteilte die Geschenke an sie. Als Martin aufgerufen wurde, trat er vor und sprach furchtlos zu seinem Heerführer: „Oh Caesar! Bislang diente ich unter dir in der Reiterei, aber gestatte mir nun, in den Dienst für Gott zu treten. Dein Geschenk aber soll ein anderer bekommen, der deinen Dienst fortsetzen wird! Ich nämlich bin ein Krieger Christi und darf mich deswegen nicht länger für dich schlagen.“
„Du bist ein Feigling, Martin“, antwortete vorwurfsvoll der erzürnte Julian. „Morgen wird die Schlacht stattfinden. Und siehe, die Furcht vor der Schlacht und nicht die Gottesfurcht bewegt dich, den Dienst aufzugeben.“
Aber Martin fuhr furchtlos fort: „Wenn du meine Absage für Feigheit hältst und nicht für Treue, so stelle mich morgen allein ohne jegliche Bewaffnung an den gefährlichsten Platz der Schlacht. Dann wirst du sehen, dass ich ohne jede Waffe, allein mit dem Namen Christi und dem Zeichen seines heiligen Kreuzes, gegen die feindlichen Reihen antreten werde.“
„So soll es geschehen“, sagte Julian und befahl, Martin bis zum folgenden Tag unter Bewachung zu stellen.
Angesichts des vorzüglich vorbereiteten Heeres sandten die Alemannen am nächsten Tag Boten zu Friedensverhandlungen und dem Vorschlag ihrer vollständigen Unterwerfung. Es wurde Friede geschlossen. Danach wurde Martin von seinem Militäreid befreit und verließ unverzüglich das Heer. Er begab sich zu dem wegen der Heiligkeit seines Lebens und seiner christlich-orthodoxen Bildung berühmten Bischof der Stadt Poiters, Hilarius, um sich unter die geistige Führung dieses heiligen Mannes zu stellen. (Der hl. Hilarius, Bischof von Poitiers, war ein bedeutender Kirchenvater und Beschützer der Orthodoxie. In den gegenwärtigen Monatsbüchern (Minäen) der griechischen Kirche ist sein Name nicht enthalten, obwohl die Heiligkeit seines Lebens unbezweifelbar und durch Wunder bestätigt ist. Poitiers ist die Hauptstadt des französischen Departments Viennes, 340 km südwestlich von Paris). Hilarius empfing den Jüngling mit herzlicher Liebe, und nach einer kurzen Prüfung seines Charakters wollte er ihn zum Diakon weihen. Aber Martin lehnte dieses Amt aufgrund seiner tiefen Demut ab und war nur dazu bereit, das bescheidenere, wenn auch schwerere Amt eines Beschwörers anzunehmen. (Dies war ein besonderes Amt im Klerus der altchristlichen Kirche, das im Lesen besonderer Gebete für von bösen Geistern Gefangengenommene, Besessene, an der Fallsucht Leidende und ähnlichen Kranke bestand. In der heutigen Kirche gibt es kein solches gesondertes Amt mehr.)
Nachdem er einige Zeit in seinem neuen Amt zugebracht hatte, begann sich Martin über den Gedanken zu beunruhigen, dass seine Eltern noch Heiden waren, und in der Folge einer nächtlichen Erscheinung brach er kurze Zeit später in seine Heimat auf, um sie zu Christum zu bekehren.
Auf der Reise musste er die Alpen überqueren, in unwegsamen Bergeinöden umherirren und sich Gefahren durch Räuber aussetzen. Einmal fiel er in ihre Hand. Einer der Räuber erhob sein Schwert, um Martin den Kopf abzuschlagen, aber sein Gefährte, dem es um den Jüngling leid tat, bot Einhalt. Martin wurde gefesselt und dem Räuber, der ihn gerettet hatte, zur Bewachung übergeben. „Was bist du für einer?“, fragte der Räuber. „Ich bin Christ“ antwortete bescheiden der Jüngling. Der Räuber fragte weiter, ob er sich denn nicht fürchte. “Keineswegs.” antwortete der hl. Martin, “denn ich weiß, dass uns Gottes Barmherzigkeit ganz besonders in Gefahren und Nöten beisteht.” Im folgenden schilderte der Heilige dem Räuber die Liebe Christi, und brachte den Räuber darüber zur Rührung, so dass er sich den heiligen Gebeten des Martin empfahl und ihn freiließ. Durch die Gebete des hl. Martin bekehrte sich der Räuber schließlich gänzlich von seinem bisherigen Räuberleben und wurde später Mönch im gallischen Kloster des hl. Martin. Als solcher erzählte er später dem Verfasser der Lebensgeschichte des hl. Martin was mit ihm vorgegangen war.
Als er unter vielen Prüfungen und Schwierigkeiten seinen Weg fortgesetzt schließlich Italien erreicht hatte, begegnete Martin ein äußerst abstoßend und schrecklich anzusehender Mensch, der ihn mit einer Fülle neugieriger Fragen überfiel und vor allem wissen wollte, wohin dieser ginge. „Ich will dorthin gehen, wohin der Herr mich ruft“, antwortete der hl. Martin. „Gut“, sprach sein Gegenüber im Zorn, „aber denke daran, dass – wohin du auch gehst und was du auch unternimmst – ich immer dein Widersacher sein werde.“
Diese Begegnung und dieses Gespräch machte einen tiefen Eindruck auf Martin; dennoch erschrak er nicht, sondern bemerkte nur sanft und mit der festen Hoffnung auf die allgütige Fügung Gottes: „Der Herr ist mit mir; ich fürchte nichts, was mir Menschen antun könnten.“
Bei diesen Worten verschwand der Gesprächspartner augenblicklich. Da wurde dem hl. Martin klar, dass dies der alte Feind des Menschen – der Teufel – gewesen sein musste, der menschliche Gestalt angenommen hatte.
Als der hl. Martin das elterliche Haus erreicht hatte, verhielt sich sein Vater überaus unfreundlich und vom Wort Gottes ungerührt. Seine Mutter jedoch wurde von ihm überzeugt und so mit dem Licht des Evangeliums erleuchtet, ebenso wie viele andere Einwohner seiner Heimatstadt. Aber der Erfolg der Evangeliumspredigt des Heiligen in Sabaria war nicht anhaltend. In jener Zeit breitete sich aufgrund des Schutzes, den der ruchlose Kaiser Konstantin den Arianern bot, deren Häresie in ganz Pannonien aus. Martin trat gegen diese bösartige Lehre an, wurde deswegen verhaftet und nach körperlicher Züchtigung aus der Stadt vertrieben.
Er begab sich nach Italien, ließ sich in Mailand nieder und baute sich dort eine Einsiederzelle, aber auch von dort wurde er nach vielfältigen Verfolgungen und Kränkungen durch den arianischen Bischof Auxentius vertrieben. Daraufhin beschloss der Heilige, auf der einsamen, felsigen Insel Gallinara Einsiedler zu werden (Gallinara ist eine Insel in der Nähe der ligurischen Küste in Oberitalien). Hier erkrankte er durch den Genuß von Nieswurz an einer tötlichen Krankheit, von der er nach anhaltendem Gebet um Gottes Hilfe geheilt wurde.
Von dort übersiedelte er später auf die Insel Capraia (eine kleine Insel im selben Meer, die vollkommen menschenleer war, da voll von giftigen Schlangen. Dort lebte er im Podwig des Gottdenkens und Gebetes mit nur einem Gefährten. Sie nährten sich allein von wildwachsenden Pflanzen. Gottes Vorsehung bewahrte den hl. Gotteskämpfer, und er erlitt durch die Schlangen keinerlei Schaden.
Als er hörte, dass sein Lehrer Hilarius, der von den Arianern aus Poiters vertrieben worden war, die Erlaubnis erhalten hatte, dorthin zurückzukehren, begab er sich zu ihm, und sie umarmen sich nach fünfjähriger Trennung voller Freude. Hilarius versuchte wieder, ihn zur Annahme des Priester- oder zumindest Diakonamtes zu überreden. Martin weigerte sich aber hartnäckig in dem Wunsch, bis ans Ende seiner Tage ein einfacher Mönch zu bleiben. Hilarius gestattete ihm, eine mönchische Gemeinschaft zu gründen, und wies ihm dafür einen Ort unweit von Poitiers im Dorf Ligugé zu. (Das Kloster des hl. Martin lag acht Kilometer von Poitiers entfernt. Es war das erste regelgerecht errichtete Kloster im Westen, und Martin ist somit der erste Klostergründer im Westen.)
Um den frommen Jüngling versammelten sich schnell Freunde und Schüler, um von ihm über das vollkommene mönchische Leben zu lernen. Martin nahm alle mit Liebe auf und diente allen als das beste Vorbild im asketischen gottgefälligen Leben. Obwohl er fast keine Ausbildung erhalten hatte, wurde er durch Gotteserkenntnis und durch die Übung im tugendsamen asketischen Mönchsleben weise, und so ermahnte und leitete er, kraft der ihm innewohnenden Gnade Christi, auch viel gebildete und hoch erleuchtete Personen, von denen einige unter seinem Einfluss der eitlen Welt entsagten und sich selbst ganz dem Gottesdienst und den asketischen Mühen der Einöde weihten, auf dem Weg des christlichen Lebens. In kurzer Zeit blühte das Kloster des hl. Martin auf und wurde bekannt als das erste Kloster in Gallien und als berühmte Keimstätte des Mönchtums in jenem Land.
Zu jener Zeit erkrankte einer der Katechumenen, der zum Erwerb seelennützlicher Weisungen im hl. Glauben und frommem Leben ins Kloster des hl. Martin eingetreten, aber noch nicht zum Empfang der Taufe gelangt war, plötzlich an Fieber und starb. Der Heilige war zu dieser Zeit nicht im Kloster. Zurückgekehrt fand er nur den leblosen Körper des Katechumenen, umgeben von der weinenden Bruderschaft. Der Heilige schickte alle aus dem Kloster, wandte sich zum Gebet und rief nach zwei Stunden durch die Gnade Christi den Gestorbenen zum Leben zurück. Ins Leben zurückgekehrt empfing dieser unverzüglich die heilige Taufe und lebte danach noch lange Zeit Gott wohlgefällig. Er erzählte später, dass er, als seine Seele sich vom Körper trennte, vor einen gewissen drohenden Richter gestellt worden war, der gegen ihn den Schuldspruch verhängte. Aber zwei Engel sagten dem Richter, dass er derjenige sei, für den der hl. Martin bete. Hiernach befahl der Richter, ihn zu Martin zurückkehren zu lassen.
Von dieser Zeit an verbreitete sich der Ruhm des hl. Martin wie der eines wunderbaren, mit Kraft aus der Höhe bekleideten Apostels. Er zog eine vielköpfige Schar von Schülern aus verschiedensten Ständen und Verhältnissen an, die er durch das Beispiel seines tugendhaften und streng asketischen Lebens beeinflusste. Aber der hl. Martin wirkte auch durch seine Lehre auf sie. Er sah selbst klar die Wahrheit Christi und war fest von ihr überzeugt. Und mit dieser Klarheit, Lebendigkeit, Schlichtheit und Überzeugung vermochte er sie die christliche Wahrheit Gläubigen und Ungläubigen mitzuteilen und zu erklären.
Sein Biograf der römische Rhetor Suplicius Severus,der dem hl. Martin hier das erste mal begegnete berichtet, dass er aus keines Menschen Mund je so viel Wissen, so viel Talent und eine so gute und reine Sprache vernommen hätte, wie vom hl. Martin. Und dies ohne dass derselbe eine höhere Schule besucht hatte. Mit Geist und Seele war der Heilige immer dem Himmel zugewandt. Jeden Augenblick füllte er mit gottesfürchtigen Werken. Das unablässige Gebet verließ ihn nie mochte er nun äußerlich oder innerlich beschäftigt sein. Sein Antlitz schimmerte von einem himmlischen Freudenglanz, so dass er wie nicht von dieser Welt anzusehen war. Von leidenschaftlicher Erregbarkeit, Lust oder Trauer war er frei. Wer ihn nur sah erkannte gleich, dass er jetzt schon im Geiste im himmlischen Paradies wandelte. Seine Lehrweise war sehr anziehend. Am liebsten redete er in Gleichnissen und Bildern; die bei den Zuhörern starken Eindruck hervorriefen. Was er sah und hörte verwandelte er alsbald in einprägsame Beispiele seelenrettender Wahrheiten. Beim Anblick eines frisch geschorenen Schafes sprach er einmal zu einem Schüler: “Seht da ein Schäflein, welches das Gebot des Evangeliums erfüllt hat. “Zwei Röcke hatte es: da schenkte es seines dem, der keines besaß. So sollt auch ihr tun!” Als er bei rauem Wetter einen Schweinehirten auf dem Felde erblickte, der nur einen kleinen Teil seines Körpers mit einem Tierfell bedeckt trug, und vor Frost zitterte, rief er aus: “Seht da den Adam, wie er aus dem Paradies verstoßen mit der Tierhaut die Schweine hütet; wir aber wollen den alten Adam, der sich in diesem so anschaulich zeigt, ausziehen und den Neuen anlegen.“ Ein anderes Mal durchzogen sie eine große Wiese; ein Teil derselben war abgeweidet, ein Teil durch Schweine aufgewühlt, der übrige Teil prangte in reichem Blumenflor. Der hl. Martin wandte sich zu den Seinen und sprach: “Der abgeweidete Teil der Wiese gibt uns ein Bild des Ehestandes: in ihm findet sich noch die Schönheit der grünenden Halme, aber keine Blumenzier, der von den Schweinen durchfurchte Teil zeigt und das hässliche Bild des unzüchtigen Lebens, der übrige Teil, welcher keinerlei Art von Verletzung erfahren, veranschaulicht uns die Anmut der Jungfräulichkeit.” Das Wort des hl. Martin war immer einfach, kurz und klar, ohne weitere Beweisführung.
Als der Erbfeind des Menschengeschlechtes die großen christlichen Werke des hl. Martin sah und sein heiliges, Gott gefälliges Leben nicht ertragen konnte, begann der Teufel gegen ihn einen bösartigen Kampf, in dem er ihn auf jegliche Weise versuchte. Aber obwohl der Heilige ständig von Dämonen und ihrem Fürsten umgeben war, zeigte er dennoch niemals auch nur die geringste Furcht vor ihnen. Er rief sogar den Teufel offen zum Kampf heraus: „Wenn du Anteil an mir hast, dann beweise es durch die Tat“, sagte er. [2. Kor. 11,14] Und kein Wunder, denn der Satan selbst nimmt die Gestalt eines Engels des Lichts an.
Da versuchte der Satan, den Heiligen zu betrügen und zu täuschen, indem er das Aussehen eines lichten Engels annahm, denn manchmal, wie der Apostel spricht, „nimmt der Satan selbst die Gestalt eines Engels des Lichts an“ (2 Kor. 11,14). Eines Tages erschien er Martin zur Zeit des Gebetes, angeführt und umgeben von purpurnem Licht, gekleidet in königliches Gewand, geschmückt mit einer Krone aus Juwelen und Gold, in mit Gold bedeckten Sandalen und einem fröhlichen und freudigen Antlitz. Beim Anblick dieser ungewöhnlichen, wunderbaren Erscheinung geriet Martin zuerst in große Verwirrung, und beide bewahrten lange Schweigen. Schließlich sagte der Teufel: „Erkennst Du, Martin, wen du nun siehst? Ich bin Christus. Bevor ich zu meiner zweiten Wiederkunft erscheine, wollte ich es dir eröffnen.“ Der Heilige zögerte und gab keinerlei Antwort. „Warum zweifelst du, an die Erscheinung zu glauben?“, fragte der Böse. „Ich bin Christus.“ Da erkannte Martin durch die Eingebung des Heiligen Geistes, dass dies der Teufel war, und sagte: „Mein Herr Jesus Christus versprach nicht, dass er in Purpur und mit glänzender Krone erscheinen werde. Ich will nicht glauben, dass ich die Wiederkehr Christi sehe, solange Er nicht in der selben Gestalt kommt, in welcher Er litt und vor allem nicht sichtbar die Wunden zeigt, die Er am Kreuz erduldete.“
Daraufhin verschwand der Teufel wie Rauch und erfüllte die Zelle mit solch einen schrecklichen Gestank, dass keinerlei Zweifel blieb, dass er der Teufel gewesen war.
Aber zusammen mit diesen trügerischen Erscheinungen wurden dem Heiligen auch tröstende und gnadenhafte Erscheinungen der Engel und der Heiligen Gottes aus der jenseitigen Welt zuteil. So erschienen ihm nicht nur einmal die hll. Apostel Petrus und Paulus und trösteten ihn mit erleuchtetem Gespräch. Die Gnade Gottes ruhte sichtbar auf dem hl. Martin und zeigte ihre Anwesenheit sichtbar vor Augen aller seiner Schüler, besonders bei seinem ergreifenden Vollzug der Gottesdienste und wenn er das Volk segnete. So sahen sie einmal, dass, als er seine rechte Hand zum Segen hob, von ihr ein gewissen ungewöhnlicher Glanz ausging. Zu einer anderen Zeit sahen sie, wie um seine Stirn herum ein Leuchten erschien.
„Eine Stadt, die auf dem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben. Auch zündet man nicht ein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter, dann leuchtet es allen, die im Hause sind.“ (Mt. 5,15) So wurde es auch für den hl. Martin deutlich, dass Gott ihn nicht lediglich zu stillen Werken der Askese in der Abgeschiedenheit und Ruhe der klösterlichen Zelle vorherbestimmt hatte, sondern dazu, ihn hoch auf den Leuchter der Kirche zu stellen, damit er mit seinen Gnadengaben, seinen guten Werken und durch sein heiliges Leben die Gläubigen erleuchte als ein Hirte der vielköpfigen Herde Christi. Sein großer und noch wachsender Ruhm machte es unzweifelhaft, dass früher oder später das Volk irgendeiner Kirche sich mit dem Ruf zum Bischofsamt an ihn wenden würde. Um das Jahr 371, als der Bischofsstuhl (Kathedra) in der Stadt Tours (Stadt in Gallien am linken Ufer der Loire, 238 Kilometer südwestlich von Paris) frei wurde, begehrte das Volk, den hl. Martin als ihren Bischof zu bekommen. Aber zugleich wussten alle um die tiefe Demut Martins, die ihn früher dazu bewegt hatte, nachdrücklich die Annahme des Priesteramtes oder auch nur des Diakonamtes abzulehnen.
Da beschlossen sie, eine List und Gewalt anzuwenden. Ein Bürger mit Namen Ruricius ging zum Heiligen in sein Kloster, und ihm zu Füßen fallend bat er Martin zu kommen, um für seine kranke Frau zu beten. Der Heilige ging. Dort aber umringte ihn eine vielköpfige Menge, brachte ihn mit Gewalt nach Tours, wo man ihn mit Jubel empfing. Ohne ihn weiter zu fragen, wurde er zum Bischof geweiht. Einige Bischöfe waren gegen seine Weihe. Sie sagten, er habe ein hässliches Äußeres, trage stets schlechte Kleidung und wasche sich nie: ein solcher Mann könne nicht Bischof werden. Auch nach seiner Weihe blieben diese Bischofe Martins Gegner.
Auch als Bischof bewahrte der Heilige seine Demut, Einfachheit der Kleidung und Gehorsam gegen die Regel seines Klosters. Er begnügte sich mit einfacher Kleidung und der allerkärglichsten Speise. Den größten Teil der Zeit widmete er der mönchischen Askese, während er sich vor der Welt zurückzog und dem Schweigen zustrebte. Anfänglich bezog er eine Zelle neben der Kirche des hl. Bischofs Liborius, später zog er in eine Einsiedelei zwei Stunden von der Stadt entfernt. Für sein asketisches Tun suchte er sich einen wilden abgeschiedenen Ort aus, der von der einen Seite durch Felsen und von der anderen Seite durch den Fluss Loire verborgen war. Er war nur über einen Pfad zugänglich. Hier baute sich Martin eine hölzerne Zelle. Auch die anderen Eiferer der Frömmigkeit, die das Leben in einer Einsiedelei suchten, begannen, sich in der Nähe von ihm anzusiedeln. Die einen bauten sich ebensolche Hütten, andere gruben sich Höhlen in den Felsen des Berges. Auf diese Weise versammelten sich um Martin bis zu 80 Brüder, die mit der größten Strenge Gott durch Fasten und Gebet ununterbrochen dienten, und es bildete sich eine neue mönchische Gemeinschaft.
Ihre einzige Mahlzeit nahmen sie am späten Nachmittag zu sich. Weingenuss war nur für Kranke üblich. Die Kleidung war dürftig, viele trugen Kleider aus Kamelhaaren. Jede Art von Gewerbe war verboten, ebenso das Kaufen und Verkaufen. Die erfahrenen Mönche sollten auch keine Handarbeit erledigen, sondern nur dem Gebet und der Betrachtung hingegeben leben. Die jüngeren Mönche beschäftigten sich mit dem Abschreiben von Büchern. Aus dem Kreis seiner achtzig Schüler wurden später viele Bischöfe. Aus dieser Wüsteneinsiedelei entwickelte sich später ein Kloster zur Ehre des hl. Martin. Das Volk hieß den Ort majus monasterium („Das große Kloster“), später Marmoutier. (Das Kloster Marmoutier erlangte in der Folge weiten Ruhm und hatte eine große Bedeutung in der Geschichte des Mönchtums, nicht nur in Gallien, sondern auch im ganzen Westen).
Die Mönche dieses Klosters nahmen die Regel (mönchische Ordnung) Martins an, übten sich in der Askese des Fastens und des Gebetes unter seiner erfahrenen Führung und profitierten von seinen nützlichen und gleichzeitig allgemeinverständlichen, einfachen Ermahnungen und dem Beispiel seines eigenen, hoch-asketischen Lebens. Die Brüder hatten kein Eigentum. Alles besaßen sie gemeinsam. Es war nicht erlaubt, irgendetwas zu kaufen oder zu verkaufen, und als Handarbeit wurde nur jungen Mönchen das Abschreiben der Handschriften von Göttlichen und nützlichen Büchern eingeräumt. Die Älteren übten sich ausschließlich im Gebet. Aus den Zellen traten sie selten heraus, außer zum gemeinsamen Dienst. Wein kostete niemand außer den Kranken. Ihre Speise, die sie nur einmal am Tag zu sich nahmen, bestand nur aus Brot, Gemüse und Öl. Ihre Kleidung war aus grobem Kamelhaar, obwohl viele der Mönche vornehmer Herkunft waren. Die Brüder lebten in bedingungslosem Gehorsam und überwiegend im Schweigen. Aus diesem Kloster gingen nicht wenige Bischöfe hervor, die sich viel um die Verbreitung der christlichen Erleuchtung unter den Heiden mühten.
In jener Zeit war die Verehrung der jüngsten Märtyrer sehr groß. Aber nicht immer war ein als Märtyrergrab verehrter Ort tatsächlich die Begräbnisstätte eines Märtyrers. In einem Fall mehrten sich beim hl. Bischof Martin die Zweifel über die Echtheit eines angeblichen Märtyrergrabes, welches vom Volk verehrt wurde. Als er auch nach intensiven Nachforschungen keine Anhaltspunkte für einen Märtyrer erhalten konnte, beschwor er an dem Altar des angeblichen Märtyrers, nach vorrausgegangenem anhaltenden Gebet, den als Märtyrer verehrten, er möge offenbaren wer er sei. Da sah er von der linken Seite des Altars einen dunklen Schatten aufsteigen, und vernahm, dass kein Märtyrer sondern ein Missetäter hier begraben liegt. Darauf ließ der hl. Martin den Altar unverzüglich beseitigen. Dagegen brachte er aus Mailand Reliquien der hll. Gervasius und Protasius nach Tours. Außerdem erhob er die Gebeine seines Vorgängers des hl. Gatianus, dessen Gedächtnis am 20. Dezember begangen wird und überführte sie in die Kirche des hl. Bischofs Liborius. Reliquien der hl. Thebäermärtyrer erwarb der hl. Martin in Agaunum. Der hl. Bischof Martin gilt auch als Stifter der Kirchen in Seissel (Condale) in der Gegend von Rennes, Seuiiy (Sulleinum, Solonacum), Amboise (Ambasia) u. a.
Der heilige Martin selbst mühte sich mit Eifer um die Bekehrung der Heiden und schlug den Götzendienst im größten Teil Galliens nieder. In diesem apostolischen Dienst zeigt er sich als ein tapferer, unerschrockener und selbstloser Prediger der Wahrheit Christi. Zu diesem Zweck verließ Martin nicht selten sein geliebtes Kloster und durchwanderte die umliegenden Gebiete. Er vernichtete Götzentempel, riss geweihte Bäume der Götzenanbeter aus, baute Kirchen und unterwies die Heiden im christlichen Glauben. Die evangelische Predigt Martins hatte dadurch besonderen Erfolg, da sie oft begleitet wurde von Zeichen und Wundern, die der Heilige durch die Kraft Christi vor den Augen aller Ungläubigen vollbrachte. Der erste Ort der Bekehrung von Heiden war die Stadt Amboise, 22 Kilometer von Tours entfernt. Nachdem er dort durch seine Predigt eine Kirche gegründet hatte, vertraute er deren Führung und Pflege einigen seiner Schüler an. Aber das Heidentum war dort noch stark, und den Christen drohte eine große Gefahr von Seiten der Ungläubigen. Denn es stand dort noch ein Tempel mit einem großen Götzen, der vom Volk verehrt wurde. Die Schüler des hl. Martin konnten sich nicht entschließen, diesen Hort der Götzenanbetung zu zerstören, ungeachtet der Weisung des Heiligen. Martin selbst kam wiederum nach Amboise, aber stellte fest. dass es tatsächlich schwer war, diesen Tempel zu zerstören. Da verbrachte er, nachdem er sich einen abgeschieden Ort ausgesucht hatte, die ganze Nacht in flammendem Gebet zu Gott. Und der Herr erhörte dieses Gebet seines Heiligen. Am Morgen erhob sich ein furchtbarer Orkan, der den Heidentempel bis zu den Grundfesten zerstörte und den darin befindlichen Götzen zerschlug.
Als der hl. Martin mit dem Wort der Frohen Botschaft das Gebiet der Aedui (liegt südöstlich von Paris zwischen den Flüssen Loire und Saone) durchzog, gelangte er in die Stadt Augustodunum (die Hauptstadt der Aedui, heute Autun im Département Saône-et-Loire) und blieb dort, um am Grab des hl. Märtyrers Symphorian zu beten und dem Bischof Simplicius bei der Austreibung des Heidentums zu helfen. Nahe der Kapelle, in der die Gebeine des hl. Symphorian (der Märtyrer Symphorian, der von der römischen Kirche verehrt wird; geboren 178 unter Kaiser Marc Aurel) erhob sich ein heidnischer Tempel zu Ehren des Saron (sagenhafter König Galliens, den die Aedui als Gott und Beschützer ehrten). Dort wohnten die von den Heiden am höchsten geachtetsten Zauberer – die Druiden des Saron (die Druiden waren der höchste Stand der Zauberer, die seit unerdenklichen Zeiten in Gallien herrschten und unter den Galliern ungeheuere Achtung und großen Einfluss besaßen). Ohne Furcht betrat der hl. Martin diesen heidnischen Tempel und riss die Statue und den Altar des Saron nieder. Da stürzte sich die Menge der hierüber ergrimmten, bewaffneten Heiden auf ihn. Ein besonders Kühner hatte schon über ihm ein Schwert emporgehoben, aber eine unsichtbare Kraft warf ihn vor die Füße des heiligen Bischofs, und voller Furcht begann der Heide demütig mit Tränen, den Heiligen um Vergebung und Erbarmen zu bitten. Angesichts dieses Wunders fassten auch alle anderen dort anwesenden Heiden den Glauben an Christus, und der heidnische Götzentempel wurde in ein Heiligtum des wahren Gottes verwandelt.
Ein nicht weniger eindrückliches Wunder ereignete sich auf das Gebet des Heiligen hin im Dorf Leprosum (heute Levroux, kleine Stadt ca. 250 km südlich von Paris). Von apostolischem Eifer bewegt wollte er hier ebenso einen von den Heiden überaus verehrten Tempel zerstören. Aber die Bewohner vertrieben ihn. Daraufhin entfernte er sich an einen dem Dorf am nächsten gelegenen, ungefährdeten Ort und verbrachte drei Tage und Nächte in Fasten und Gebet, indem er Gott um die Vernichtung des Götzentempels bat. In Antwort auf sein heißes Gebet erschienen ihm zwei lichte Engel, gleichsam wie bewaffnet, und erklärten ihm, dass sie ihm von Gott zur Hilfe gegen die Heiden gesandt seien. Daraufhin eilte Martin unverzüglich zurück in das Dorf und verwandelte durch die Gnade Christi in wunderbarer Weise die Altäre und Idole vor den Augen des Volkes, das durch eine unsichtbare göttliche Kraft gebannt war, zu Staub. Ein solches Wunder und die wunderbare Zerstörung des Tempels sehend erkannten die Bewohner dieses Dorfes die Nichtigkeit ihrer Götzen und bekehrten sich zu Christus.
Einmal zog der hl. Martin mit einigen seiner Schüler auf dem Weg zur Stadt Autricum (jetzt Chartres, eine Stadt ca. 85 Kilometer südwestlich von Paris) vorbei an einem viel bevölkerten Dorf. Um ihnen zu begegnen, kam eine gewaltige Volksmenge heraus, die ganz aus Heiden bestand, denn niemand in dieser Gegend kannte Christus und hatte die Wahrheiten des christlichen Glaubens gehört. So groß war der Ruhm dieses heiligen Mannes, dass er eine solche Menge selbst heidnischen Volkes anzog, die auf eine weite Fläche den Boden bedeckte. Martin sah, dass es angemessen war zu handeln und diese Gelegenheit zur Bekehrung von Ungläubigen zu Christum zu nützen. Und siehe, nach einer Eingebung des Heiligen Geiste begann er laut seine flammende Predigt, indem er den Heiden das Wort Gottes verkündete und oft aus der Tiefe der Seele seufzte, dass eine solche Menge Volkes nichts vom Herrn, dem Erlöser wusste. In jener Zeit brachte ein Frau, deren Sohn kurz zuvor gestorben war, dessen leblosen Körper, und nachdem sie ihn zu Füßen des hl. Bischofs gelegt hatte, streckte sie die Hände aus und sprach: „Wir wissen, dass du ein Freund Gottes bist. Bringe mir meinen Sohn wieder zurück, denn er ist mein Einziger.“ Die Volksmenge versammelte sich um die unglückliche Mutter und bestärkte schreiend ihre Bitten. Der hl. Martin nahm den Leib des Verstorbenen in seine Hände. beugte die Knie zusammen mit all dem Volk, und nachdem er ein Gebet vollzogen hatte, stand er auf und gab das Kind der Mutter wieder lebendig zurück. Bei diesem Anblick begannen alle, einmütig Christus als Gott zu bekennen, und sich zu den Füßen des Heiligen niederwerfend baten sie, dass er sie zu Christen mache. Der hl. Bischof säumte nicht, und indem er die Hand auf sie legte, verkündete er ihnen gleich an diesem Orte das Wort der Wahrheit. Die Nachricht von diesem Wunder ging schnell durch das ganze Land. (In Andenken an dieses Wunder wurde in Chartres später eine Kirche zu Ehren des „hl. Martin dem Barmherzigen, der das Leben gibt“ errichtet.) Mit solchem Erfolg verbreitete der hl. Martin das Licht des Evangeliums auch in anderen Gebieten Galliens.
Einmal lud ein Laie mit dem Namen Euanthis, der an einer grausamen Krankheit litt und schon dem Tod nahe war, Martin zu sich ein. Der Heilige begab sich unverzüglich zu ihm. Aber er war noch nicht den halben Weg gegangen, als der Kranke, der die Kraft des Kommenden gespürt und plötzlich Heilung empfangen hatte, selbst dem hl. Martin und den ihn begleitenden Schülern entgegenging. Am anderen Tag wollte Martin sich auf den Weg zurück machen, blieb aber noch auf Bitte des Geheilten. Währenddessen war ein Kind aus der Familie des Euanthis von einer Schlange tödlich gebissen worden. Euanthis trug das sterbende Kind auf seinen Schultern zu den Füßen des heiligen Mannes, überzeugt von dessen großer wunderwirkenden Kraft und davon, dass für ihn nichts unmöglich sei. Das Schlangengift hatte sich bereits in alle Glieder des Kindes verteilt, die Adern traten hervor und waren geschwollen wie Schläuche. Martin streckte die Hand aus, führte sie über alle Glieder des Kindes und presste einen Finger neben die Wunde selbst, die durch den tödlichen Biss der Schlange verursacht worden war. Und dann sahen alle Anwesenden mit Erstaunen, wie das Gift begann, aus dem ganzen Körper hin zum Finger Martins zu strömen und zusammen mit Blut aus der offenen Wunde auszutreten. Danach stand das Kind vollkommen gesund auf, und alle Zeugen dieses Wunders priesen Gott, der in seinen Heiligen Wunder wirkt.
Ein nicht weniger erstaunliches Wunder vollbrachte der hl. Martin in der Stadt Trier an einem stummen Mädchen. Ein zwölfjähriges von Geburt an stummes Mädchen wurde zu Martin hingebracht. Sein Vater flehte darum, dass der Heilige durch sein Gebet ihre Zunge löse. Der Heilige stellte dieses den bei ihm weilenden Bischöfen Valentin und Victricius anheim, indem er versicherte, dass dies nicht seinen Kräften entspräche und dass für sie, als in den Tugenden Vollkommenere, alles möglich sei. Diese aber schlossen sich den Bitten des unglücklichen Vaters an und überredeten Martin, das von ihm Erwartete zu tun. Da befahl Martin dem umherstehenden Volk, sich zu entfernen, und nur im Beisein der Bischöfe und des Vaters beugte er sich zu einem inbrünstigen Gebet, dann segnete er ein wenig Öl und goss es in den Mund des Kindes, während er dessen Zunge mit seinen Fingern hielt. Und ein staunenswertes Wunder rechtfertigte den Glauben des Heiligen, denn als der hl. Bischof das Mädchen nach dem Namen ihres Vaters fragte, antwortete sie ihm vernehmlich, und der Vater, der die Knie des hl. Bischofs umfasst hatte, rief mit Freude und Tränen und bezeugte vor allen Versammelten, dass dies das erste Wort seiner Tochter gewesen sei.
Einmal begegnete Martin, der von einer Menge Volks begleitet wurde, auf dem Weg nach Paris einem jammervoll aussehenden Aussätzigen, vor dem alle zurückscheuten. Aber der Heilige, der sich seiner erbarmte, küsste und segnete ihn, und so wurde der Leidende plötzlich rein vom Aussatz und kam am nächsten Tag in die Kirche, um Dank für seine Heilung darzubringen.
Ein wohl angesehener staatlicher Beamter namens Paulinus, der späterhin durch sein heiliges Leben berühmt wurde, begann grausam an einer Augenkrankheit zu leiden, und schon bedeckte finsteres Dunkel seine Pupillen; aber der hl. Martin berührte sein Auge mit einem kleinen Lappen, und die Krankheit verschwand sogleich. Paulinus war zu jener Zeit noch ein Heide. In der Folge nahm er die hl. Taufe an und wurde Bischof von Nola. (Später erhielt er den Beinamen „der Barmherzige“ und wurde von der Kirche der Schar der Heiligen zugezählt. Sein Gedächtnis wird am 23. Januar vollzogen).
Die asketischen Werke der Barmherzigkeit und der christlichen Liebe zu den Unglücklichen und Armen waren beim hl. Matin ohne Zahl, und dafür erwarb er auch den Beinamen „der Barmherzige“. Einmal begegnete er in den Wintermonaten auf dem Weg zur Kirche einen halbnackten Armen, der um Kleider bat. Der Heilige rief einen Erzdiakon und befahl ihm, den Frierenden zu bekleiden: dann ging er in die Sakristei und saß dort wie gewöhnlich allein; aber da der Diakon dem Armen keine Kleider gegeben hatte, drang dieser zu dem seligen Mann und begann über den Klerus und die Kälte zu klagen. Der Heilige, der heimlich die eigene unter den äußeren Kleidern getragene Tunika ausgezogen hatte, befahl dem Armen, diese anzuziehen und hinauszugehen. Nachdem einige Zeit verstrichen war, kam der Diakon herein und berichtete dem heiligen Bischof, dass es Zeit sei, den festlichen Gottesdienst zu vollziehen, denn das Volk wartete in der Kirche. Hierauf antwortete der Heilige: „Erst gebührt es, den Bettler zu kleiden. Ich kann nicht in die Kirche gehen, solange der Bettler nicht Kleidung erhält.“
Der Diakon verstand nicht, weil er nicht bemerkte, dass der Heilige unter den Oberkleidern nackt war, und begann sich dadurch zu entschuldigen, dass er den Bettler nicht gefunden habe. Doch Martin wiederholte beharrlich: „Die Kleidung, die vorbereitet wurde, soll zu mir gebracht werden: Der Bettler wird nicht unbekleidet bleiben.“
So genötigt, holte der aufgebrachte Kleriker von benachbarten Läden für fünf Münzen ein kurzes, grobes Kleid, legte es mit Zorn Martin zu Füßen und sagte: „Hier ist das Kleid; Bettler aber sind keine da.“
Ruhig befahl ihm der Heilige, ein wenig hinter der Tür zu stehen, und nachdem er heimlich dieses Gewand angelegt hatte, ging er in die Kirche hinaus zum Vollzug der Liturgie. Und der Herr säumte nicht, Martin für dieses heimliche Werk der christlichen Wohltätigkeit zu belohnen. Als er an diesem Tag den Opfertisch segnete, zeigte sich während des Gottesdienstes eine von seinem Haupt her strahlende Feuerkugel, so dass eine Flamme, die nach oben ging, einen langen Strahl hervorbrachte. Diese herrliche Erscheinung sahen an diesem Tag bei Anwesenheit einer großen Volksmenge nur wenige Auserwählte, nämlich ein frommer Schüler des hl. Martin mit Namen Gallus, eine der Jungfrauen, einer der Priester und drei der Mönche.
Die Sanftmut, die Martin auszeichnete, zwang selbst Heiden, ihn zu lieben. Er hatte überhaupt kaum irgendwelche Feinde, und wenn es welche gab, so hassten sie ihn wegen der Tugenden, die sie selbst nicht besaßen und nicht nachahmen konnten. Dabei verurteilte Martin niemanden, und keinem vergalt er Böses mit Bösem. Bei allen Beleidigungen war er so geduldig, dass er manchmal von niederen Angehörigen seines Klerus beleidigt wurde, ohne dass sie dafür bestraft wurden. Niemals enthob er sie für die ihm zugefügten Ärgernisse ihres Amtes und (soweit es von ihm abhing) beraubte sie nicht seiner Gunst. Niemand sah ihn jemals zornig, aufgebracht oder auch scherzend. Er war immer ein und derselbe und hatte in seiner Miene etwas von der Art himmlischer Freude. Niemals war auf seinen Lippen etwas anderes außer dem Namen Christi. Niemals war in seinem Herzen etwas andres außer Frömmigkeit, Frieden und Mitleid. Oft weinte er über die Sünden selbst derjenigen seiner Schmäher, die ihn (bei ihm oder in seiner Abwesenheit) mit Schlangenlippen und Giftzungen angriffen.
Die Geduld und Sanftmut des hl. Martin in Hinsicht auf seine Beleidiger werden durch folgendes Beispiel deutlich. Im Klosterklerus gab es einen jungen Mann namens Brictius, der aus niedrigster Herkunft stammte, vom hl. Martin dennoch aufgenommen, erzogen und später in den Diakonsstand erhoben worden war Angestachelt von üblen Geistern begann Brictius seinen arglosen Lehrer von Angesicht zu Angesicht schrecklich zu beschimpfen. Der Heilige versuchte, ihn mit sanften Ermahnungen zurechtzuweisen, aber das hatte auf den Rasenden keine Wirkung, und er fuhr fort, noch größere Schmähungen auszustoßen, und ging fort. Auf dem Weg traf er einen Kranken, der ihn fragte, wo er den hl. Martin fände. Brictius nannte den hl. Bischof einen alten Betrüger und gebrauchte noch andere schändliche Ausdrücke. Als Martin sich Brictius ein wenig später nach der Heilung dieses Kranken begegnete, fragte der ihn nur bescheiden: „Warum nanntest du mich einen Betrüger?“ „Ich nannte dich niemals so“, - antwortete der Diakon. „War etwa mein Ohr nicht an deinen Lippen, auch als du hinter meinem Rücken redetest?“ – bemerkte der heilige Bischof. „Du wirst ebenfalls, wenn ich sterbe, Bischof werden, und du wirst viel zu leiden haben.“ Danach traten bei Brictius Anfälle von Raserei auf, und einmal, als Martin auf einer Bank vor seiner Zelle saß, stürzte Brictius sich mit wütendem Schimpfen auf ihn, während ihm auf benachbarten Felsen zwei Dämonen erschienen, die ihn zur Tollheit anspornten. „Ich bin heiliger als du“, sprach der Diakon,- „Ich wurde im Kloster erzogen, du aber warst früher Soldat.“ Die Brüder forderten, dass Brictius einer beispielhaften Strafe unterzogen und seines heiligen Amtes enthoben werde. Martin aber ertrug ruhig dessen Beschimpfungen. Als Brictius, durch die Sanftmut des Heiligen bewegt, ein wenig später zur Besinnung kam und, von Gewissensbissen gequält, vor ihm niederfiel, bemerkte Martin nur: „Brictius schadete nur sich selbst, aber nicht mir. Der Herr Jesus Christus ertrug sogar Judas neben sich: Muss ich somit nicht auch diesen Jüngling neben mir ertragen?“
Die Vorhersage Martins erfüllte sich. Brictius veränderte sich in der Folge so sehr, dass er nach dem Tod des Heiligen zu seinem Nachfolger ernannt wurde. Er wurde also Bischof von Tours, aber nach 33 Jahren vom Volk mit Schande verjagt aufgrund einer falschen Anschuldigung, und erst nach sieben Jahren schwerer Verbannung wurde er wieder in die bischöfliche Kathedra eingesetzt, wo er schließlich auch in Frieden starb. Brictius hatte seinen Charakter so sehr verändert und war durch sein tugendhaftes Leben so berühmt geworden, dass er von der Römischen Kirche in der Folge der Schar der Heiligen zugezählt wurde. Sein Gedächtnis wird dort am 13. November gefeiert.
Wie unwiderstehlich und stark der Einfluss des heiligen Martin auf die anmaßendsten und hartherzigsten Menschen und sogar auf die Mächtigen dieser Welt war, zeigen folgende Beispiele: Noch am Anfang seines Bischofsamtes, wurde Tours in Schrecken versetzt durch den Überfall eines grausamen Gouverneurs namens Avitianus, dessen Wüten dem wilder Tiere um nichts nachstand. Hinter seiner Schar folgten lange Reihen von Gefangenen, durch deren Hinrichtung der grausame Herrscher Schrecken über die Stadt bringen wollte. Der menschenliebende Martin, der den Zorn des Herrschers nicht fürchtete, entschloss sich, sowohl für die Gefangenen als auch für seine Bischofsstadt einzutreten, und um Mitternacht begab er sich zu den Türen des Hofes von Avizian. In dieser Nacht wurde der unruhige Schlaf des Gouverneur plötzlich durch ein lautes Klopfen unterbrochen, während eine unbekannte Stimme ihm sagte: „Du schläfst hier, während der Diener Gottes vor den Türen an deiner Schwelle liegt.“
Avitianus befahl seinen Knechten, hinter die Türen zu sehen; diese aber versicherten ihm, nachdem sie eine nachlässige Umschau gemacht hatten, dass dies nur Einbildung sei. Beruhigt schlief er wieder ein, wurde aber bald zum weiten Mal durch eine laute Stimme geweckt: „Vor deinen Türen steht Martin.“ Da fanden die Diener, dass es sich wirklich so verhielt. Der Gebietsherrscher befahl, den heiligen Bischof zu sich zu führen und fragte ihn: „Warum bist du so vorgegangen?“ „Ich kenne dein Vorhaben, antwortete mutig der heilige Martin, „bevor du es ausgesprochen hast. Gehe und lass nicht zu, dass dich der Zorn des Himmels vernichtet.“
Erschrocken durch die prophetische Stimme des hl. Bischofs und vom eigenen Gewissen überführt, eilte Avitianus, die Weisung zu erfüllen. Er ließ die Gefangenen frei und verließ die Stadt. Der Tadel des hl. Martins zeigte in der Folge einen guten Einfluss auf den Charakter dieses harten Gouverneurs. Einmal, als Avitianus wieder die Stadt Tours besuchte, ging der Heilige zu ihm in sein Zimmer und schaute ihn schweigend beharrlich an. „Warum schaust du so beharrlich auf mich, heiliger Mensch?“ fragte Avitianus. „Ich schaue nicht auf dich“, entgegnete Marin, „sondern auf einen abscheulichen Dämon, der dir auf dem Nacken sitzt.“ Und das Wort des hl. Bischofs zeigte wieder eine gute Wirkung und brachte den harten Gebietsherrscher von der Ausführung seiner schlimmen Vorhaben ab.
Der Kaiser Valentinian I. (Kaiser des weströmischen Reiches, der vom Jahr 364 bis 375 herrschte), drückte den Wunsch aus, mit dem hl. Martin in freundschaftliche Beziehung zu treten, da er von allen Seiten von seinem Ruhm gehört hatte. Aber seine Gattin Justina, die eine eifrige Arianerin war, ließ dies nicht zu. Als Martin sich einmal wegen wichtiger Angelegenheiten in.Trier (bzw. Treverorum, eine große, blühende Hauptstadt des nördlichen Teils von Gallien, damals Belgium genannt) aufhielt, wo sich damals der kaiserliche Hof befand, befahl der Imperator, der durch seine Gemahlin gegen ihn voreingenommen war, ihn nicht zu ihm zu lassen. Nach vergeblichen Bemühungen, vor den Herrscher zu gelangen, ergab sich der hl. Bischof dem Gebet und dem Fasten. Am siebten Tag erschien ihm ein Engel und befahl, in den Palast zum Imperator zu gehen. Da er diese göttliche Eingebung empfangen hatte, eilte Martin zum Palast, fand die Türen geöffnet und erschien ohne jegliche Anmeldung vor dem Kaiser. Valentinian geriet in starken Zorn, aber er fühlte plötzlich, dass der Sessel unter ihm gleichsam wie ganz von Feuer umfangen war. Genötigt aufzustehen, verhielt er sich plötzlich ganz anders und empfing den Heiligen mit einer heißen Umarmung, sprach lange mit ihm und behielt ihn wie einen teuren Gast noch für einige Tage bei sich. Er versprach ihm, alles zu erfüllen, um was er nur bitte, und bei der Verabschiedung bot er ihm reiche Geschenke an, die der hl. Bischof jedoch ablehnte, wodurch er eine noch größere Hochschätzung erweckte.
Nach seiner Rückkehr bemühte sich Bischof Martin um die Bekehrung der in seiner Diözese noch übriggebliebenen Heiden, zum wahren Glauben. Tatsächlich waren die Christen in seiner Diözese noch der Willkür der Heiden ausgesetzt und feierten deshalb an vielen Orten ihre Gottesdienste in Höhlen und versteckten Schlupfwinkeln. Deshalb bereiste der hl. Bischof Martin das Land, um christliche Kirche zu errichten und heidnische Altäre umzustürzen und an ihrer Stelle christliche zu errichten. Dabei vertraute er fest auf die Hilfe von Oben, und dies in dem Maß, dass er einmal eine ihm auferlegte Probe annahm. Ein sogenannter heiliger Baum sollte gefällt werden, und Bischof Martin sollte so stehen, dass der Baum auf ihn niederstürzen musste; würde er unbeschädigt bleiben, so solle dies als Zeichen gelten, dass er die Wahrheit predige. Der Heilige Bischof nahm die Bedingung an, und stellte sich vor dem Baum auf. Als der Baum zu fallen begann machte er das Kreuzzeichen, und auf der Stelle setzte ein heftiger Windstoß ein, der den Baum auf die entgegengesetzte Seite umstürzen lies, so dass der hl. Bischof nicht den geringsten Schaden erlitt. Auch bewaffnete Anschläge gegen den Heiligen überstand er jedes Mal unversehrt. Zusammen mit der Predigt vom Reiche Gottes verband sich im hl. Bischof Martin die Gabe der Wunderheilungen und der Zeichen. Dabei verwandte er das Kreuzzeichen, geweihtes Öl, manchmal auch Handauflegung oder das Auflegen eines Stückchen Tuches, das er sich von seinem Kleid abschnitt. Einen Aussätzigen in Paris heilte er durch einen Kuss. Besonders stark bewährte sich die Anrufung des Namens Jesu Christi bei der Heilung von, durch böse Geister, Besessenen.
Während des Lebens des hl. Bischofs Martin näherte sich das abendländische Kaisertum mit raschen Schritten seinem Ende. Im Jahr 383 riefen die römischen Heere in Großbritannien Maximus als Imperator aus. Dieser fuhr nach Gallien und schlug in Trier den Sitz seiner Regierung auf. Den Sohn und Nachfolger Valentinians I., Gratian (Kaiser des Weströmischen Reiches von 375 bis 383), erlitt infolge des Verrats der Soldaten eine Niederlage und wurde am 25. August desselben Jahres in Lyon getötet. Sein Bruder Valentinian II. wurde gezwungen zu fliehen und so des Throns beraubt, wobei ihm nur ein Teil seines Besitzes verblieb. Der oströmische Kaiser Theodosios musste damals Maximus als Kaiser der gallischen Präfektur anerkennen, dem auch Spanien und Britannien unterworfen waren. Italien und das westliche Illyrien blieben dem jungen Kaiser Valentinian II., der von seiner Mutter Justina geleitet wurde.
Damals begab sich der hl. Martin nach Trier zu Kaiser Maximus, um für diejenigen einzutreten, die auf der Seite Gratians gewesen waren und denen nun der Tod drohte. Maximus war es in höchstem Grade wichtig, sich die Ergebenheit der Geistlichen zu sichern und besonders, wenn möglich, eines so geliebten und berühmten Bischofs wie des hl. Martin. Deswegen verhielt er sich sehr wohlgeneigt bei seiner Ankunft und lud den Heiligen in den Palast zum kaiserlichen Mahl. Aber Martin lehnte dies ab und antwortete mit ungewöhnlicher Kühnheit: „Ich kann nicht am Tisch eines Menschen sitzen, der einen Kaiser des Lebens beraubte und einen anderen des Throns.“
Außerdem warnte Martin den Kaiser, auch wenn dieser anfangs erfolgreich in seinen Unternehmungen gewesen sei, werde seine Herrschaft dennoch nicht lang andauern, und ihn erwarte ein baldiger Untergang. (Die Vorhersage des hl. Martin erfüllte sich genau: Zuerst verdrängte wirklich Maximus im Jahre 387 Valentinian II aus Italien. Aber der Imperator des Östlichen Römischen Reiches, Theodosios II der Jüngere, der schon früher Valentinian II. während seiner Minderjährigkeit aufgenommen hatte, setzte im folgenden Jahr mit kriegerischen Mitteln den Letzteren wieder in seine Rechte ein. Maximus erlitt die Niederlage, wurde zu Theodosios gebracht und hingerichtet,) Maximus beherrschte seinen Zorn und legte dem hl. Bischof beschwichtigend dar, dass nicht er selbst aus eigenem Willen die Krone aufgesetzt habe, sondern seine Krieger ihn gekrönt hätten, zum Schutz des Reiches vor Feinden. Schließlich gab der hl. Martin den Beteuerungen des Imperators nach und willigte ein, zum kaiserlichen Mahl zu kommen, zu dem die höchsten Amtsträger und angesehensten Personen versammelt waren. Martin wurde an den ehrenvollsten Platz gesetzt, und dem ihn begleitenden Priester wurde ein Platz zwischen dem Bruder und den Onkeln des Imperators zugewiesen. Während des Gastmahls wurde dem Kaiser ein Kelch mit Wein gereicht, und er befahl, ihn zuerst Martin zu geben, damit er ihn wiederum aus den bischöflichen Händen empfange. Martin aber übergab den Kelch, nachdem er aus ihm gekostet hatte, nicht wiederum dem Kaiser, sondern einem von den Anwesenden, so als ob dieser eine Person höheren Standes sei als der Kaiser. Dies erstaunte den Kaiser und alle Anwesenden. Dennoch erzürnte Maximus nicht, sondern begann dem hl. Martin von da an sogar noch größere Achtung zu erweisen und ihm die vollständige Amnestie, um welche er für die Anhänger Gratians bat, erteilte.
Im Folgenden rief der Imperator rief Martin oft zu sich und empfing ihn ehrenvoll an seinem Hof, um sich mit ihm zu unterreden, sowohl über weltliche Dinge wie auch über das künftige Leben, die ewige Herrlichkeit der Heiligen und andere der Seele nützliche Themen. Die gottesfürchtige Kaiserin aber lauschte mit Rührung und Tränen den heiligen Gesprächen und Weisungen Martins und richtete schließlich mit Einverständnis ihres Mannes ein Mahl allein für den heiligen Martin aus, welches sie eigenhändig zubereitete und bei dem sie selbst bediente, indem sie zu seinen Füßen saß und ihm Speise und Trank reichte. Am Ende der Mahlzeit sammelte sie alle Krumen und Reste und machte aus ihnen eine Speise für sich selbst. Aber der hl. Martin verhielt sich zu all diesem mit größter Sanftmut, und sowohl mit dem Herzen als auch mit den Gedanken verblieb er in der klösterlichen Zelle unter den einfachen Mönchen, die er um sich gesammelt hatte.
Ein anderes Mal bemühte sich der hl. Martin um die Häupter einer Sekte, der sogenannten Priscillianischen Irrlehre. Diese war ein Anläufer des Manichäismus. Die Ankläger gegen diese Sekte Idacius und vor allem Ithacius, waren sittlich wenig besser als die Angeklagten selbst. Alle die nicht gleich ihnen der Unmäßigkeit ergeben waren, beschuldigten sie des Priscillianismus; dass er nicht desselben schuldig sei bewies er durch seine Esslust! Der hl. Bischof Martin war in seinen Augen Priscillianist, und er schalt ihn auch als einen solchen. Der hl. Martin setzte sich nämlich bei Kaiser Maximus dafür ein, dass die häretischen Bischöfe nur ihres Amtes enthoben, nicht aber hingerichtet würden. Nachdem er aber abgereist war, drangen die Bischöfe Magnus und Rufinus in den Kaiser und erlangten ein neues Verhör der Angeklagten durch den harten Präfekten Evodius. Dabei bekannte einer einige Vergehen und wurde darauf eingekerkert und nach einer Rücksprache mit dem Kaiser zum Tode verurteilt. Andere Anhänger der Sekte wurden mit Verbannung belegt. Dadurch lebte die Häresie für den Augenblick wenigstens erneut auf. Der zum Tode Verurteilte Priscillus wurde wie ein Märtyrer verehrt. Daher schickte der Kaiser auf das Gutachten einiger Bischöfe, aus dem Jahre 385, von der Synode von Trier, nach Spanien um die dortigen Anhänger der Sekte zu enteignen und mit dem Tode zu bestrafen. Dabei wurde von den Ketzergerichten mehr nach dem bleichen Aussehen und der Kleidung geurteilt, als vom Glauben. Der hl. Bischof Martin setzte sich hierauf erneut für die Sektierer ein, da bei den gegebenen Verhältnissen sehr leicht auch Unschuldige verurteilt wurden. Hierfür geriet auch der hl. Martin wieder unter den Verdacht der Ketzerei, welchem er unterlegen wäre, wenn er nicht an Heiligkeit, Glaubenskraft und Tugenden alle Anderen übertroffen hätte. Um die des Hochverats abgeklagten Narces und Leocadius zu retten, nahm er bei der Bischofsweihe des hl. Felix von Trier, zusammen mit dem Urheber der Enthauptung des Priscillian Ithacius an den Göttlichen Mysterien teil, obwohl er sonst keine Gemeinschaft mit den verfolgenden Bischöfen pflegte. Er bereute diese Nachsicht und kehrte am nächsten Tag bereits nach Tours zurück. Mit Tränen bekannte er später, dass seitdem seine Kräfte nachließen. Die letzten 16 Jahre seines Lebens besuchte der hl. Bischof Martin aus dieser Erfahrung heraus keine Versammlung der Bischöfe mehr. Der Überlieferung nach soll er aber von einem Engel über die Beschlüsse der Synoden in Kenntnis gesetzt worden sein.
Eine andere Anfechtung des hl. Bischofs ereignete sich in seiner eigenen Zelle. Während er betete, sah er plötzlich eine Gestalt in purpurfarbenem Licht erglänzen, königlich gekleidet, mit einer goldenen Krone und Edelsteinen die Stirn bedeckt, mit goldbekleideten Schuhen, freundlichen Gebärden und freundlichen Angesichts. Schweigend und staunend stand der hl. Martin. Endlich sprach die Gestalt: “Lerne mich kennen den du siehst. Ich bin Christus. Ich will wieder kommen auf die Erde. Mich aber dir vorher offenbaren.” Als Martin abermals schwieg, sprach die Gestalt neuerdings: “Was zweifelst du über das was du siehst? Ich bin Christus.” Dem Heiligen hatte unterdessen der Geist gesagt, dass es der Teufel wäre; er gab also zur Antwort: “Es hat unterdessen der Geist gesagt, dass es der Teufel wäre; er gab also zur Antwort: “Es hat der Herr Jesus Christus nichts davon gesagt, dass er mit köstlichem Purpur umkleidet und mit herrlich glänzender Krone wieder kommen werde. Ich glaube nicht, dass Christus anders, als in der Gestalt, in welcher Er gelitten hat, die Wundmale Seines Kreuzes zeigend, erscheinen wird.“ Auf diese Worte verschwand der Feind, einen üblen Geruch hinterlassend. Der Biograph des hl. Bischof Martin Sulpitius Severus erzählt, dass Bischof Martin selbst ihm dies erzählt habe.
Geschenke nahm der hl. Martin nie an, nicht einmal vom Kaiser. Nur einmal machte er eine Ausnahme. Eine Jungfrau, die als Klausnerin lebte, und nie Besuche von Männern annahm, hatte sogar den hl. Martin abgewiesen. Ohne ihr dies im Geringsten übel zu nehmen, und sich zu ärgern, freute er sich im Gegenteil darüber und nahm die bescheidene Gabe, welche ihm die Klausnerin in frommer Verehrung zusenden lies, mit den Worten an, dass ein Priester die Gabe einer Jungfrau, die vielen Priestern vorzuziehen sei nicht ausschlagen dürfe. Ebenso speiste er nur dann bei Hof, wenn er hoffen durfte, für das Wohl der Kirche und zum Besten der Gläubigen etwas zu wirken.
Von der Kraft des Hl. Geistes, die im hl. Bischof Martin wirkte zeugt folgendes Beispiel. Als Bischof Liborius von Le Mans gestorben war, begab er sich in die Stadt, um seinem Mitbruder die letzte Ehre zu erweisen. Vor dem Tor traf er einen Mann, welcher in einem Weinberg arbeitete. Er war verheiratet. Der hl. Martin nahm ihn mit und zwang ihm die bischöfliche Würde auf. Seine Frau, welche Maura hieß, willigte ein und begab sich in ein Kloster. Auch ihren Sohn, der wie sein Vater Victurius hieß, nahm der hl. Martin mit sich. Der unfreiwillige Bischof regierte seine Kirche mit großem Segen und wird wie sein Sohn, der ihm im bischöflichen Amt folgte, zu den Heiligen gezählt. Jener wird am 25. August, dieser am 1. September verehrt.
Das Ende des hl. Bischofs Martin kam schnell und überraschend. Auf der Heimreise von Condate (Candes in Touraine), wo er aufrührerische Priester wieder mit der Kirche vereint hatte, überfiel ihn eine große Kraftlosigkeit.Er rief seine Schüler herbei und zeigte ihnen seinen nahen Hintritt an. Als daraufhin alle trauerten und klagten, sie nicht den reißenden Wölfen zu überlassen, und noch nicht so bald zu Christus zu gehen, wurde der Heilige zu Tränen gerührt und bat Gott, dass Sein Wille geschehe, wenn er noch für Sein Volk nötig sei, weigere er sich nicht weiter zu arbeiten. Etliche Tage lag er in heftigem Fieber. Dabei lies er nicht nach Gott Tag und Nacht durch Wachen und Gebet zu dienen. Er lag auf dem bloßen Boden mit dem Busskleid auf Asche. Als man ihn bat, er solle sich ein wenig Stroh unterlegen lassen, gab er zur Antwort. “Es geziemt sich nicht, meine Söhne, dass ein Christ anders als in Asche sterbe.“ Augen und Hände stets zum Himmel erhoben, ließ er nie ab im Geiste zu Gott zu flehen. Als einige Priester ihn auf die Seite legen wollten, sprach er: “Lasset mich, Brüder, lieber den Himmel als die Erde anschauen, damit der Geist bei seiner Wanderung die rechte Richtung nehme.“ Nachdem er dies gesprochen, sprach er zum Teufel, der sich gleichfalls eingefunden hatte. “Was willst du blutige Bestie? du Mörder, an mir wirst du nichts finden, der Schoß Abrahams wird mich aufnehmen. “ Mir diesen Worten gab er seinen Geist auf. Dabei erstrahlte sein Angesicht heller als die Sonne und alle seine Glieder waren weiß und ganz rein und sein Leib so zart und anmutig wie der eines siebenjährigen Knaben, und dies obwohl sein Leib stets von einem rauen Bußgewand und Asche bedeckt war! Etwa 70 Jahre war der hl. Bischof Martin alt geworden.
Die Trauerfeierlichkeiten nach dem Verscheiden des hl. Bischofs Martin glichen dem Triumpfzug eines Kaisers. Wie bei diesem die Gefangenen vor dem Triumpfwagen, so zogen den Reliquien des hl. Bischofs Martin an die 2000 Mönche voraus, die unter seiner Führung die Welt verlassen hatten. Dazu kam eine unabsehbare Menge des Volkes. Bei der Beisetzung, die vor den Toren von Tours in der Kirche des hl. Stephan stattfand, wo sich der hl. Marin bereits sein Grab ausgewählt hatte, wurde viel gesungen. Der hl. Gregor von Tours berichtet, dass von dem Hinscheiden des hl. Bischof Martin die hll. Bischöfe Ambrosius von Mailand und Severin von Köln im Geiste erfuhren, und Ersterer seine Leichenfeier auf Erden, Letzterer aber seinen Triumpf im Himmel geschaut habe.
Zusammenfassend schildert Sulpitius Severus am Ende seiner Lebensbeschreibung des hl. Bischof Martin noch einmal dessen Lebensweise: “O wohl ein seliger Mann, an dem kein Betrug gewesen, der Niemanden verurteilt, gerichtet, Keinem Böses mir Bösem vergolten hat. Für das Leiden war er so eingenommen, dass er, obwohl Bischof, vom geringsten Kleriker sich ungestraft beleidigen lies; weder entsetzte er sie deshalb, noch schloss er sie, so viel an ihm war, aus seinem Herzen und seiner Liebe aus. Niemand hat ihn je zornig, traurig oder lachend gesehen: er war immer derselbe, immer zeigte er himmlische Freudigkeit in seinen Gebärden, als wäre er übermenschlicher Natur. Nie hatte er etwas Anderes im Munde als Christus, nie etwas anderes im Herzen als Andacht, Friede und Barmherzigkeit. Oft hat er für die Sünden derer, die ihm übel nachredeten und ihn verleumdeten, gebetet. Denn einige beneideten ihn und hassten an ihm, was sie an sich selbst nicht sahen.“
Verehrung
Nach dem seligen Ende seines großen Wohlgefälligen und Wundertäters würdigte Gott ihn eines unverwesten Leibes. Der Bischof Perpetuus errichtete über dem Grab des hl. Martin eine prächtige Kirche. Am Grab des hl. Martin vollzogen sich große und zahlreiche Wunder zur Ehre Gottes, der wunderbar ist in seinen Heiligen in Ewigkeit. Ein Teil seiner Reliquien wurde in der Folge an verschiedene Kirchen verteilt.
Sein asketisches und tugendhaftes Leben führte bald zur Heiligsprechung. Der Frankenkönig Chlodwig erhob Martin zum Nationalheiligen und Schutzherrn der fränkisch-merowingischen Könige.
Die Verehrung des hl. Martin verbreitete sich über alle europäischen Länder bis nach Griechenland aus. In Deutschland sind zahlreiche sehr alte Kirchen dem hl. Bischof Martin geweiht. Seit dem Jahre 690 bestand in Köln ein dem hl. Martin geweihtes Kloster. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts gab es im Bistum Köln mehr dem hl. Martin geweihte Kirchen, als der Gottesmutter und dem hl. Apostel Petrus zusammen. Der hl. Märtyrerbischof Bonifatius führte den Brauch der Martinsbrote oder Martinshörner, an Stelle ähnlicher heidnischer Brote in Götzengestalt ein. Viele der nach Martins Tod dort geschehenen Wunder wurden erstmals im 6. Jahrhundert von Gregor von Tours aufgeschrieben, der im Westen zur Schar der Heiligen gezahlt wird und er selbst an sich die wunderwirkenden Kraft des Gottgefälligen erfahren hatte.
Im Jahre 1562, zur Zeit der Reformation, wurde das Grab des hl. Martins von Calvinisten verplündert und seine Reliquien fast vollständig verbrannt. Nur ein Arm und ein Teil der Hirnschale wurden gerettet. Die verbleibenden Teile der Gebeine wurden niedergelegt und werden bis heute in der Kathedrale von Tours bewahrt.
Dargestellt wird der hl. Bischof Martin entweder als Soldat seinen Mantel für einen Bettler teilend, oder als Bischof während der Liturgie, da man mitunter, wenn er die göttliche Liturgie feierte, eine feurige Kugel über seinem Haupt schweben sah.
Martins Mantel (Lat. cappa) gehörte zum Kronschatz der merowingischen Könige und reiste mit ihrem Hof von Aufenthaltsort zu Aufenthaltsort. Aufbewahrt wurde sie häufig in kleineren als Kirchenraum dienenden Räumlichkeiten, die danach auch als Kapellen bezeichnet wurden. Die die Cappa begleitenden Geistlichen, die Kapellane, nahmen, da sie lesen und schreiben konnten, neben ihren seelsorgerischen Pflichten auch das Amt der Hof- und Urkundenschreiber wahr. Daraus erklärt sich auch der Name Hofkapelle für die königliche Kanzlei des Frankenreiches.
Martin ist der Schutzpatron Frankreichs, der Slowakei und des Eichsfelds. Er wird als Landespatron des Burgenlandes und als Patron der Stadt Mainz sowie als Patron des Mainzer Doms verehrt. Ebenso ziert er das Wappen vieler Orte.
Martins Grab befindet sich heute in der vom Architekten Victor Laloux im 19. Jahrhundert geplanten neuen Basilika in Tours.
Aufgrund seiner Vita ist der Heilige Martin Schutzheiliger der Reisenden und der Armen und Bettler sowie der Reiter, im weiteren Sinne auch der Flüchtlinge, Gefangenen, Abstinenzler und der Soldaten.
Reliquien
Im deutschsprachigen Raum können in folgenden Kirchen Reliquien verehrt werden:
- Kathedrale zu den hll. Neumärtyrern Russlands und des hl. Nikolaus (ROKA) in München (Deutschland)
- russisch orthodoxe Kathedrale zum hl. Nikolaus in Wien (Österreich)
- Martinskapelle des Domes zu Salzburg (Österreich)
- russisch orthodoxe Kirchengemeinde Maria Schutz (ROKA) in Salzburg (Österreich)
- Martinsdom zu Eisenstadt (Österreich)
- orthodoxe Kirchengemeinde zum hl. Nikolaus (ROKA) in Mödling (Österreich)
- griechisch orthodoxes Kloster Maria Schutz in St. Andrä am Zicksee (Österreich)
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Gebete
Troparion (3. Ton) - verfasst von Archimandrit Paisios (Jung)
In deinen Werken strahlst du auf voll Barmherzigkeit, du Ruhm Pannoniens. Gallien hast du Heiliger, erleuchtet, die Liebe zueinander hast du gelebt, du Vater und Lehrer der Mönche. Glorreicher Martin, bitte Christus, unseren Gott, uns das große Erbarmen zu schenken.
Troparion (4. Ton)
Deine Barmherzigkeit gegenüber dem Armen ohne Kleider würdigte dich, o Martin, den Christus zu sehen, wie Er zu den Engeln sprach: Martin hat mich mit diesem Gewand bekleidet. Erbarme dich unser, die wir arm sind und die wir keine guten Werke haben, um uns zu kleiden und bitte zum Herrn des Alls, dass Er sich unserer Seelen erbarme.
Kondakion (8.Ton)
Als ergebener Mann Gottes verkündetest Du Seine Mysterien. Und als Seher der Dreifaltigkeit gossest Du Ihren Segen aus auf dem Abendlande. Durch Deine Gebete und Dein Flehen, oh Du Zierde von Tours und Ehre der ganzen Kirche, bewahre und rette alle, die Dein Andenken lobpreisen.
Quellen
+ Quelle: Hl. Demetrios von Rostow. Vitae des hl. Martin von Tours
Übersetzt von Stefan v. Wachter (©), der Text stammt aus: "Orthodoxe Heiligenleben", Vorabdruck im Internet]. Mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber.
Redigiert von Thomas Movtchaniouk
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