Buchberichtigung

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Hl. Erleuchter Euthymios von Tarnowo
Hl. Erleuchter Kiprian von Moskau
Patriarch Nikon

Die „Buchberichtigung“ (russ. „ книжная справа“) ist ein Begriff für die Praxis der Berichtigung gottesdienstlichen Bücher nach angesehenen griechischen und kirchenslawischen Mustern. In Bezug auf die orthodoxen Schriften wurde diese Arbeit bis ins 18. Jahrhundert betrieben (vor allem in Bulgarien, Serbien, Litauen und insbesondere Russland) und erreichte in einigen Jahren besondere Intensität.

Besonders erwähnenswert sind die archaisierende Reform der kirchenslawischen Schriftlichkeit durch den bulgarischen Patriarchen Euthymios von Tarnowo (14. Jahrhundert), die Reform unter Metropolit Kiprian am Ende des 14. Jahrhunderts in Russland, die Reformen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, am Anfang des 17. Jahrhunderts, und, schließlich, die berühmte „Nikonsche Berichtigung“ (in den 1650er Jahren unter Patriarch Nikon), die eine der Ursachen des Schismas der Russischen Orthodoxen Kirche wurde.

Der Höhepunkt der Entwicklung der Tarnowo-Schule, die die Reform bewirkte, fiel in die kritischen Jahre in der Geschichte Bulgariens – kurz vor dem Fall des Zweiten Bulgarischen Königtums (1396). Unter den Bedingungen staatlichen Zerfalls und militärischer Niederlagen wurde die Tarnowo-Schule zum Mittelpunkt des Widerstandes des bulgarischen Volkes gegen die Unterjochung. Dabei wurden philologische Studien als Hauptmittel der Rückkehr zur Klassik angesehen. Dies führte zur Wiederbelebung der philologischen Aktivität – es wurden die kanonischen Originalquellen wieder gelesen, Methoden der philologischen Textkritik erarbeitet sowie Bücher redigiert und berichtigt; dabei erhöhte sich die Anzahl der Bücher beträchtlich. Damit versuchten die Schriftgelehrten der Tarnowo-Resawschen Schule, die altslawische Sprache aus der Zeit der ersten Lehrer wiederzubeleben. DAbei wurden die philologischen Probleme den ethischen gleichgestellt, udn die Orthographie - der Orthodoxie.

Die Aktivitäten der Schule von Tarnowo (Stärkung der orthodoxen Rituale und der Dogmatik, Buchabschreibung und -berichtigung, Gründung religiösen Schulen) schloss verschiedene philologische Aspekte ein, etwa die Fürsorge um die Bewahrung der Richtigkeit der kirchlichen Bücher, der Authentizität von Übersetzungen, der Fürsorge um die Richtigkeit und Schönheit der Schrift und der Ausdruckskraft und Wirksamkeit des überzeugenden Wortes.

Die Einzigartigkeit des Tarnowo-Konzepts der Schrift hat theologische Quellen. Euthymios von Tarnowo und sein Schüler Constantin von Kostenets standen dem Hesychasmus nahe, der die Plotinsche Lehre über das „Eine“ und das „Seiende“ entwickelt hatte. Die These der Hesychasten über die Einheit des Wortes und des Wesens bestimmte vieles in der philologischen Praxis der „griechisch-slawischen“ Welt. Mit dem Hesychasmus einher ging z.B. eine verschärfte Aufmerksamkeit für die abbildende Seite der Schrift (Handschrift, Grafik, Orthographie), die in den slawischen Ländern nie dagewesen war. Ferner prägte der Hesychasmus die Buchstäblichkeit der Übersetzung und die damit verbundene Vorliebe für Lehnübersetzungen, sowie die besondere Darstellungskraft der Schrift, die alle Textebenen durchdringt – von der Metaphorik und dem Symbolismus des Stils der „Wörterverflechtung“ bis zur Betonung der Bildhaftigkeit der Abbildung der Buchstaben und dem Bestreben, aus einem Schriftwerk eine Art Ikone, ein Werk zur Anbetung zu erschaffen und ein literarisches Werk in einen Gebetstext umzuwandeln.

In Russland wurde die Berichtigung kirchlicher Bücher seit dem 14. Jahrhundert betrieben. Dies war durch das Bestreben geleitet, die Autorität der russischen Orthodoxie und des russischen Staates zu erhöhen und damit sich und der Welt zu beweisen, dass Moskau das „Dritte Rom“ sei und es kein viertes mehr geben würde. Dies brachte die Berichtigung der kirchlichen Ordnung und damit auch der Bücher mit sich, die in Russland zu einem Werk erstrangiger staatlicher Bedeutung erhoben wurde, daraufhin fast alle sozialen Schichten des russischen Volkes beschäftigte und zum Anlass für die tiefe Spaltung und den Kampf zwischen offiziellen „Nikonianern“ und den „Altritualisten “ (Vorkämpfern für das heilige Altertum) diente. In Russland wurden philologische Angelegenheiten niemals wieder so ernsthaft und kontrovers erörtert.