Alexei Osipov
Alexei Osipov (russisch Алексей Ильич Осипов; * 31. März 1938 in Belew im Bezirk Tula) ist Professor der Moskauer Geistlichen Akademie und einer der leuchtendsten orthodoxen Theologen unserer Zeit.
Leben
Alexei Osipov wurde in einer russische Beamtenfamilie geboren und wuchs bis ins Jahr 1952 in der Stadt Koselsk im Bezirk Kaluga und später im nahen Dorf Optino auf. Seit 1952 lebte er in der Stadt Gschatsk (jetzt Gagarin) im Bezirk Smolensk.
Nachdem er 1955 die Mittelschule absolviert hatte, lehnte er den Vorschlag der Schulleitung ab, sich in eine Hochschule einzuschreiben, und beschäftigte sich zu Hause drei Jahre lang mit den Studien der Grundlagen der Theologie unter der Leitung von Hegumen Nikon (Worobjow). Im Jahre 1958 erhielt er von diesem (mit dem Segen von Erzbischof Michail (Tschub) von Smolensk und Dorogobusch) eine schriftliche Referenz und wurde in die vierte (also die Abschluss-) Klasse des Moskauer Geistlichen Seminars aufgenommen, nachdem er die Prüfungen für die drei davorgehenden Studienjahre abgelegt hatte.
Im nächsten Jahr wurde er in die Moskauer Geistliche Akademie aufgenommen, die er im Jahre 1963 als Doktor der Theologie absolvierte, nachdem er am Lehrstuhl für Altgriechische Sprache die Dissertation „Übersetzung der Abfolgen des Orthros und der Vesper nach dem im Jahre 1951 veröffentlichten Vorschriftenkodex für den Kirchendienst der Griechischen Kirche im Vergleich zum russischen Vorschriftenkodex für den Kirchendienst in der synodalen Auflage“ verteidigt hatte. Nach der Absolvierung der Akademie erhielt er eine Bescheinigung über seine Ordination in die Diözese zu Smolensk.
Im Herbst desselben Jahres erhielt er jedoch eine Einladung zum Graduiertenkolleg bei der Moskauer Geistlichen Akademie. Nachdem er dieses absolviert hatte, wurde er dort Lehrer für Ökumenismus, eine damals ganz neue Disziplin. 1965 wurde er eingeladen, in der Akademie Vorlesungen für Fundamentaltheologie zu halten. Seit 1966 unterrichtete er dieses Studienfach auch im Seminar. In den darauffolgenden Jahren hielt er im Graduiertenkolleg Vorlesungen über die Geschichte der Russischen Religionsphilosphie, Protestantismus, moderne theologische Probleme, und in der Akademie Vorlesungen für Fundamentaltheologie und westliche Glaubenslehren.
1969 erhielt er den Titel eines Dozenten, 1975 den eines Professors, 1985 den Grad eines habilitierten Dr. theol. , und 2004 den Titel eines Ehrenprofessors.
Neben dem Unterricht an den geistlichen Schulen in Moskau hatte er aber auch noch andere Pflichten.
Mitgliedschaften
1964 wurde er zum Sekretär des Ausschusses der Russischen Orthodoxen Kirche für die Vorbereitung der Materialien für die religiös-ethische Enzyklopädie, die in Athen veröffentlicht wurde, ernannt.
Von 1967 bis 1987 und von 1995 bis 2005 war er Mitglied des Redaktionskollegiums des Sammelbandes "Богословские труды" („Die theologischen Werke“).
Von 1973 bis 1986 war er Mitglied des Lehrausschusses beim Heiligen Synod, delegiert von der Moskauer Geistlichen Akademie. Von 1976 bis 2004 war er Mitglied des Ausschusses des Heiligen Synods für christliche Einheit, der 1994 als Synodaler Theologischer Ausschuss reorganisiert wurde.
Von 1981 bis 2004 war er Leiter der Filiale des Graduiertenkollegs der Moskauer Geistlichen Akademie beim kirchlichen Außenamt. Von 1990 bis 1993 war er Chefredakteur der wiederbelebten Zeitschrift der Moskauer Geistlichen Akademie „Богословский Вестник" („Der Theologiebote“).
Von 1991 bis 1999 war er Ko-Vorsitzender der jährlichen Internationalen Tagung „Wissenschaft - Philosophie - Religion“ in Stadt Dubna (Bezirk Moskau).
Von 1994 bis 1995 war er Mitglied des Gemeinsamen Koordinationsausschusses für Interaktion zwischen den Streitkräften der Russischen Föderation und der Russischen Orthodoxen Kirche.
1994 wurde er Mitglied des Redaktionsrates der Moskauer Patriarchie.
Von 1995 bis 1997, auf dem 2., 3. und 4. All-Weltlichen Russischen Konzil, war er Mitglied des Ständigen Konzilpräsidiums. 1995 wurde er durch einen Beschluss des Heiligen Synods zum Mitglied folgender Arbeitsgruppen ernannt: 1) Arbeitsgruppe auf der Basis des Lehrausschusses zur Erarbeitung eines detaillierten Konzepts für ein neues theologisches Ausbildungssystem der Russischen Orthodoxen Kirche; 2) Arbeitsgruppe zur Erforschung des Themas „Über die Einstellung der Russischen Orthodoxen Kirche zur ökumenischen Zusammenarbeit und der Suche nach einer Einigung“; 3) Synodale Arbeitsgruppe zur Erarbeitung der Grundlagen der Sozialdoktrin der Russischen Orthodoxen Kirche.
2005 wurde er durch Beschluss des Heiligen Synods zum Mitglied der Arbeitsgruppe „zur Zusammenfassung des konzeptuellen Dokuments zur Erläuterung der Position der Russischen Orthodoxen Kirche im Bereich der interreligiösen Beziehungen“.
Seit 1979 war er Mitglied des Vorbereitenden Inter-Orthodoxen Theologischen Auschusses für die Vorbereitung eines orthodox-lutheranischen Dialogs, von 1982 bis 2007 Mitglied des Gemischten Orthodox-Lutheranischen Theologischen Auschusses für den Dialog, von 1991 bis 1998 Mitglied des Auschusses „Glaube und Kirchliche Ordnung“ des Ökumenischen Rates der Kirchen.
Er nahm teil an bilateralen Dialogen der Russischen Orthodoxen Kirche mit den Vor-Chalzedonischen Kirchen, dem Vatikan, der katholischen Einrichtung „Pax Christi Internationalis“, den lutheranischen Kirchen von BRD, DDR und Finnland, dem Nationalen Kirchenrat der USA, dem Reformierten Weltbund, der Anglikanischen Kirche, der Episkopalen Kirche in den USA u.a.
Er war auch Mitglied mehrerer Zusammenkünfte des Ökumenischen Rates der Kirchen, der Konferenz Europäischer Kirchen, der Christlichen Friedenskonferenz, vieler all-weltlichen, internationalen, regionalen und anderer kirchlichen und gesellschaftlichen Konferenzen und Zusammenkünfte, sowohl innerhalb Russlands als auch im Ausland.
Werk und Tätigkeitsschwerpunkte
Er hielt Vorträge und Vorlesungen in Russland und im Ausland, vor unterschiedlichsten Auditorien, kirchlichen wie profanen, in Akademien, Universitäten, Hochschulen, Schulen, in öffentlichen, militärischen und kommerziellen Einrichtungen, im Radio und im Fernsehen. Tief ausgebildet und spirituell nüchtern zeichnet er sich in seinen Vorträgen durch sein hervorragendes Talent zur freien Rede und den gänzlichen Verzicht auf Bigotterie aus. Viele Hörer seiner Vorlesungen berichten davon, dass sie erst durch seine Vorträge die Orthodoxie verstehen, ihre eigenen Depressionen besiegen und den Sinn des Lebens finden konnten.
Seine Werke wurden in zahlreichen kirchlichen und profanen Zeitschriften und Zeitungen in Russland sowie in Deutschland, Finnland, Griechenland, den USA, Italien und anderen Ländern veröffentlicht.
Alexei Osipov betonte in seinen anderen Werken mehrmals, dass ein Mensch nur dann fähig ist, ein Christ zu sein, wenn er einsieht, dass er (und nicht nur die Anderen) - also sein Geist, seine Seele und sein Körper - durch die nach der Ursünde erfolgte Beschädigung der menschlichen Natur krank, also sterblich, verweslich und sündhaft ist und daher leidet. In diesem Leiden sehnt sich der Mensch nach dem Heiland, also nach Gott, der in der Orthodoxie, im Gegenteil zu anderen Konfessionen, weder als gerechter Bestrafer noch als allesverzeihender Rechtfertiger, sondern u.a. als Heiler angesehen wird. Ein Mensch, der die schmerzende, zerstörerische Wirkung der Leidenschaften in sich selbst nicht erkennt und selbstzufrieden ist, braucht den Erlöser in der Regel nicht, was die freiwillige Einigung mit Gott ausschließe. Erst nachdem die Krankheit erkannt ist, kann die Heilung beginnen. Die Erkenntnis der eigenen Schwäche, der Beschädigung der menschlichen Natur, wird durch das Bemühen erreicht, die im Evangelium aufgezeichneten Gebote Gottes zu erfüllen. Ohne diese Erkenntnis ist Rettung unmöglich.
Also, laut der patristischen Überlieferung ist der erste Schritt zur Rettung, zur Erkenntnis Gottes und zur Vergöttlichung (wobei die Orthodoxie diese Begriffe in mehreren Hinsichten als Synonyme betrachtet) eben die durch das Gebet von Gott verliehene Gabe, die eigenen Sünden zu erkennen. Dieser Schritt des spirituellen Lebens entspricht dem, was Jesus in den zwei ersten göttlichen Seligpreisungen als Zustand der „Armen im Geiste“ und „über die eigenen Fehltritte Trauernden“ bezeichnet. Die weitere Erkenntnis Gottes erfolgt ebenfalls durch die Erfüllung seiner im Evangelium aufgezeichneten Gebote.
Ehrungen
Osipov wurde mit verschiedenen Orden der Russischen Orthodoxen Kirche und anderer Kirchen ausgezeichnet.
Veröffentlichungen (deutschsprachig)
Weblinks
- Offizielle Internetpräsenz (und Audiovorlesungen)
- Videovorlesungen (mit englischer Übersetzung)
- Die Lehre über das Jesusgebet nach dem Hl. Hierarchen Ignatius (Brjantschaninow)