Prelest

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Ein Beispiel der Prelest: die Verführung der ersten Menschen

Das kirchenslawische Wort „Prelest” (прелесть, wörtl.: "All-Schmeichel", „All-Lüge“), auch heute noch in Bezug auf spirituelles Leben viel verwendet, bedeutet „Irrtum, Täuschung, Verleitung, Blendwerk, Lüge, Betrug“ und ist ein Begriff, zu dem es in den europäischen Sprachen kein Äquivalent gibt. Es wird als „spirituelle Täuschung“ ("spiritual delusion”)," „spiritueller Irrtum” ("spiritual deception“) oder "Illusion", "Selbstverblendung", "religiöse Selbstüberschätzung" übersetzt, also die irrige Annahme einer Illusion als Wirklichkeit im Gegensatz zu spiritueller Nüchternheit. Außerhalb des spirituellen Kontexts wird dieses Wort auf Russisch häufig im Sinne von „Charme“, „Attraktivität“ verwendet.

Konnotativ beinhaltet Prelest die Verlockung in dem Sinne, wie die Schlange Eva über die verbotene Frucht täuschte. Der Hl. Ignatios Brjantschaninow versteht Prelest viel breiter, vgl. dazu: „Wir sind alle in Prelest“. Laut Prof. Dr. Alexei Osipov bedeutet dieser Satz vor allem, dass wir alle unsere eigenen Sünden und Fehltritte meist nicht bemerken und uns in einer trügerischen Selbstüberschätzung befinden. Dieser hervorragende Theologe, Anhänger der Lehre des Hl.Ignatios Brjantschaninow und der Starzen vom Optina-Pustyn-Kloster, definiert Prelest wie folgt: „Prelest ist ein spiritueller Zustand des Menschen, in dem er sich für heilig, vollkommen und Gottes und aller möglichen charismatischen Gaben für würdig hält“.




Aus dem Buch "Über Prelest" vom Hl. Hierarchen Ignatios (Brjantschaninow)

Heiliger Erleuchter Ignatios (Brjantschaninow)

Jünger: Erkläre mir bitte genau und ausführlich den Begriff Prelest. Was ist Prelest?

Starez: Prelest ist die Beschädigung der menschlichen Natur durch die Lüge. Prelest ist der Zustand aller Menschen, ohne Ausnahme, der durch den Sündenfall unserer Ahnen bewirkt wurde. Wir sind alle in Prelest (Anfang der 3. Homilie des Ehrwürdigen Symeon dem Neuen Theologen, veröffentlicht 1852 im Optina-Pustyn-Kloster). Das Wissen darüber ist die größte Verhütung gegen Prelest. Die größte Prelest ist es, sich von Prelest frei zu dünken. Wir sind alle betrogen, alle verleitet, befinden uns alle im falschen Zustand und benötigen die Befreiung durch die Wahrheit. Diese WAHRHEIT ist unser Herr Jesus Christus (Joh.8,32; 14,6). Mögen wir uns dieser Wahrheit durch den Glauben zu eigen machen; flehen wir zu dieser Wahrheit im Gebet, und sie wird uns aus der Untiefe der Selbsttäuschung und Verführung durch die Dämonen herausziehen. Bitterlich ist unser Zustand! Er ist ein Gefängnis, aus dem wir unsere Seele herauszuführen flehen, damit wir den Namen des Herrn preisen (Ps. 142,8). Er ist jene finstere Erde, in die unser Leben durch den Feind niedergeworfen wurde, der uns beneidet und verfolgt hat (Ps. 143,8). Er ist die Gesinnung des Fleisches (Röm.8,6) und die fälschlich so genannte Kenntnis (1 Tim.6, 20), mit der die ganze Welt verseucht ist, die die eigene Krankheit nicht anerkennt und sie als blühende Gesundheit ansieht. Er ist Fleisch und Blut, die das Reich Gottes nicht ererben können (1 Kor.15,50). Er ist der ewige Tod, welchen der Herr Jesus Christus heilt und vernichtet, der die Auferstehung und das Leben ist (Joh.11,25). Solcherart ist unser Zustand. Die Erkenntnis dessen ist ein neuer Anlass zu Tränen. Mögen wir in Tränen zu dem Herrn Jesus flehen, damit ER uns aus dem Gefängnis herausführt, aus den irdischen Ungründen herauszieht, aus dem Maul des Todes herausreißt. „Unser Herr Jesus Christus“, sagt der Ehrwürdige Symeon der Neue Theologe, „ist eben darum zu uns herniedergestiegen, weil er uns aus dem Gefängnis und der bösesten Prelest herausnehmen wollte“ (Anfang der 3. Homilie).

Jünger: Diese Erklärung ist meinen Begriffen nicht zugänglich. Ich brauche eine Erklärung, die einfacher und meinem Verständnis näher ist.

Starez: Als Mittel zur Vernichtung der Menschheit wurde von dem gefallenen Engel die Lüge angewendet (Gen.3,13). Aus diesem Grund nannte der HERR den Teufel einen Lügner, den Vater der Lüge und einen Menschenmörder von Anfang (Joh. 8,44). Den Begriff der Lüge hat der HERR mit dem Begriff des Menschenmordes eng verbunden, da das letztere eine unvermeidbare Folge des ersteren ist. Mit den Worten „von Anfang“ wird darauf hingewiesen, dass die Lüge für den Teufel von Anfang an als Instrument für den Menschenmord diente; sie dient ihm ständig als Instrument für den Menschenmord, zur Vernichtung der Menschen. Der Beginn aller Arten des Bösen ist ein lügnerischer Gedanke! Die Quelle der verführerischen Selbsttäuschung und der dämonischen Prelest ist ein lügnerischer Gedanke! Mittels der Lüge erschlug der Teufel die Menschheit in ihrer ersten Wurzel, in den Urahnen, mit dem ewigen Tod. Unsere Urahnen ließen sich zu Prelest verleiten, das heißt, sie nahmen die Lüge für die Wahrheit, und nachdem sie die Lüge hinter der Maske für die Wahrheit nahmen, beschädigten sie sich mit der unheilbar todbringenden Sünde, was auch unsere Urmutter bezeuge. Die Schlange betrog mich, und ich aß (Gen.3, 13). Seit jener Zeit strebt unsere Natur, mit dem Gift des Bösen verseucht, willkürlich und unwillkürlich das Böse an, das sich dem verzerrten Willen, dem verkehrten Verstand und dem verkehrten Gefühl des Herzens als Gutes und Genuss darstellt. Willkürlich, da es in uns noch einen Rest an Freiheit in der Wahl des Guten und des Bösen gibt. Unwillentlich, da dieser Rest an Freiheit nicht als volle Freiheit agiert, sondern unter dem unentziehbaren Einfluss der Beschädigung durch die Sünde. Solcherart werden wir geboren; es ist uns unmöglich, nicht solcherart zu sein, und daher befinden wir uns alle, ohne jegliche Ausnahme, im Zustand der verführerischen Selbsttäuschung und der dämonischen Prelest. Aus dieser Sicht auf den Zustand der Menschen in Bezug auf das Gute und das Böse, auf den Zustand, der notwendigerweise jedem Menschen zugehört, ergibt sich folgende Definition von Prelest, die sie hinreichend erklärt: Prelest ist die Aneignung der Lüge, die der Mensch für die Wahrheit hält. Ursprünglich wirkt Prelest auf die Denkweise; nachdem sie akzeptiert ist und die Denkweise verdorben hat, wird sie sofort dem Herzen mitgeteilt und verkehrt die Gefühle des Herzens; nachdem sie das Wesen des Menschen beherrscht hat, durchflutet sie all seine Aktivitäten, sie vergiftet selbst seinen Körper, der vom SCHÖPFER mit der Seele untrennbar verbunden ist. Der Zustand der Prelest ist der Zustand des Unterganges bzw. des ewigen Todes.

Seit der Zeit des Falls des Menschen erhielt der Teufel zu ihm einen ständigen Zugang (Zitat aus dem Ehrwürdigen Symeon des Neuen Theologen, [vorhanden] in der Homilie des Nikephoros dem Mönch: Ehrwürdiger Makarios der Große, Homilie 7, Kap. 2). Der Teufel hat Recht auf diesen Zugang, denn der Mensch hatte sich seiner Gewalt willkürlich durch Gehorsam unterworfen, er hatte den Gehorsam an Gott verworfen. Gott hat den Menschen erlöst, freigekauft. Dem erlösten Menschen ist die Freiheit gegeben, entweder Gott oder dem Teufel Gehorsam zu leisten, und damit diese Freiheit sich ungezwungen äußern kann, ist dem Teufel der Zugang zum Menschen gelassen. Sehr natürlich ist es, dass der Teufel sich alle Mühe gibt, um den Menschen im alten Verhältnis festzuhalten, oder sogar in noch größere Versklavung hineinzuführen. Dabei setzt er seine alte und immerwährende Waffe ein: die Lüge. Er bemüht sich, uns zu verleiten und zu betrügen, indem er sich auf unseren Zustand der verführenden Selbsttäuschung stützt, unsere Leidenschaften. Diese krankhaften Triebe bringt er in Bewegung; ihre tödlichen Erfordernisse verkleidet er als Anmut; er bemüht sich, uns zur Befriedigung unserer Leidenschaften zu bewegen. Einer, der dem Wort Gottes treu ist, gestattet sich diese Befriedigung nicht; er zügelt die Leidenschaften, indem er die Angriffe des Feindes abwehrt (Jak.4,7): indem er nach dem Evangelium gegen die eigene verführende Selbsttäuschung handelt, die Leidenschaften zähmt und dadurch den Einfluss der gefallenen Geister auf sich allmählich vernichtet, kommt er allmählich aus dem Zustand der Prelest in den Bereich der Wahrheit und der Freiheit (Joh. 8,32), deren Fülle durch den Hauch der Göttlichen Gnade geliefert wird. Einer, der der Lehre Christi untreu ist und dem eigenen Willen und dem eigenen Verstand folgt, unterwirft sich dem Feind und geht vom Zustand der verführenden Selbsttäuschung zum Zustand der dämonischen Prelest über; er verliert den Rest seiner Freiheit und unterwirft sich vollständig dem Teufel. Die Zustände der Menschen, die in der dämonischen Prelest sind, können sehr unterschiedlich sein, indem sie der Leidenschaft entsprechen, mit der Menschen verleitet und versklavt werden, und auch dem Ausmaß der Versklavung des Menschen durch die jeweilige Leidenschaft. Aber alle, die der dämonischen Prelest verfallen sind - also durch die Entwicklung der eigenen verführenden Selbsttäuschung in Gemeinschaft mit dem Teufel und in die Sklaverei eingetreten sind - befinden sich in der Prelest, das heißt, sie sind Tempel und Instrumente der Dämonen, Opfer des ewigen Todes, des Daseins in den Kerkern der Hölle.

Jünger: Zähle bitte die Arten der dämonischen Prelest, die aus falscher Gebetsübung stammt.

Starez: Alle Arten der dämonischen Prelest, denen der Gebetspraktiker unterworfen werden kann, alle Arten der dämonischen Prelest entstehen dadurch, dass in die Grundlage des Gebets keine Buße hineingelegt wird, und dass die Buße nicht zur Quelle, zur Seele, zum Zweck des Gebets geworden ist. Jeder, der sich in der Gebetsübung (Podwig des Gebets) aufgrund von etwas, was er gehört oder gelernt hat, übermäßig anstrengt, geht zugrunde als einer, der für sich keinen Leiter gewonnen hat. „Wenn jemand“, sagt der Ehrwürdige Gregor von Sinai in dem oben erwähnten Artikel, „mit der selbstüberschätzenden Anmaßung, die sich auf Einbildung beruht, (im Original: wenn jemand träumt, mit seiner Meinung die Höhen zu erlangen (“аще кто мечтает высокая со мнением доспети”)), träumt, die Zustände des hohen Gebets zu erreichen und sich nicht den wahren Eifer, sondern den satanischen angeeignet hat, den fängt der Teufel bequem mit seinen Netzen als eigenen Diener“. Jeder, der sich bemüht, zur Hochzeit des Sohnes Gottes nicht in reinen und hellen Kleidern zu erscheinen, die durch die Buße erlangt werden, sondern in seinen Lumpen, im Zustand des Alten Menschen, der Sündhaftigkeit und der verführenden Selbsttäuschung, wird hinausgeworfen in die äußere Finsternis , also in die dämonische Prelest. Ich rate dir, - sagt der Heiland an denjenigen, der zur mystischen Priesterschaft berufen ist, - Gold von mir zu kaufen, geläutert im Feuer, auf dass du reich werdest; und weiße Kleider, auf dass du bekleidet werdest, und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde; und Augensalbe, deine Augen zu salben, auf dass du sehen mögest. Ich überführe und züchtige, so viele ich liebe. Sei nun eifrig und tue Buße ! (Offenb.3,18-19). Die Buße und alles, woraus sie besteht, also: Zerknirschung bzw. Reue des Geistes, Weinen des Herzens, Tränen, Selbstverurteilung, Gedenken und Vorgefühl des Todes, des Gerichtes Gottes und der ewigen Qual, Empfindung der Präsenz Gottes, Gottesfurcht - all dies sind die Gaben Gottes, die Gaben, deren Preis sehr hoch ist, die Gaben, die primär und grundlegend sind, die Sicherheiten der höchsten und den ewigsten Gaben. Bevor sie erworben werden, ist eine Bescherung mit weiteren Gaben unmöglich. „Wie auch immer unsere Askese erhoben sein mag“, sagte der Heilige Johannes der Klimakos, „aber wenn wir nicht ein bereuendes Herz haben, ist diese ganze Askese sowohl falsch als auch vergeblich“ (Klimax, Teil 7). Buße, Zerknirschung des Geistes, Weinen - das sind die Zeichen, die Zeugnisse der Richtigkeit der Übung des Gebets (молитвеннаго подвига), und ihre Abwesenheit ist ein Zeichen der Abweichung in eine falsche Richtung, ein Zeichen verführender Selbsttäuschung, der Prelest oder der Fruchtlosigkeit. Beides, sowohl Prelest als auch Fruchtlosigkeit, sind unvermeidliche Folge der falschen Gebetsübung, und die falsche Gebetsübung ist von der verführenden Selbsttäuschung nicht zu trennen.

Die gefährlichste der falschen Arten des Gebets besteht darin, dass der Betende durch seiner Einbildungskraft Phantasien oder Bilder ersinnt, die er anscheinend aus der Heiligen Schrift entnimmt. In der Tat entnimmt er sie aber aus seinem eigenen Zustand, seinem eigenen Fall, seiner eigenen Sündhaftigkeit, seiner eigenen Selbsttäuschung, Mit diesen Bildern schmeichelt er seiner Eingebildetheit, seinem Ehrgeiz, seiner Hochmütigkeit, seinem Stolz; er belügt sich selbst. Offenbar ist, dass alles, was durch die Träumerei unserer Natur, unserer durch den [Sünden]fall verzehrten Natur ersonnen ist, in der Tat nicht existiere - es ist Fiktion und Lüge, dem gefallenen Engel so innewohnend, von ihm so geliebt. Von seinem ersten Schritt auf dem Weg des Betens geht ein Träumer aus dem Bereich der Wahrheit heraus, er betritt den Bereich der Lüge, in den Bereich des Satans und unterwirft sich willkürlich dessen Einfluss.

Der Heilige Symeon der Neue Theologe beschreibt das Gebet eines Träumers und seine Früchte wie folgt: „Er hebt seine Arme, seine Augen und seinen Verstand zum Himmel empor, er bildet sich in seinem Versand“, - ähnlich Klopstock und Milton, - „Göttliche Ratschlüsse, himmlische Freuden, Chöre der heiligen Engel, Einsiedlungen der Heiligen, - kurz gesagt, in seiner Einbildung sammelt er alles, was er in der Heiligen Schrift gehört hat, er betrachtet das während des Betens, schaut zum Himmel empor, und bei all dem regt sich seine Seele im Sehnen und zur Liebe zum Göttlichen, manchmal vergießt er Tränen und weint. Auf diese Weise, nach und nach, wird sein Herz eingebildet, ohne das dies vom Verstand eingesehen wird; er meint, dass das von ihm Vollzogene eine Frucht der Göttlichen Gnade sei, die zu seinem Trost diene, und er betet zu Gott darum, dass ER ihn würdige, immer in diesem Tun zu verbleiben. Dies ist ein Zeichen von Prelest. Für solch einen Menschen, auch wenn er in perfekter Schweigsamkeit verbleibt, ist es kaum möglich, dass er Geistesverwirrung und Verrücktheit entgeht. Wenn ihm das nicht geschehen sollte, ist es für ihn jedenfalls nicht möglich, die spirituellen Würden der Vernunft und der Tugend oder auch der Leidenschaftslosigkeit zu erreichen. Auf diese Weise ließen sich diejenigen verführen, die das Licht und sein Scheinen mit diesen körperlichen Augen sahen, die mit ihrem Geruchssinn liebliche Gerüche rochen, die mit ihren Ohren Stimmen hörten. Einige von denen wurden besessen und gingen, beschädigt in ihrem Verstand, von Ort zu Ort; die Anderen empfingen den Dämon, der die Gestalt des hellen Engels angenommen hatte, wurden getäuscht und blieben sogar bis zum Ende unberichtigt, ohne von einem der Brüder einen Ratschlag anzunehmen; einige von denen, vom Teufel angestiftet, töteten sich selbst: einige andere stürzten in Bergschlünde hinunter; andere erdrosselten sich. Und wer kann die verschiedenen Täuschungen durch den Teufel aufzählen, mit denen er täuscht und die unsagbar sind? Allerdings kann jeder vernünftiger Mensch aus dem, was von uns gesagt wird, lernen, welcher Schaden aus dieser Art des Gebets entsteht. Wenn aber jemand von denen, die sie praktizieren, keinem der oben genannten Unheile unterzogen wird (aufgrund dessen, dass sie mit ihren Brüdern zusammenleben, da solche Unheile meist alleine wohnenden Eremiten widerfahren), verbringt er sein ganzes Leben erfolglos“ (Über die erste Art der Aufmerksamkeit und des Gebets)

Alle heiligen Väter, welche die Übung (Podwig) des inneren Gebets beschrieben, verboten nicht nur, willkürlich Phantasien zu entwickeln, sondern warnten uns auch davor, uns den Phantasien und Erscheinungen, die uns plötzlich, unabhängig von unserem Belieben, überkommen mögen, auszuliefern. Dieses kann während der Übungen (Podwig) des Gebets geschehen, insbesondere in der Schweigsamkeit. „Nehme es keinesfalls an“, sagt der Hl. Gregor von Sinai, „wenn du etwas siehst, ob mit deinen sinnlichen Augen oder mit dem Verstand, ob innerhalb oder außerhalb dir, ob es das Bild Christi oder eines Engels oder irgendeines Heiligen ist, oder ob sich dir Licht darbietet… Sei aufmerksam und zurückhaltend! Erlaube dir nicht, solchem zu vertrauen; äußere weder Mitgefühl noch Zustimmung, traue keiner Erscheinung, auch wenn sie wahr und gütig wäre; bleibe ihr gegenüber kalt und fremd, halte deinen Verstand frei von Vorstellungen, auf dass er sich nichts einbilde und von keinem Bild vereinnahmt werde. Einer, der etwas in Gedanken oder sinnlich gesehen hat, auch wenn es von Gott wäre, und dies voreilig annimmt, verfällt leicht in Prelest; zumindest zeigt er seine Neigung und Fähigkeit zur Prelest auf, als einer, der Erscheinungen voreilig und leichtsinnig annimmt. Ein Neueinsteiger soll seine gesamte Aufmerksamkeit nur auf die Wirkung in seinem Herzen richten; nur diese Wirkung soll er für nicht-täuschend (nicht-prelesthaft) halten - den Rest soll er nicht annehmen, bevor er in die Leidenschaftslosigkeit eintritt. Gott erzürnt sich nicht über diejenigen, die, indem sie sich vor der Prelest fürchten, sich mit größter Vorsicht beobachten; und auch wenn sie etwas, was von Gott gesandt ist, nicht annehmen, bevor sie das Gesandte mit aller Sorgfalt betrachtet haben, lobt Gott solche sogar für ihre Vernünftigkeit.“ (Quelle s. oben)

Der Heilige Amphilochius, der noch in seiner Jugend ins Mönchstum eintrat, wurde in seinen reiferen Jahren und im Alter gewürdigt, das Leben eines Eremiten in der Wüste zu führen. Er zog sich in eine Höhle zurück, übte sich in Schweigsamkeit und erreichte große Fortschritte. Als vierzig Jahre seines Lebens als Eremit vollendet waren, erschien ihm in der Nacht ein Engel und sprach: „Amphilochius! Gehe in die Stadt und weide die geistlichen Schafe.“ Amphilochius blieb weiterhin auf sich selbst konzentriert und schenkte der Anordnung des Engels keine Aufmerksamkeit. In der nächsten Nacht erschien der Engel erneut und wieder holte die Anordnung und fügte hinzu, dass sie von Gott komme. Und wieder übte Amphilochius ihm gegenüber keinen Gehorsam, da er fürchtete, verleitet zu werden, und sich an die Worte des Apostels erinnerte, dass auch der Satan die Gestalt des Engels des Lichtes annimmt (2 Kor. 11, 14). In der dritten Nacht erschien der Engel wieder, und indem er sich durch die Lobpreisung des Herrn identifizierte, welche für ausgestoßene Geister unsagbar ist, nahm er die Hand des Starzen, brachte ihn aus seiner Zelle heraus und zur naheliegenden Kirche. Die Kirchentüren öffneten sich von selbst. Die Kirche wurde von einem himmlischen Licht beleuchtet, und darin waren viele heilige Männer in weißen Gewändern, und ihre Gesichter waren wie die Sonne. Sie weihten Amphilochius zum Bischof der Stadt Ikonien. (Menäon, für den 23. Novembertag)

- Im Falle des entgegengesetzten Verhaltens brachten die Hl. Isaak und Nikitas vom Kiewer Höhlenkloster, die im Eremitenleben neu und unerfahren waren, über sich ein grausamstes Übel, nachdem sie sich einer Erscheinung unbedacht anvertrauten. Dem Ersten erschien eine Menge von illuminierten Dämonen; einer der Dämonen nahm die Gestalt Christi an, und die anderen die Gestalt der heiligen Engel. Den Zweiten verführte der Dämon zunächst durch den Wohlgeruch und die Stimme, die göttlich wirkte, und dann erschien er ihm sichtbar in Gestalt eines Engels (Paterikon vom Kiewer Höhlenkloster). Die im monastischen Leben erfahrenen Mönche, die wahrlich heiligen Mönche fürchten sich viel mehr vor der Prelest, viel weniger vertrauen sie sich selbst als die Neulinge, insbesondere diese, die vom fieberhaften Streben nach Askese (Podwig) befallen sind. Mit herzlicher Liebe warnte der Hl. Mönch Gregor von Sinai einen Schweiger, für den er sein Buch geschrieben hatte, vor der Prelest: „Ich möchte, dass du über die Prelest eine bestimmte Vorstellung hast, damit du dich vor ihr hüten kannst,und damit du dir bei deinen Bestrebungen, die noch nicht durch das notwendige Wissen erleuchtet sind, nicht größten Schaden antuest und deine Seele verlierst. Das freie Belieben des Menschen neigt leicht zur Gemeinschaft mit unseren Gegnern, insbesondere das Belieben der Unerfahrenen und der Neulinge in der Askese (Podwig), da sie noch von Dämonen beherrscht werden.“ Wie wahr ist das! Unser freies Belieben neigt zur Prelest, es ist von ihr angezogen, da jede Prelest unserer Anmaßung, unserem Ehrgeiz und unserem Stolz schmeichelt. „Die Dämonen befinden sich in der Nähe der Neulinge und Eigenwilligen, wobei sie Netze von Gedanken und todbringenden Phantasien auswerfen und Fallgruben bauen. Die Stadt der Neulinge - ihr ganzes Wesen also - befindet sich immer noch in der Herrschaft der Barbaren… Gebe dich nicht aus Leichtsinn jedem hin, das sich dir vorstellt, sondern verbleibe, indem du das Gütige mit viel Nachsinnen behältst und das Lügnerische ablehnst… Wisse, dass die Wirkungen der Gnade klar sind; ein Dämon kann sie nicht spenden: er kann weder Sanftmut, noch Stille, noch Demut, noch Hass auf die Welt spenden; er zähmt weder Leidenschaft noch Lüsternheit, wie die Gnade es tut“. Seine Wirkungen sind: „Eingebildetheit“, - also Arroganz, Überheblichkeit – „Hochmütigkeit, Beängstigung, also alle Arten der Bosheit. An seiner Wirkung kannst du das Licht erkennen, das in deiner Seele erscheint - ob es von Gott ist oder vom Satan.“ (Philokalie) Man muss wissen, dass so ein Nachsinnen den fortgeschrittenen Mönchen zugehört, nicht aber den neu eingestiegenen. Auch wenn der Heilige Sinait mit den neu Eingestiegenen spricht, sind sie bezüglich des Leben in Schweigsamkeit neu eingestiegen; einer von denen, der sowohl nach seinem Verbleiben im Mönchstum als auch nach dem körperlichen Alter ein Starez war, so wie es aus dem Buch sichtbar ist.

Jünger: Ist es dir schon einmal geschehen, dass du jemanden gesehen hast, der wegen Schwärmerei während der Gebetsübungen in eine dämonische Prelest geraten war?

Starez: Ja, das ist mir geschehen. Ein Beamter, der in St. Petersburg wohnte, trieb intensive Gebetsübungen und geriet deswegen in einen ungewöhnlichen Zustand. Über seine Übungen und ihre Folgen berichtete er dem damaligen Erzpriester der Gottesmutter-Obhut-Kirche, die sich im Stadtteil Kolomna befindet. Dieser Erzpriester, der ein Kloster der St. Petersburger Diözese besuchte, bat einen Mönch dieses Klosters, mit dem Beamten zu sprechen. „Die bizarre Lage, in die der Beamte wegen seiner Übungen kam“, sprach der Priester zu Recht, „kann am passendsten von den Klosterbewohnern erklärt werden, da diese mit den Einzelheiten und Zufälligkeiten der asketischen Übung am besten vertraut sind.“ Der Mönch war einverstanden. Nach einer gewissen Zeit besuchte der Beamte dieses Kloster. Bei seinem Gespräch mit dem Mönch war auch ich anwesend. Der Beamte fing sofort an, von seinen Visionen zu sprechen - dass er beim Gebet ständig Licht an den Ikonen sehe, einen Wohlgeruch wahrnehme, eine außerordentliche Süße im Munde verspüre und so weiter. Nachdem der Mönch diesen Bericht gehört hatte, fragte er den Beamten: „Hatten Sie schon einmal den Gedanken, sich umzubringen?“ – „Und ob!“, antwortete der Beamte, „einmal habe ich mich schon in die Fontanka geworfen, aber man hat mich wieder herausgezogen.“ Es stellte sich heraus, dass der Beamte die vom Heiligen Symeon beschriebene Art des Gebets angewandt und sein Einbildungsvermögen und Blut dadurch sehr erhitzt hatte, wobei der Mensch zu intensivem Fasten und Wachen fähig wird. Diesem Zustand der willkürlich gewählten Selbsttäuschung hatte der Teufel seine Wirkung, die diesem Zustand verwandt ist, hinzugefügt, und die menschliche Selbsttäuschung war in eine deutliche Prelest übergegangen. Der Beamte habe das Licht mit seinen körperlichen Augen gesehen; den Wohlgeruch und die Süße, die er verspürt habe, waren ebenfalls sinnlich. Im Gegensatz dazu sind die Visionen der Heiligen und ihre übernatürlichen Zustände rein spirituell (Heiliger Isaak der Syrer, Homilie 55). Ein geistlicher ist dazu erst fähig, wenn die Augen seiner Seele durch die Göttliche Gnade geöffnet wurden, wie auch die anderen Gefühle der Seele, die bis dahin in Stillstand verblieben waren (Heiliger Symeon der Neue Theologe, Homilie über den Glauben): an der segenspendenden Vision nehmen auch die körperlichen Gefühle der Heiligen teil, aber erst dann, wenn der Körper vom leidenschaftlichen Zustand in den leidenschaftslosen Zustand übergeht. Der Mönch begann, den Beamten davon zu überzeugen, die bisher angewandte Art des Gebets sein zu lassen, indem er sowohl die Unrichtigkeit dieses Weges als auch die Unrichtigkeit des aus diesem Weg sich ergebenden Zustands erklärte. Der Beamte widersetzte sich diesem Ratschlag allerdings mit Verbitterung: „Wieso sollte ich auf das verzichten, was deutlich die Gnade ist?“

Während ich mir die Selbst-Erzählungen des Beamten anhörte, verspürte ich ihm gegenüber ein unsagbares Mitleid, und zugleich kam er mir irgendwie lächerlich vor. Zum Beispiel stellte er dem Mönch folgende Frage: „Wenn sich mir im Mund von der ergiebigen Süße die Spucke vermehrt, beginnt sie, auf den Boden zu tropfen: Ist das nicht sündhaft?“ Genau: diejenigen, die sich in der dämonischen Prelest befinden, erwecken Mitleid mit sich selbst, weil sie sich selbst nicht gehören und mit ihrem Verstand und Herzen in der Gefangenschaft des lügnerischen, verstoßenen Geistes befinden. Sie geben von sich aus auch ein lächerliches Bild ab: sie werden von dem lügnerischen Geist ausgelacht, der sie beherrscht, der sie in die Erniedrigung zwingt, indem er sie durch Ehrgeiz und Hochmut verführt hat. Die Verführten, die sich in Prelest befinden, begreifen weder ihre Gefangenschaft noch die Seltsamkeit ihres Verhaltens, wie offensichtlich diese Gefangenschaft und diese Verhaltensseltsamkeit auch immer wäre. Den Winter 1828/29 verbrachte ich im Ploschanskaja-Pustyn-Kloster (in der Orlow-Diözese). Damals lebte dort ein Starez, der sich in Prelest befunden hatte. Er hatte sich die Hand abgehackt, da er dadurch das evangelische Gebot zu erfüllen erhofft hatte, und hatte jedem erzählt, dass sie im St.-Simon-Kloster zu Moskau pietätvoll aufbewahrt und geehrt würde und dass er, dieser Starez, während er sich im Ploschanskaja-Pustyn-Kloster, das vom St.-Simon-Kloster fünfhundert Werst entfernt ist, verspüre, wenn der Archimandrit und die Brüder des Simon-Klosters diese seine Hand küssten. Der Starez war ins Zittern geraten, wobei er auch angefangen hatte, sehr laut zu zischen. Er hatte diese Erscheinung für eine Frucht des Gebets gehalten: aber den Zuschauern war sie wie eine Perversion vorgekommen, die nur Mitleid und Gelächter verdiente. Die Kinder, die als Waisen im Kloster lebten, hatten sich über diese Erscheinung amüsiert und sie vor den Augen des Starzen nachgeahmt. Der Starez hatte sich entzürnt, er hatte diesen oder jenen Jungen angegriffen und an den Haaren gezogen. Keiner der ansehlichen Mönche des Klosters hatte es geschafft, den Verführten zu überzeugen, dass er sich in einem irrigen Zustand, in einer seelischen Störung befunden hatte.

Als der Beamte wegging, fragte ich den Mönch: „Wieso hast du den Beamten nach dem Selbstmordversuch gefragt?“ Der Mönch antwortete: „So wie inmitten der Tränen des Sehnens nach Gott Minuten der besonderen Beruhigung des Gewissens kommen, worin der Trost der Weinenden besteht, so kommen auch inmitten des irrigen Genusses, der mit der dämonischen Prelest geliefert wird, Minuten, in denen sich die Prelest quasi entblößt und sich so kosten lässt, wie sie ist. Diese Minuten sind grausam! Ihre Bitterkeit und die mit dieser Bitterkeit erzeugte Verzweiflung sind unerträglich. Nach diesem Zustand, in die die Prelest bringt, wäre es für den Verleiteten am einfachsten, sie zu erkennen, und Maßnahmen zur Selbstheilung zu ergreifen. O Weh! Der Anfang der Prelest ist der Stolz, und ihre Frucht ist noch üppigerer Stolz. Ein Verleiteter, der sich in Prelest befindet, hält sich für ein Gefäß der Göttlichen Gnade; er verachtet die heilsamen Warnungen seiner Nächsten, wie schon der Heilige Symeon angemerkt hatte. Inzwischen werden die Anfälle der Verzweiflung immer stärker, und schließlich verwandelt sich die Verzweiflung in Geistesverwirrung und wird gekrönt durch Selbstmord. – Anfang dieses Jahrhunderts hatte sich in der St.-Sophronius-Pustyn-Kloster (der Diözese von Kursk) der Schema-Mönch Theodosius, der durch sein strenges und erhabenes Leben den Respekt der Brüder und der Laien erworben hatte, in Askese geübt. Einmal schien es ihm, dass er ins Paradies entrückt worden sei. Nachdem die Erscheinung vorbei gewesen war, war er zum Vorsteher gegangen, hatte ihm ausführlich über das Wunder berichtet und dabei auch Mitleid geäußert, dass er im Paradies nur sich selbst und keinen seiner Brüder gesehen hatte. Diese Tatsache war der Aufmerksamkeit des Vorstehers nicht entgangen: er hatte die Brüder zusammengerufen, ihnen voller Zerknirschung des Geistes über die Vision des Schema-Mönchs berichtet und ermahnte sie, ein eilfrigeres und gottgefälligeres Leben zu führen. Nach einer Weile hatten sich im Verhalten des Schema-Mönchs einige Seltsamkeiten zu zeigen begonnen. Schließlich wurde er in seiner Zelle von eigener Hand erhängt aufgefunden.

Mir geschah einmal folgender bewerkenswerte Fall. Ich wurde von einem Schema-Mönch aus Athos besucht, der in Russland Spenden sammelte. Wir setzten uns in meine vordere Zelle, und er begann zu erzählen: „Bete für mich, Vater, da ich viel schlafe und viel esse.“ Während er mir das sagte, verspürte ich die Hitze, die von ihm ausging; daher antwortete ich ihm: „Weder schläfst du noch isst du viel, aber gibt es in dir nicht etwas Besonderes?“. Und ich bat ihn, in meine innere Zelle hineinzukommen. Während ich vor ihm herging und die Tür zur inneren Zelle öffnete, bat ich Gott in Gedanken darum, ER möge meiner dürstenden Seele ermöglichen, von diesem Priester und Schemamönch aus Athos geistlichen Gewinn zu erhalten, falls er ein wahrer Knecht Gottes sei. Genau: ich bemerkte an ihm etwas Besonderes. In der inneren Zelle setzten wir uns zum Gespräch, und ich begann ihn zu bitten: „Gewähre mir eine Gnade: lehre mich beten. Du lebst in dem monastischen Ort, der auf Erden der Erste ist, mitten unter Tausenden von Mönchen: an einem Ort, wo so viele Mönche sich versammelt haben, müssen sich sicherlich die größten Beter befinden, die das geheime innere Tun des Gebets kennen und es ihren Nächsten beibringen, nach dem Vorbild von Gregor dem Sinait, Gregor Palamas und viele andere Athos-Leuchten“. Der Priester-Schemamönch stimmte sofort zu, mein Lehrer zu werden - was für ein Schreck! Höchst erhitzt begann er, mir die oben genannte Methode des exaltierten, verträumten Gebets zu vermitteln. Ich sah, dass er sich in grässlicher Erhitzung befand, dass bei ihm sowohl das Blut als auch das Einbildungsvermögen erhitzt waren, und dass er sich also in Selbstgefälligkeit, in Selbstentzückung, in Selbstverfühung, in Prelest befand! Nachdem ich ihn hatte aussprechen lassen, begann ich nach und nach, in der Art eines gelehrigen Schülers, ihm die Lehre der heiligen Väter über das Gebet vorzustellen, wobei ich sie in der Philokalie aufzeigte und ihn bat, mir diese Lehre zu erklären. Der Athonit wurde ganz konfus. Ich sah, dass ihm die Lehre der Väter über das Gebet recht wenig vertraut war. Unser Gespräch ging weiter, und ich sagte ihm: „Siehe zu, Starez, dass du, während du in St. Petersburg wohst, keinesfalls eine Wohnung im oberen Geschoss nimmst; nimm unbedingt eine Wohnung im Untergeschoss.“ „Warum?“, fragte der Athonit. „Damit die Engel“, - antwortete ich, „falls sie auf die Idee kommen sollten, dich zu entrücken und von St. Petersburg nach Athos zu bringen, und sie dich aus dem Obergeschoß tragen und doch fallen lassen, du zu Tode stürzen würdest; wenn sich dich aber aus dem Untergeschoss tragen und fallen lassen, wird es dir nur ein wenig weh tun.“ „Stell dir vor“, sagte der Athonit, „ schon mehrmals kam mir, während ich betete, der lebhafte Gedanke, dass Engel mich entrückten und nach Athos brächten!“ Es stellte sich heraus, dass der Priester-Schemamönch Fesseln trug, fast gar nicht schlief, sehr wenig Essen zu sich nahm und im Körper derartige Hitze verspürte, dass er im Winter keine warme Kleidung brauchte. Zum Ende des Gesprächs kam mir der Gedanke, den Athoniten zu bitten, als Faster und geistlicher Vorkämpfer an sich die Methode auszuprobieren, die von den heiligen Vätern überliefert ist und darin besteht, dass sich der Verstand während des Gebets jeglicher Schwärmerei enthalte und sich ganz in die Worte des Gebets versenke; dass er sich, nach dem Ausspruch des Heiligen Johannes Klimakos, in die Worte des Gebets einschließt und einnistet (Klimax. Wort 28, Kap. 17). Dabei steht das Herz normalerweise dem Verstand durch das heilsame Gefühl der Trauer über die eigenen Sünden bei, so wie der Heilige Mönch Markus der Asket gesagt hatte: „Der Verstand, der unabgelenkt betet, engt das Herzen ein: und ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wird Gott nicht verachten (Ps 51, 19. Kapitel, über jene, die meinen, aus Werken gerechtfertigt zu werden, Kapitel 34, Philokalie, Band 1). „Nachdem du es bei dir erprobt hast“, sagte ich dem Athoniten, „gebe auch mir über die Frucht deiner Erfahrung Bescheid; für mich selbst ist eine solche Erfahrung nicht bequem, da ich ein zerstreutes Leben führe.“ Der Athonit ließ sich auf meinen Vorschlag gerne ein. Nach einigen Tagen kam er zu mir und sagte: „Was hast du mit mir gemacht?“ – „Was denn?“ – „Tja, als ich probierte, mit Aufmerksamkeit zu beten und dabei den Verstand in die Worte des Gebets einzuschließen, sind all meine Visionen verschwunden, und ich kann nicht mehr zu ihnen zurückkehren“. Ferner sah ich im Gespräch mit dem Athoniten keine Anmaßung und Hochmut mehr, die bei unserem ersten Treffen noch so sichtbar gewesen waren und üblicherweise in Leuten sichtbar sind, die sich in verführerischer Selbsttäuschung befinden und sich für heilig oder spirituell fortgeschritten halten. Der Athonit äußerte sogar den Wunsch, sich meinen armseligen Ratschlag anzuhören. Als ich ihm riet, sich in seinem äußeren Lebensstil von den anderen Mönchen nicht zu unterscheiden, da solches Unterscheiden zu Hochmut führe (Klimax. Wort 4, Kap. 82, 83. Hl. Mönch Barsonuphios der Große. Antwort 275. Die Vita und die Belehrungen des Hl.Mönches Apollos. Alphabetisches Paterikon), legte er seine Fesseln ab und gab sie mir. Einen Monat später war er wieder bei mir und sagte, dass er keine Hitze mehr im Körper habe, warme Kleidung benötige und viel mehr schlafe. Dabei sagte er, dass auf dem Athos-Berg viele, auch von denen, die den Heiligkeitsruhm haben, die Gebetsmethode praktizieren, die auch er praktiziert habe, und sie auch den Anderen beibringen. Dies ist auch nicht erstaunlich! Der Heilige Symeon der Neue Theologe hatte acht Jahrhunderte vor unserer Zeit gesagt, dass nur sehr Wenige das aufmerksame Gebet üben (Über die dritte Form des Gebets. Philokalie, Teil 1). Als der Hl. Mönch Gregor der Sinait, der im 14. Jahrhundert nach Geburt Christi lebte, auf dem Athos-Berg ankam, fand er, dass viele Mönche keine Ahnung über das innere Gebet hatten und nur die körperliche Askese übten, wobei die Gebete mündlich und laut verlesen wurden (s. die Vita des Hl. Gregor dem Sinaiten. Philokalie, Teil 1). Der Hl. Mönch Nilus von Sora, der Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts lebte und auch den Athos-Berg besuchte, sagte, dass in seiner Zeit die Anzahl aufmerksamer Beter sich extrem verringert habe (Vorwort der Überlieferung des Skitenstatuts). Der Starez Archimandrit Paisij (Welitschkowski) zog 1747 von Moldawien auf den Athos-Berg. Er machte sich rasch mit allen Klöstern und Skiten bekannt und sprach mit vielen Starzen, die nach einhelliger Meinung des Heiligen Berges als die erfahrensten und heiligsten Mönche galten. Als er aber anfing, diese Mönche nach den Büchern der Heiligen Väter, die über das innere Gebet geschrieben hatten, zu fragen, stellte sich heraus, dass sie nicht nur von der Existenz dieser Schriften nichts wussten, sondern nicht einmal die Namen der heiligen Schriftsteller kannten; damals gab es die Philokaie nicht auf Griechischen Sprache gedruckt (Ein Abschnitt aus einem Brief des Starzen Paisij an den Starzen Theodosius. Die Schriftwerke Paisijs. Ausgabe des Optina-Pustyn-Klosters).

Das aufmerksame Gebet bedarf der Selbstverleugnung, und zur Selbstverleugnung entscheiden sich nur Wenige. Einer, der in seiner Aufmerksamkeit in sich selbst eingeschlossen ist, der angesichts der eigenen Sündhaftigkeit erschrickt, und zur Weitschweifligkeit und generell zu Effekt und Schauspielerei nicht fähig ist, kommt denen, die keine mystische Askese (Podwig) kennen, irgendwie seltsam, rätselhaft und in jeder Hinsicht mangelhaft vor. Ob es leicht fällt, sich von der Meinung dieser Welt zu verabschieden? Und was die Welt betrifft: wie kann sie einen Vorkämpfer des Wahren Gebets erkennen, wenn diese Askese (Podwig) der Welt gar nicht bekannt ist? Ganz anders geht es einem, der sich in verführerischer Selbsttäuschung befindet! Er isst nicht, und er trinkt nicht; im Winter läuft er bloß im Talar; er trägt Fesseln, hat Visionen, belehrt und bezichtigt alle frech und dreist, ohne jegliches Recht, ohne Sinn und Zweck, in körperlicher, leidenschaftlicher Hitze des Blutes und aufgrund dieser bitterlichen, todbringenden Erhitzung. Er ist heilig, natürlich! Seit langem ist das Streben danach in der menschlichen Gesellschaft sichtbar. Denn ihr ertraget es, schrieb Apostel Paulus an die Korinther, wenn jemand euch knechtet, wenn jemand euch aufzehrt, wenn jemand von euch nimmt, wenn jemand sich überhebt, wenn jemand euch ins Gesicht schlägt (2.Kor 11,20). Weiter sagte der Heilige Apostel, dass er, während er in Korinth gewesen war, sich weder frech noch dreist verhalten konnte: sein Verhalten war von Bescheidenheit, Sanftmut und Gelindigkeit geprägt (2.Kor 10, 1). Der größte Teil der geistlichen Glaubenskämpfer der Westkirche, die als große Heilige angesehen werden, haben, nachdem sie von der Ostkirche abgefallen waren und der Heilige Geist sich von ihnen abgewandt hatten, auf die oben beschriebene Weise gebetet und Visionen erlebt, die freilich falsch gewesen waren. Diese angeblichen Heiligen bedanden sich in schrecklicher, dämonischer Prelest. Die Grundlage, auf der Prelest natürlicherweise beruht, ist die Blasphemie, durch die der dogmatische Glaube bei den Häretikern verzerrt ist. Das Verhalten der von der Prelest befallenen geistlichen Vorkämpfer der Römischen Kirche war schon immer exaltiert, und zwar aufgrund der außergewöhnlichen körperlichen, leidenschaftlichen Erhitzung. In einem solchen Zustand befand sich Ignatius Loyola, der Stifter des Jesuitenordens. Sein Einbildungsvermögen war so erhitzt und ausgeklügelt, dass ihm ohne Mühe sofort die Hölle oder das Paradies erschien, je nach seinem Wunsch. Die Erscheinungen des Paradieses bzw. der Hölle vollzog sich nicht durch die Wirkung des menschlichen Einbildungsvermögen allein; sondern vollzog sich durch die Wirkung der Dämonen, die ihre Wirkung der unzureichenden Wirkung des Menschen hinzufügten; diese Wirkungen miteinander verbanden, so dass sie sich ergänzten, und das auf der Grundlage des freien Willens eines Menschen, der eine falsche Richtung gewählt und sich angeignet hatte. Es ist bekannt, dass den wahren Heiligen ihre Visionen ausschließlich durch das Wohlwollen Gottes und die Wirkung Gottes zuteil werden, und nicht nach eigenem Willen und Belieben beschert - und zwar unerwartet, äußerst selten, in besonderen Notfällen, nach der himmlischen Vorsehung Gottes und nicht zufällig (Hl. Isaak der Syrer. Homilie 36). Die verstärkte Askese (Podwig) derjenigen, die sich in Prelest befinden, steht normalerweise der tiefen Unsittlichkeit nahe. Diese Unsittlichkeit entspricht der Stärke der Flammen, die den Verführten verzehrt. Dies wird auch durch die Geschichte und das Zeugnis der Väter bestätigt. „Einer, der den Geist der Prelest“ (in den von ihm dargestellten Erscheinungen) sieht“, sagte der Hl.Mönch Maximus der Kavsokalivit, „verfällt häufig der Wut und dem Zorn; der Wohlgeruch der Demut oder des Gebets, oder auch der wahren Tränen, hat in ihm keinen Platz. Im Gegenteil prahlt er ständig mit seinen Tugenden, ist eingebildet und gibt sich seinen lügnerischen Leidenschaften stets ohne Angst hin (Das Gespräch des Hl.Maximus mit dem Hl. Gregor von Sinai).

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