Kanonisation: Unterschied zwischen den Versionen

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In der Ostkirche sind formale Verfahren dieser Art nicht entwickelt worden, obwohl die Kanonisation im Allgemeinen auf denselben Prinzipien beruht. Das bedeutendste Moment bleibt die Wunderwirkung als deutlichster Hinweis auf die Heiligkeit des Verstorbenen und auf das Wirken der göttlichen Gnade in ihm und durch ihn. Die Russische Kirche misst darüber hinaus der Unverweslichkeit von Reliquien große (wenn auch nicht entscheidende) Bedeutung zu.
In der Ostkirche sind formale Verfahren dieser Art nicht entwickelt worden, obwohl die Kanonisation im Allgemeinen auf denselben Prinzipien beruht. Das bedeutendste Moment bleibt die Wunderwirkung als deutlichster Hinweis auf die Heiligkeit des Verstorbenen und auf das Wirken der göttlichen Gnade in ihm und durch ihn. Die Russische Kirche misst darüber hinaus der Unverweslichkeit von Reliquien große (wenn auch nicht entscheidende) Bedeutung zu.


===== Kanonisation in der Russischen Kirche =====
==== Kanonisation in der Russischen Kirche ====
In der Geschichte der russischen Kirche gibt es fünf Perioden der Heiligsprechung:
In der Geschichte der russischen Kirche gibt es fünf Perioden der Heiligsprechung:



Version vom 14. Februar 2023, 11:51 Uhr

Kanonisation (gr. άναχερύσις, lat. canonizatio, von gr. χανών bedeutet „Liste, Katalog“), die Verherrlichung eines verstorbenen Gerechten (Asketen, Hierarchen, Martyrers) als dem Chor der Heiligen zugehörig. Die Kanonisation als festgelegtes Verfahren hat sich relativ spät und zudem nicht in allen kirchlichen Traditionen herausgebildet.

Die erste dokumentierte K. bezieht sich auf den heiligen Ulrich (Uldaric; † 973), Bischof von Augsburg. Sie erfolgte durch Papst Johannes XV. (985-996) am 31. Januar 993 auf einem Bischofskonzil in der Lateranbasilika von Rom. Der teilnehmende Bischof Liutolf von Augsburg trug den versammelten Bischöfen die Vita und die Wunder des heiligen Ulrich vor. Die Lesung wurde von Applaus begleitet, und am selben Tag erarbeitete der Papst eine Bulle, in der Ulrich als verehrungswürdig im Chor der Heiligen anerkannt wurde. Diese päpstliche Bulle seiner K. ("Cum Conventus") ist überliefert. Sie stammt vom 3. Februar 993. Heilige, die vor 1054 kanonisiert wurden, werden als Heilige der ungeteilten Kirche auch von orthodoxen Gläubigen verehrt und angerufen.

Kriterien

Neben orthodoxem Glauben und heiligmäßigem Lebenswandel ist die fortwährende Verehrung durch die Gläubigen ein wichtiges Kriterium. Wichtige Indizien dafür, dass ein solcher Mensch Aufnahme beim Herrn gefunden hat, sind weiterhin seine zu Lebzeiten errungenen Gaben des Heiligen Geistes, wie etwa Prophetie oder Hellsichtigkeit, sowie von ihm gewirkte Wunder; unverwesliche Reliquien werden ebenso als Anzeichen seiner Verherrlichung gedeutet.

Lokale und gesamtorthodoxe Verherrlichung

Heiligenverehrung kann auf eine oder einige Eparchien beschränkt sein (lokal verehrte Heilige), oder sich auf die gesamte Orthodoxie erstrecken. Die Feststellung erfolgt dann durch ein Konzil oder eine Bischofssynode der jeweiligen Ortskirche, und die Namen der Heiligen werden auch den anderen Ortskirchen zur Aufnahme in die Heiligenkalender und zur Verehrung übermittelt.

Für jeden Heiligen wird mindestens ein Gedenktag festgesetzt, ggf. werden auch liturgische Texte (Tropar und Kontakion, evtl. auch ein Akathistos) zugelassen.

Geschichte

Kanonisation in der Alten Kirche

In der alten Kirche gab es keine Kanonisation als solche. Die Kirchengemeinde oder eine Einzelperson erhielt in der Regel den Segen des Bischofs für die Aufbewahrung der Reliquien des Heiligen und für die jährliche Feier seines Gedenkens. Mit der Entwicklung der Heiligenverehrung drückte sich diese Anerkennung in der Aufnahme des Namens des Heiligen in Diptychen und Martyrologien aus; die für das Leben der Kirche im 4.-6. Jahrhundert so wichtige Sammlung von Märtyrerberichte (Acta Martyrum, Acta Sanctorum) war offenbar nicht direkt mit der Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung ihrer Heiligkeit verbundenGrundsätzlich war für die Gläubigen der ersten Jahrhunderte des Christentums und des frühen Mittelalters Heiligkeit etwas Offensichtliches, „die leuchtend weiße Schar der Auserwählten“ (hl. Gregor von Tours) wurde der Kirche als gegeben offenbart: die im christlichen Bewusstsein der Neuzeit so bedeutende Herausforderung, Heiligkeit unter Beweis stellen zu müssen, war für die Frühzeit irrelevant. Zwar führt die afrikanische Kirche im 4. Jahrhundert eine Unterscheidung zwischen anerkannten und nicht anerkannten Heiligen (inter vindicatos et non vindicatos) ein; es ging dabei jedoch nicht so sehr um die Anerkennung der Heiligkeit, sondern um die Feststellung der Zugehörigkeit zur Orthodoxie des Verstorbenen – dies war deshalb wichtig, weil auch die Häretiker ihre eigenen Märtyrer verehrten und es notwendig war, die in der Orthodoxie verstorbenen Gerechten von denen zu unterscheiden, die den Märtyrertod gefunden, jedoch ihrer Häresie nicht entsagt hatten.

Kanonisation in der Ostkirche

Als die Heiligenverehrung zur allgemeinkirchlichen Tradition wurde, konnte die Einsetzung der gesamtkirchlichen Verherrlichung offenbar das Ergebnis eines konziliaren Beschlusses (insbesondere in Streitfällen) oder eines Beschlusses des Kirchenprimas (Patriarchen) sein. Es gibt für die Frühzeit jedoch keine Belege über solche Entscheidungen. Das erste uns bekannte patriarchale Dekret über die Proklamation eines asketischen Heiligen stammt aus der Zeit des Patriarchen Photius von Konstantinopel (ca. 810 - ca. 895). Bekannt ist auch der Erlass von Kaiser Leo dem Weisen (886-911), der befahl, dass in der ganzen griechischen Kirche Feiern zu Ehren einiger der am meisten verehrten Heiligen abgehalten werden sollten (dieser Erlass führte jedoch keineswegs die Verehrung ein, sondern regelte sie nur die bereits etablierte Tradition). Im Grundsatz erfolgt die Zuschreibung zum Chor der Heiligen in der griechischen Kirche durch den eingesetzten Bischof und bedarf keiner Genehmigung; die höchsten hierarchischen Instanzen handeln erst, wenn die lokale Verehrung in eine allgemeinkirchliche umgewandelt werden soll. Es gibt auch keine besondere Ordnung der Kanonisation. Die Zuschreibung wird mit einem feierlichen Gottesdienst zu Ehren des neuen Heiligen und der Aufnahme seines Namens in den Kalender für die jährliche Feier seines Gedenkens gefeiert.

Kanonisation in der Westkirche

Anders sieht es in der Westkirche aus. Auch hier stand zunächst das Recht der „Aufbewahrung heiliger Reliquien im Altar zu ihrer Verehrung“ den Bischöfen zu, obwohl sich die Verehrung einzelner Gerechter weiterhin spontan außerhalb der strengen Kontrolle der kirchlichen Autoritäten entwickelt; Karl der Große hielt es für notwendig, in seinen Kapitularen festzulegen, dass der Verehrung eines Heiligen seine Anerkennung vorausgehen soll, zumindest durch einen Ortsbischof. Der erste bekannte formelle Akt zur Etablierung der Verehrung ist die Kanonisation des hl. Ulrich von Augsburg im Jahr 993. Um 1170 beschließt Papst Alexander III., dass niemand ohne die Entscheidung der römischen Kirche, d. h. ohne päpstliche Zustimmung als Heiliger verehrt werden darf. Diese Regelung ist im Dekretal von Papst Gregor IX. enthalten und wird nun Teil des westlichen Kirchenrechts. Mit der Zeit wird die „Heiligsprechung“ zu einem streng geregelten Verfahren. Frühestens 50 Jahre nach dem Tod eines Gerechten führt die Ritenkongregation (Sacra Rituum Congregatio) auf Wunsch des örtlichen Klerus und des Bischofs eine dreifache Untersuchung der Lebensumstände des Verstorbenen und der von ihm vollbrachten Wunder (zu Lebzeiten bzw nach dem Tod) durch. Danach stimmt die Kongregation ab und verkündet bei positivem Abstimmungsergebnis den Verstorbenen als Seligen (Beatus); Dieses Verfahren wird als „Seligsprechung“ (beatificatio) bezeichnet. Nach diesem Verfahren ist die lokale Verehrung zugelassen; wenn danach neue Wunder geschehen, stellt sich die Frage der „Heiligsprechung“ (für die allgemeinkirchliche Verehrung). Die Entscheidung darüber verkündet der Papst persönlich nach einem besonderen Ritus mit der Formel „Wir entscheiden und stellen fest, dass der selige N. ein Heiliger ist“ (decernimus et definimus beatum N sanctum esse).

Im römischen Kirchenrecht sind die Bedingungen der Heiligsprechung mit größter formaler Präzision formuliert. Diese beinhalten:

  • die etablierte kirchliche Tradition der Verehrung des zu Kanonisierenden,
  • die Manifestation von Wundern an seinem Grab,
  • das Bittgesuch auf Heiligsprechung,
  • die Fertigstellung seiner Vita.

In der Ostkirche sind formale Verfahren dieser Art nicht entwickelt worden, obwohl die Kanonisation im Allgemeinen auf denselben Prinzipien beruht. Das bedeutendste Moment bleibt die Wunderwirkung als deutlichster Hinweis auf die Heiligkeit des Verstorbenen und auf das Wirken der göttlichen Gnade in ihm und durch ihn. Die Russische Kirche misst darüber hinaus der Unverweslichkeit von Reliquien große (wenn auch nicht entscheidende) Bedeutung zu.

Kanonisation in der Russischen Kirche

In der Geschichte der russischen Kirche gibt es fünf Perioden der Heiligsprechung:

  • die erste Periode von der Taufe der Rus bis zu den Konzilien von 1547 und 1549;
  • die zweite Periode, die diese beiden Konzilien unter Metropolit Makarios umfasst;
  • die dritte Periode von diesen Konzilien bis zur Gründung des Synods (1721);
  • die vierte Periode, die Synodalzeit (1721-1917);
  • die fünfte Periode seit Wiederherstellung des Patriarchats und bis heute.

In der ersten Periode erfolgt die Heiligsprechung vor allem durch Diözesanbischöfe, teilweise nimmt die Verehrung einen gesamtrussischen Charakter an. Insgesamt wurden in dieser Zeit mehr als 60 Heilige verherrlicht, darunter die Leidensdulder Boris und Gleb, die Apostelgeichen Olga und Wladimir, heilige Bischöfe (z. B. Leontij von Rostow und später die Moskauer heiligen Bischöfe Peter, Alexi und Jona), Ehrwürdige (beginnend mit Anthonios und Theodosios vom Höhlenkloster), heilige Fürsten (z. B. Alexander Newski), Märtyrer (z. B. Fürst Michail von Tschernigow und sein Bojar Theodor), „Selige“, d. h. heilige Narren (z. B. Nikolai Kochanow oder Maxim, der heilige Narr aus Moskau).

Auf den Konzilien von 1547 und 1549 wurden 39 Heilige gleichzeitig verherrlicht. Die Kanonisation einer ganzen Reihe russischer Heiliger auf diesen Konzilien war mit den Kirchenstaatsreformen von Metropolit Makarios und Iwan dem Schrecklichen verbunden, mit der Errichtung des Moskauer Königreichs als christliches Reich, das den Platz von Byzanz in kirchlicher und staatlicher Hinsicht erbte. Einer der Aspekte dieses Prozesses war die Sammlung der Heiligen des russischen Landes, die zuvor lokal verehrt wurden, die Zusammenstellung ihrer Viten und der liturgischen Texte zu ihrer Verehrung. Unter den Heiligen, die bei diesen Konzilen verherrlicht wurden, befanden sich der heilige Stephanos von Perm, die Märtyrer Antonius, Johannes und Eustathios von Litauen, die heiligen Zosima und Sawwati von Solovetsk.

Von der Zeit der Konzile des Makarios bis zur Gründung des Synods wurden mehr als 130 Heilige verherrlicht. Bei einigen von ihnen sind die Umstände ihrer Kanonisation unbekannt, und es kann angenommen werden, dass diese nach der bisherigen Ordnung durchgeführt wurde, d. h. durch Entscheidung des zuständigen Bischofs. Zu den Heiligen, die in dieser Zeit heiliggesprochen wurden, gehören der Mönch Joseph von Wolotzk, die Heiligen Gurios und Germanos von Kasan, der selige (heilige Narr) Basilius von Moskau und andere.

Die rationalistischen Ideen, die der Kirchenpolitik Peters I. zugrunde liegen, und der Wunsch dieses Zaren sowie vieler nachfolgender Monarchen, das kirchliche Leben unter staatliche Kontrolle zu stellen, führen zu wesentlichen Veränderungen in der Praxis der Kanonisation. Volksverehrung nicht kanonisierter Gerechter, Anbetung ihrer Reliquien usw. wird von den staatlichen Behörden als Aberglaube angesehen (was sich im „Geistlichen Reglement“ widerspiegelte), und jede Volksfrömmigkeit insgesamt als gegen staatliche Interessen verstoßend empfunden. Der staatliche Druck bestimmt weitgehend die Politik des Synods. Es gibt nur wenige Kanonisationen während der Synodalzeit (weniger als zehn), und das Verfahren wird komplizierter und formalisierter; dies ändert sich ein Stückweit erst wieder in der Regierungszeit von Nikolaus II. Während dieser Zeit wurden die Heiligen Dimetri von Rostow, Mitrofan von Woronesch, Innozenz von Irkutsk, Tichon von Sadonsk, der Patriarch von Moskau Hermogen, Joasaph von Belgorod, die Heiligen Theodosius von Totemsk und Seraphim von Sarow heiliggesprochen.

Unter sowjetischer Herrschaft hatte die Kirche lange Zeit keine Gelegenheit, die Verehrung neuer Heiliger zuzulassen. Die Kanonisation neuer Heiliger wurde erst in den letzten Jahrzehnten wieder aufgenommen. Unter denen, die damals verherrlicht wurden, waren der heilige Germanos von Alaska, der heilige Innozenz von Moskau, der den Aposteln gleichgestellte Nikolaus von Japan, der Patriarch Tichon, Johannes von Kronstadt und andere. Beim Bischofskonzil von 2000 in Moskau fand eine beispiellose Verherrlichung von mehr als 1.000 Neumärtyrern und Bekennern Russlands statt.

Sonstiges

Der im Deutschen übliche Begriff der "Heiligsprechung" ist aus orthodoxer Sicht ungünstig, da Heiligkeit sich den Menschen offenbart und deshalb lediglich festgestellt, jedoch nicht festgelegt werden kann. Auch der Begriff "Kanonisation" ist nicht völlig zutreffend, da er die Betonung auf das Feststellungsverfahren legt, nicht auf die grundlegende Verehrung eines Heiligen im Kirchenvolk. Dies widerspiegelt nicht die Tradition aller orthodoxen Teilkirchen; vorzugsweise sollte von "Verherrlichung" gesprochen und "Kanonisation" nur im engeren Sinne für den formalen Verfahrensteil verwendet werden.