Schweißtuch Christi zu Mainz

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Artikel: Die hl. Äbtissin Bilhildis und das Schweißtuch Christi zu Mainz, Teil 2

Wie schon angedeutet wurde soll nun noch einmal genauer auf das Schweißtuch Christi eingegangen werden, das der Legende nach der hl. Bilhildis geschenkt worden sein soll. Es ist in Mainz heute fast völlig vergessen - wie die meisten der Wallfahrtsstätten in Mainz. Bei dem Schweißtuch soll es sich um das Tuch handeln, dass nach dem Evangelium (Joh. 20,7) von den Aposteln Petrus und Johannes im Grab Jesu abgesondert von den anderen Grabtüchern gefunden wurde.


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Vor der genaueren Betrachtung des Tuches muss festgehalten werden, dass die Echtheit heute kaum mit Sicherheit festgestellt werden kann. Fest steht aber, dass das Tuch seit der Schenkung an die hl. Bilhildis eine stark verehrte Reliquie war, die sogar einen eigenen Wallfahrtstag hatte.


Die Herkunft des Tuches

Man nimmt an, dass die Apostel die Grabtücher und das Schweißtuch Christi als Beweis der Auferstehung des Herrn an sich nahmen. So kann man also davon ausgehen, dass das Schweißtuch vorerst in Palästina blieb.

Das bestätigt auch der Bericht eines fränkischen Bischofs namens Arculph, der im Jahr 637 die heiligen Stätten im Heiligen Land besuchte. Auf seiner Rückreise wurde er durch ein Unwetter nach England verschlagen. Dort erzählte er seine Erlebnisse einem gewissen Abt Adamnanus, der sie schriftlich festhielt. Auf diese schriftlichen Quellen stützte sich später der hl. Mönch Beda Venerabilis in seinen Geschichtsbüchern. Dort wird erwähnt, dass Bischof Arculph das Schweißtuch auf Sion gesehen und verehrt hatte. Erst nach dieser Zeit soll das Schweißtuch ins Abendland gelangt sein. Auf welche Weise dies geschah ist bis heute nicht geklärt.


Das Schweißtuch in Altmünster


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In den Berichten über die hl. Bilhildis wird erwähnt, dass sie das Schweißtuch von einer fränkischen Fürstin namens Imnechilde erhielt, die selbst nach dem Tod ihres Mannes in das Kloster der hl. Bilhildis eintrat. Bilhildis zerteilte die Reliquie und schenkte einen Teil ihrem Onkel Bischof Rigibert. Dieser Teil, der im Dom aufbewahrt wurde, gelangte wahrscheinlich später nach Aschaffenburg in das Cornelimünster.

Für den anderen Teil des Tuches, der im Altmünster blieb, wurde eine schützende Reliquientasche angefertigt. Sie war aus Seidenpurpur gewebt und mit Stickereien verziert. Diese Tasche war in einem vergoldeten Kästchen aus Silber untergebracht. In späterer Zeit vergaß man anscheinend, dass in der Tasche das eigentliche Tuch eingenäht war. So wurde die Tasche selbst für die Reliquie gehalten. Aus diesem Grund blieb das Schweißtuch lange unangetastet in der Tasche zurück.

Ungeachtet dessen wurde das Tuch – bzw. die Reliquientasche – hoch verehrt. Im 15. Jahrhundert fanden Wallfahrten am zweiten und dritten Ostertag und am Kirchweihfest der Marienkirche des Altmünsters satt. An diesen Tagen wurde das Tuch, bzw. die Reliquientasche, zur Verehrung ausgelegt. Der Ansturm der Pilger war so groß, dass die Kirche die Volksmengen nicht mehr aufnehmen konnte. So wurde vom Turm der Altmünsterkirche aus mit der Reliquie der Segen nach draußen erteilt, wo sich das Volk versammelte. Die im Mittelalter erteilten Ablässe für den Besuch der Schweißtuchwallfahrten unterstreichen die hohe Bedeutung der Reliquie zu dieser Zeit.

Vor dem Schweißtuch brannte beständig eine Öllampe. Aus dem Jahr 1501 wird überliefert, dass die Bürger von Kostheim jedes Jahr 54 Pfund Öl aus Mohn oder Nüssen spendeten, damit die Öllampe täglich brennen konnte.


Die Feierlichkeiten am Fest der Verehrung des Schweißtuches

Am Abend des Ostersonntages wurde durch Glockengeläut das Fest des Schweißtuches eingeleitet. Am Ostermontag, dem Tag, an dem die Apostel die Grabtücher fanden, begannen um 5 Uhr am Morgen die Stundengebete. Gegen 6 Uhr wurde die Göttliche Liturgie zelebriert, in der das Schweißtuch zur Verehrung ausgelegt wurde.


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Gegen 8 Uhr wurde das Schweißtuch vom anwesenden Bischof vom Choraltar herabgeholt. Dabei gingen zwei Männer mit Fahnen voraus, denen die Altardiener, die Subdiakone und die Diakone folgten. Zwei in weiße Kleider eingekleidete Knaben gingen mit Fackeln zu beiden Seiten des eingekleideten Bischofs, den die Priester begleiteten. Auf diese Weise wurde das Schweißtuch in einer Prozession durch die Kirche zu einem Fenster gebracht, das auf die Straße hinausging. Dort wurde das wartende Volk dreimal mit dem Schweißtuch gesegnet. Währenddessen standen die Nonnen des Altmünsters zu beiden Seiten des Chores bis zur Tür der Kirche und sangen Osterhymnen. Nach der Segnung des Volkes wurde das Tuch wieder zur Verehrung ausgelegt und anschließend wieder in einer Prozession auf den Choraltar zurückgetragen. Daran schloss sich die Vesper an und am Abend die Complet.

1751 schickten die Nonnen des Altmünsters Briefe nach Rom mit der Bitte, für das Fest des Schweißtuches eigene Texte für die Stundengebete und die Göttliche Liturgie zu erhalten. Mit dieser Bitte und den vorbereiteten liturgischen Texten schickten die Nonnen auch Berichte über den Ablauf des Festes mit nach Rom. Außerdem wurden Wunderberichte im Zusammenhang mit dem Schweißtuch mitgeschickt. Trotz der Besonderheit der Reliquie und dem großen Andrang am Fest des Schweißtuches lehnte Rom die Bitte ab.


Der Verbleib des Schweißtuches nach der Aufhebung des Altmünsters

Das Schweißtuch blieb bis zur Auflösung des Klosters im Altmünster. Bei der Aufhebung des Klosters 1781 wurde der barocke Altar, in dem sich das Schweißtuch befand, in das benachbarte, heute nicht mehr existierende, Frauenkloster „Weißfrauen“ gebracht. Nach der Aufhebung dieses Klosters im Jahr 1802 durch die Franzosen, wurden der Schweißtuchaltar und das Reliquiar durch die französische Besatzung beschlagnahmt. Sieben Mainzer Bürger und der Pfarrer der St. Emmeranskirche konnten den Altar und das Schweißtuch zurückkaufen. Sie stellten ihn in der St. Emmeranskirche auf. Trotz dieser Umsiedlung wurde die Wallfahrt zum Schweißtuch nicht unterbrochen. Die Käufer des Schweißtuches schlossen sich zu einer Bruderschaft zusammen, die nun für das Schweißtuch verantwortlich war.

Im Jahr 1869 wurde die Reliquientasche auf Wunsch des amtierenden Mainzer Bischofs Ketteler geöffnet und das Schweißtuch herausgenommen. Der Stoff wurde untersucht und ließ sich so dem feinsten alexandrinischen Byssus zuordnen. Auch ein Vergleich mit dem Teil des Schweißtuches in Cornelimünster bei Aschaffenburg wurde angestellt. Es handelt es sich um den gleichen Byssusstoff , mit derselben Feinheit und Durchsichtigkeit und mit der gleichen Breite des Stoffes. „Mit Grund ist also anzunehmen, dass der größere Teil des Schweißtuches des Herrn zu Cornelimünster mit der kleineren Hälfte derselben Reliquie zu Mainz ehemals ein Ganzes ausmachte.“

Im 2. Weltkrieg wurde die St. Emmeranskirche zerstört. Bei einem anschließenden Umbau der Kirche 1945 wurde der Altar in Mitleidenschaft gezogen und teilweise zerstört. Die Überreste des Altars wurden zusammen mit dem Schweißtuch in das Mainzer Karmeliterkloster gebracht. Dort wurde die Wallfahrt am zweiten Ostertag fortgeführt. In den 1960er Jahren wurde der Altar in die St. Peterskirche überführt. Von dort aus gelangte er in das Magazin des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseums in Mainz. Die Schweißtuchreliquie selbst wurde einige Zeit in einem Tresor einer Mainzer Bank zwischengelagert, da sie offiziell Eigentum der Bruderschaft war.

Heute befindet sich das Schweißtuch in der Ostkrypta des Mainzer Doms. Da die Krypta nicht öffentlich zugänglich ist, wird die einstmals so bedeutende Reliquie heute kaum mehr wahrgenommen. Leider wird am Zugang der Krypta, die ein Sammelreliquiar enthält, nicht einmal auf das Schweißtuch hingewiesen. Die letzten Bestrebungen gingen dahin, den Altar im Dom- und Diözesanmuseum aufzustellen. „Soviel zum Ende einer ehemals florierenden Wallfahrt.“


Die Bestattung mit Byssusstoffen

Byssus diente in vorchristlicher und christlicher Zeit vor allem in Ägypten zur Verhüllung des Gesichtes einer verstorbenen hohen Persönlichkeit. Die Juden hatten die Bestattungsweise der Ägypter übernommen. Sie hüllten ihre Toten in Leinentücher und umwickelten den Kopf mit einem besonders feinen Stück Leinwand oder Byssus, den es in unterschiedlichen Qualitäten und Preisen gab. Das feinste Byssus, auch „Nebelleinen“ genannt, findet sich jedoch nur selten. Da das Tuch den Todesschweiß von Stirn und Gesicht des Toten aufsog, wurde es Schweißtuch genannt. Ziel war es, das Gesicht des Toten zu verhüllen, aber die Gesichtszüge des Verstorbenen noch erkennen zu lassen. Bei dem feinsten Byssus war es möglich, den Kopf des Verstorbenen mehrere Male zu umwickeln, und trotzdem noch das Gesicht durch den Stoff hindurch schimmern zu sehen.

Um die Zeit der Kreuzzüge wurde die Herstellung von Byssus eingestellt. An seine Stelle traten Baumwolle und Seide.


Die Reliquienstoffe des Schweißtuches in der Johannisburg und in Würzburg

Neben den beiden Hauptreliquien des Schweißtuches in Mainz und Aschaffenburg gelangte ein Partikel desselben in die Schlosskapelle der Johannisburg bei Aschaffenburg. Sie war Sommerresidenz der Mainzer Bischöfe.

Ein weiterer kleiner Teil befindet sich in der Stephanskirche in Würzburg. Er gelangte durch die Beziehungen der Benediktiner von St. Stephan zum Altmünster in Mainz dorthin.


Aktualität nach über 1200 Jahren

Trotz der schwindenden Bekanntheit des Schweißtuches und auch der Äbtissin Bilhildis als Heilige, bringt dies doch ihrer eigentlichen Bedeutung keinen Abtrag. Bilhildis bleibt als Heilige der Kirche bestehen – aktuell vor 1200 Jahren und auch heute aktuell. So wie sie mit ihren Fürbitten zu Lebzeiten und nach ihrem Tod den Menschen eine Hilfe war, genauso ist sie es auch heute noch für uns, wenn wir sie um ihren Beistand bitten.

Literatur

1. Arens, Fritz: Darstellung und Kult der hl. Bilhildis zu Veitshöchheim bei Würzburg. In: Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V.: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst. Bd. 13. 1961. S. 63-100.
2. Bernhard, Wolfram: Der Schädel der Bilhildis und das Sammelreliquiar. In: Ingrid Adam und Horst Reber (Hrsg.): 1300 Jahre Altmünsterkloster in Mainz. Abhandlungen und Ausstellungskatalog. Mainz: Verlag H. Schmidt 1994. S. 63-65.
3. Bock, Franz: Die textilen Byssus-Reliquien des christlichen Abendlandes, aufbewahrt in den Kirchen zu Köln, Aachen, Cornelimünster, Mainz und Prag. Aachen: La Ruelle´sche Accidenzdruckerei 1895.
4. Ewig, Eugen: Zur Bilhildisurkunde für das Mainzer Kloster Altmünster. In: Kurt-Ulrich Jäschke und Reinhard Wenskus (Hrsg.): Festschrift für Helmut Beumann zum 65. Geburtstag. Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag 1977. S. 138-148.
5. Ewig, Eugen: Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952-1973). Hrsg. v. Hartmut Atsam (2. Bd.). Zürich und München: Artemis Verlag 1979. Beihefte der Francia, hrsg. v. Dt. Histor. Instit., Paris.
6. Feußner, Christof: Mainzer Wallfahrten in Geschichte und Gegenwart. In: Michael Matheus (Hrsg.): Pilger und Wallfahrtstätten in Mittelalter und Neuzeit. Mainzer Vorträge 4. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1999. S. 101-131.
7. Flug, Brigitte: Äußere Bindung und innere Ordnung. Das Altmünsterkloster in Mainz in seiner Geschichte und Verfassung von den Anfängen bis zum Ende des 14. Jahrhunderts. Mit Urkundenbuch (Geschichtliche Landeskunde Bd. 61). Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2006.
8. Flug, Brigitte: Bilihilt/Bilhildis, Ende 7./Anfang 8. Jh. (Ausschnitt aus: 2000 Jahre Mainz – Geschichte der Stadt). Internet:http://www.regionalgeschichte.net/hauptportal/bibliothek/texte/biographien/bilhildis.html (Downloaddatum: 04.01.2009).
9. Gropp, P. Ignatius: Christliche Frühlings-Blume fränkischer Heiligkeit. Die heilige Bilhildis, Herzogin zu Franken, gebohrne Gräffin zu Höcheim bey Würtzburg. Würzburg: Philipp Wilhelm Fuggart Verlag 1727.
10. Jocham, Magnus: Bavaria Sancta. Leben der Heiligen und Seligen des Bayerlandes zur Belehrung und Erbauung für das christliche Volk. Bd. 1. München: Verlag des katholischen Büchervereins 1861.
11. Jung, Theodor: Geschichte und Andacht vom heiligen Schweißtuch unseres Herrn Jesu Christi, das sein heiliges Haupt im Grabe bedeckt hat, und wovon ein Teil in der Pfarrkirche St. Emmeran, Mainz, aufbewahrt und verehrt wird. Mainz: Verlag katholisches Pfarramt St. Emmeran 1934.
12. Probst, Ernst: Superfrauen 2 – Religion. Das Leben frommer, seliger und heiliger Frauen in Wort und Bild. Mainz-Kostheim: Grin Verlag 2001.
13. Wagner, Heinrich (vmtl. 2002): Die hl. Bilihildis. Internet: www.historica.gmxhome.de/bilihild.pdf. (Downloaddatum: 19.01.2009).
14. Wagner, Heinrich: Die Hedene, die hl. Bilhildis und die Erstnennung von Bamberg. In: Klaus Wittstadt u.a. (Hrsg.): Würzburger Diözesan-Geschichtsblätter. Band 61. Würzburg: Echter Würzburg Verlag 1999. S.13-50.
15. Weidemann (A), Margarete: Urkunde und Vita der hl. Bilhildis aus Mainz. In: Deutsches Historisches Institut Paris (Hrsg.): Francia. Forschungen zur westeuropäischen Geschichte. Band 21/1: Sigmaringen: Jan Thorbecke Verlag 1994. S. 17-84.
16. Weidemann (B), Margarete: Die hl. Bilhild und die Gründung des Altmünsterklosters. In: Ingrid Adam und Horst Reber (Hrsg.): 1300 Jahre Altmünsterkloster in Mainz. Abhandlungen und Ausstellungskatalog. Mainz: Verlag H. Schmidt 1994. S. 57-62.
17. Werle, Hans: St. Bilhildis, das Hagenmünster und die Lambertkirche. Mainzer Kirchengründungen in vorbonifatianischer Zeit. In: Mainzer Zeitschrift. Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte. Bd. 60/61 (1965/66). Mainz: Verlag des Mainzer Altertumsvereins 1966. S. 83-87.

Quelle & Copyright

Thomas Brodehl: Die heilige Bilhildis und das Schweißtuch Christi zu Mainz. In: Johannes A. Wolf (Hrsg.): Der schmale Pfad. Orthodoxe Quellen und Zeugnisse. Band 29 (2009). S. 94-115.

Zweiter Teil des Artikels -Hl. Bilhildis von Altmünster