Großes Schisma

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Das Große (oder Morgenländische) Schisma

Das – für gewöhnlich auf das Jahr 1054 datierte – Große bzw. Morgenländische Schisma war der epochale Bruch der eucharistischen Gemeinschaft zwischen dem Patriarchat von Rom (der heutigen römisch-katholischen Kirche) und den Patriarchaten Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem (der heutigen orthodoxen Kirche) und damit die Teilung des mittelalterlichen Christentums in einen östlichen und einen westlichen Zweig. Nachdem Legaten des Papstes Leo IX. dem Patriarchen von Konstantinopel, Michael I. Kerularios, den Titel des Ökumenischen Patriarchen abgesprochen und ihn erfolglos zur Unterordnung unter den Jurisdiktionsanspruch der römischen Kirche aufgefordert hatten, wurde Kerularios vom Leiter der lateinischen Delegation exkommuniziert, woraufhin der Patriarch seinerseits mit der Exkommunikation der Legaten antwortete. Zwar hatten die Bannsprüche nur persönlichen Charakter und waren mit dem Tod der Beteiligten erledigt, die gegenseitigen Beziehungen erwiesen sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund politischer und theologischer Differenzen (einer schrittweisen Entfremdung seit dem zweiten Jahrhundert) allerdings als schon seit längerem zerrüttet. Die Ereignisse während der Kreuzzüge, insbesondere die Eroberung und Plünderung Konstantinopels durch die Venezianer 1204 und die dortige Einsetzung lateinischer Patriarchen, erschwerten eine Aussöhnung in der Folgezeit dann noch zusätzlich. Zwar gab es 1274 – auf dem Zweiten Konzil von Lyon – und 1439 – auf dem Konzil von Florenz – Wiedervereinigungsbeschlüsse, diese wurden in beiden Fällen aber von orthodoxer Seite in ihrer Gesamtheit abgelehnt, da man den beteiligten Hierarchen eine Überschreitung ihrer Kompetenzen vorhielt. Die Union von Florenz wurde letztlich 1484 durch eine konstantinopolitanische Synode verworfen und der Bruch zwischen den Patriarchaten des Westens und von Konstantinopel damit endgültig besiegelt. 1965 hoben Papst Paul VI. und der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Athinagoras, die Exkommunikation von 1054 auf.

Ursachen Der Aufstieg Roms Nach dem Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch die Römer avancierten zunächst Antiochien und Alexandrien zu den Führungszentren der Kirche. Während Alexandrien eine Gründung des Evangelisten Markus, eines der 70 Apostel, war, handelte es sich bei Antiochien um eine Wirkungsstätte der Apostel Petrus, Paulus und Barnabas und den Ausgangspunkt der Missionsreisen des Paulus zu den Heiden. Der anschließende Aufstieg Roms auf den Ehrenplatz unter den ersten christlichen Kirchen beruhte zum einen darauf, dass es Schauplatz der Lehrtätigkeit und des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus war und frühzeitig eine bedeutende christliche Bevölkerung aufwies, zum anderen auf seiner Rolle als Hauptstadt des römischen Reichs und damit der „zivilisierten Welt“ (oikoumene). Die Führung und Autorität des Bischofs von Rom wurde in der Regel auch von den Amtsbrüdern im Osten und Süden des Mittelmeerraum anerkannt, nicht aber eine etwaige Funktion als unfehlbare Lehrquelle oder Instanz mit (gerichtlicher) Jurisdiktion. Seine Meinung wurde oft bei theologischen Disputen zwischen den anderen Patriarchen eingeholt, da ihm wegen seiner Distanz zu den Zentren des Christentums im östlichen Mittelmeerraum bzw. der antiochenischen und alexandrinischen Schule eine größere Neutralität zugesprochen wurde, ohne dabei notwendigerweise automatisch und allgemein anerkannt zu werden.

Neues Rom Auf dem von Kaiser Konstantin zur Lösung kirchlicher Streitfragen einberufenen ersten Ökumenischen Konzil von Nicäa (325) hatten die Bischöfe die Position der Metropolitensitze von Rom und Alexandrien, auch außerhalb ihres jeweiligen Bistums Einfluss ausüben zu können, und zugleich die bestehenden Prinzipien der Kirchen in Antiochien und den übrigen Provinzen noch bestätigt. Die später als Patriarchate bezeichneten Bistümer wurden nach Vorrang geordnet, wobei Rom als der damaligen Hauptstadt des Reichs – vor Alexandrien und Antiochien – an die erste Stelle gesetzt wurde. Jerusalem wurden in einem eigenen Kanon zudem besondere Ehrenrechte über andere Bistümer zugesprochen. Mit der Errichtung einer neuen, strategisch am Bosporus gelegenen Reichshauptstadt (dem als Konstantinopel bekanntgewordenen „Nova Roma“) durch Kaiser Konstantin den Großen verschob sich das politische Machtzentrum dann vollständig in den östlichen Mittelmeerraum, was wiederum das Selbstbewusstsein der Patriarchen von Konstantinopel steigerte.

Fünf Patriarchen Das zweite Ökumenische Konzil, das 381 in der neuen Hauptstadt stattfand, rückte das Bistum Konstantinopel in der Rangordnung der Metropolitensitze auf den Platz hinter Rom. Des Weiteren wurde den Provinzen zugebilligt, ihre kirchlichen Angelegenheiten – mit Ausnahme der bereits anerkannten Vorrechte Alexandriens und Antiochiens – durch eine Synode selbst regeln zu können. Auf dem vierten Ökumenischen Konzil von Chalcedon (451) wurden die Zuständigkeiten des Erzbischofs von Konstantinopel dann bestätigt und ihm zudem judikative Kompetenzen bezüglich der drei nachgeordneten Provinzen (Alexandrien, Antiochien, Jerusalem) eingeräumt. Dadurch hatte sich nun im byzantinischen Reich eine Leitung der Kirche durch fünf Patriarchen etabliert (Pentarchie).

Ost- und Westreich Mit dem Tod Theodosius´ des Großen, der das Christentum im Römischen Reich zur offiziellen Religion erhoben hatte, endete im Jahr 395 die politische Einheit des Imperium Romanum. Das Reich wurde nunmehr in eine westliche und eine östliche Hälfte geteilt, die beide jeweils einem eigenen Kaiser unterstanden. Allerdings prosperierte nur das oströmische (bzw. byzantinische) Reich, während das Westreich am Ende des folgenden Jahrhunderts von germanischen Stämmen überrannt worden war. Rom versank nach der Plünderung der Stadt durch die Goten wie weite Teile Westeuropas in ein „dunkles Zeitalter“ und wurde in der umfassenderen mediterranen Kirche zunehmend isoliert. Erst der Aufstieg Karl des Großen und seiner Nachfolger verschafften der römischen Kirche im Gefolge militärischer Siege eine Rückkehr aus der Bedeutungslosigkeit. Im Westen fiel infolge des Zusammenbruchs der weltlichen Regierungsgewalt praktisch auf vielen Feldern der Kirche die politische Verantwortung zu, übernahmen Bischöfe u.a. die städtische Verwaltung. Mit dieser von der Kirche unabhängig ausgeübten Macht sah sich dann das Kaiser- und Königtum bei den Bestrebungen zur erneuten Durchsetzung seiner Herrschaftsansprüche konfrontiert. Im Osten dagegen blieb der Unterordnung der Kirche unter die kaiserliche Autorität gewahrt.

Sprache Zur zunehmenden Distanz zwischen Ost und West trug ebenfalls die Entwicklung des Lateinischen bzw. Griechischen zur jeweils dominierenden Sprache bei, durch die sich die Kommunikation und damit auch der theologische Austausch immer schwieriger gestalteten. Der Verlust der sprachlichen Einheit wiederholte sich zugleich auf kulturellem Gebiet und auch bei der Entwicklung von liturgischen Riten sowie der Herangehensweise an religiöse Lehren. Hier zeichneten sich bereits Jahrhunderte vor dem Großen Schisma dessen Konturen ab.

Päpstliche Suprematie und Pentarchie Zu den wesentlichen Gründen für das Schisma zählte vor diesem Hintergrund die Kontroverse über widerstreitende Jurisdiktionsansprüche und speziell die päpstliche Autorität, die Papst Leo IX. im Zuge seines Machtzuwachses auch über die vier östlichen Patriarchen und damit die gesamte Kirche auszuüben beanspruchte. Dieser Anspruch manifestierte sich in besonderer Weise 1014 in der eigenmächtigen, nicht von der gesamten Kirche autorisierten Abänderung des zuvor auf ökumenischen Konzilen (Konzil von Nicäa) festgelegten und modifizierten Glaubensbekenntnisses. Das Nicänische Credo wurde dabei in der Westkirche um das Filioque ergänzt. Seine lateinische Version schließt seitdem den Passus „[Spiritus Sanctus] qui ex Patre Filioque procedit – Heiliger Geist, der vom Vater und dem Sohn ausgeht“ ein. Er wurde von westlichen Theologen auf einer lokalen Bischofssynode in Toledo zur Abwehr des Arianismus entwickelt, indem er die Göttlichkeit Christi und die Gleichheit aller Hypostasen der Dreifaltigkeit betont. Die Orthodoxie des Ostens sah hierin eine Unterminierung des Kollegialitätsprinzips und der Rechte des Episkopats. Ihre Bischöfe beriefen sich auf den 28. Kanon des Konzils von Chalcedon, der explizit die Gleichrangigkeit der Patriarchen von Rom und Konstantinopel proklamierte und das „Neue Rom“ zum Sitz des höchsten kirchlichen Berufungsgerichts bestimmte. Der Patriarch von Rom (d.h. der Papst) fungierte nach ihrer Ansicht als „primus inter pares“, dem der Ehrenvortritt zustand, aber keine universelle Jurisdiktionsgewalt. In der Frage der Änderung des Nicänischen Glaubensbekenntnisses verwiesen sie auf den siebten Kanon des Konzils von Ephesus (431), der derartige Schritte ausdrücklich untersagte. Die Modifikation des Credos durch das Erste Konzil von Konstantinopel bewertete die östliche Orthodoxie als nur den Wortlaut, nicht aber den Inhalt betreffend.