Zollübergänge

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Luftige bzw. Überirdische Zollübergänge (auch Zollstationen genannt) sind ein Konzept in manchen orthodoxen Ostkirchen, das sich auf den unmittelbaren Zustand der Seele nach dem Tod bezieht. Nach dieser Lehre verlässt die Seele den Körper nach dem Tod und steigt von Engeln begleitet zu Gott empor. Bei dieser Reise muss sie durch ein von Dämonen bevölkertes Gebiet hindurch. An bestimmten Stellen (den sogenannten “Zollstationen”) trifft die Seele auf die Dämonen, welche versuchen, sie bestimmter Sünden zu bezichtigen und in die Hölle hinunterzuziehen. Diese Vorstellung findet sich ganz ähnlich im Tibetischen Totenbuch; beide Lehren gehen davon aus, dass sich die Seele unmittelbar nach dem Tod mit bösen höheren Wesen in luftigen Gefilden auseinandersetzen muss.

Auf diese Lehre wird in hagiographischen und spirituellen Texten oft Bezug genommen, obwohl sie nie formal von einem ökumenischen Konzil bestätigt wurde und somit den „Theologomena“ zuzurechnen ist, womit private theologische Meinungen bezeichnet werden, die von der offiziellen Kirchendoktrin abweichen. Viele orthodoxe Heilige und Theologen haben sie jedoch offen vertreten.


Die Lehre von den Zollstationen

Die ausführlichste Beschreibung dieses Konzeptes findet sich in der Vita des Hl. Basilius dem Neuen, die sich in der Sammlung Vitae der Heiligen unter dem Datum 26. März (nach dem orthodoxen bzw. julianischen Kalender) findet. Dort begegnet die Hl. Theodora, eine spirituelle Schülerin des Hl. Basilius, einem anderen Schüler, dem frommen und heiligen Laien Gregorius. Dieser soll zu Gott gebetet haben, ihm zu enthüllen, was mit der Hl. Theodora nach deren Tod geschehen sei. Gott erhörte seinen Angaben nach diesen Gebeten und sandte Theodora zu ihm, die dann in allen Einzelheiten über ihre Reise durch die Zollstationen berichtete.

Ihrem Bericht nach gibt es für jeden Christen einen Dämon, der ihn in Versuchung führt. Diese Dämonen merken sich alle jemals begangenen Sünden, in Gedanken und in Taten, wobei gebüßte Sünden getilgt werden. Am dritten Tage nach dem leiblichen Tod wird die Seele dieser Erzählung nach von Engeln zum Himmel emporgehoben. Dabei muss sie 20 Zollstationen passieren. Jede davon ist von Dämonen bevölkert und mit bestimmten Sünden verbunden, und dort müssen die Sünden mit vergangenen guten Taten vergolten bzw. „bezahlt“ werden. Wenn die Seele eine Sünde nicht begleichen kann, nehmen die Dämonen sie mit in die Hölle.


Die Zollstationen

  • An der ersten Zollstation wird die Seele nach Sünden der Zunge befragt.
  • Die zweite ist die Zollstation der Lügen.
  • Die dritte ist die Zollstation der Verleumdung.
  • Die vierte ist die Zollstation der Völlerei.
  • Die fünfte ist die Zollstation der Faulheit.
  • Die sechste ist die Zollstation des Diebstahls.
  • Die siebte ist die Zollstation der Begierde.
  • Die achte ist die Zollstation des Wuchers.
  • Die neunte ist die Zollstation der Ungerechtigkeit.
  • Die zehnte ist die Zollstation des Neides.
  • Die elfte ist die Zollstation des Stolzes.
  • Die zwölfte ist die Zollstation des Zorns.
  • Die dreizehnte ist die Zollstation des Müßigganges
  • Die vierzehnte ist die Zollstation des Mordes.
  • Die fünfzehnte ist die Zollstation der Hexerei.
  • Die sechzehnte ist die Zollstation der Wollust.
  • Die siebzehnte ist die Zollstation des Ehebruchs.
  • Die achtzehnte ist die Zollstation der Sodomie.
  • Die neunzehnte ist die Zollstation der Ketzerei.
  • Die zwanzigste ist die Zollstation der Unbarmherzigkeit.

Ein bedeutender Anhänger dieser Lehre war Seraphim Rose, ein US-amerikanischer Hieromönch und Theologe, der ein Buch über die Zollstationen schrieb, The Soul After Death (“Die Seele nach dem Tod”), in dem er sich um den Nachweis bemühte, dass diese Lehre aus patristischen und anderen kirchlichen Quellen abgeleitet sei.

Traditionelle Vertreter der Zollstationslehre argumentieren, dass sie in der Hymnologie der Kirche und diversen Heiligenvitae enthalten sei (u.a. in der Vita vom Hl. Antonius dem Großen, geschrieben vom Hl. Athanasius dem Großen, in den Vitae vom Hl. Basilius dem Neuen und der Hl. Theodora, in den Homilien des Hl. Kyrill von Alexandria, in den Diskursen von Abba Jesaja, der Philokalie, der “Himmelsleiter” sowie den dogmatischen Schriften der orthodoxen Kirche des Justinius von Ćelije). Auch verschiedene zeitgenössische Kirchenmänner sprechen von den Zollstationen. Jüngere Heilige, darunter der Hl. Ignatij Brjantschaninow, und der Hl. Theophan der Klausner, betonten nicht nur die Wahrhaftigkeit, sondern auch die Notwendigkeit dieser Lehre für das spirituelle Leben eines Christen.