Gleb Kaleda

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Gleb Kaleda1.jpg
Erzpriester Gleb im Krieg (1942) und im 1990
Gleb in der Hl.-Sergius-Dreiheitslavra (1946)
Vater Gleb mit Gefängnisinsassen

Jugend

Erzpriester Gleb Kaleda (russ. Глеб Александрович Каледа, 1921 - 1994) wurde am 2. Dezember 1921 in Petrograd (jetzt St. Petersburg, Russland) geboren. Sein Vater Alexander Wassiljewitsch Kaleda war ein namhafter Wirtschaftswissenschaftler und Absolvent des Geistlichen Seminars von Minsk und des Polytechnischen Instituts in Petrograd. Seine Mutter, der Vater Gleb seine kirchliche Erziehung hauptsächlich verdankte, stammte aus der adligen Familie Sulmenow.

Im Jahre 1927, nachdem die Familie nach Moskau gezogen war, etablierten sich ihre engen spirituellen Verbindungen mit den ehemaligen Mitgliedern der Russischen Studentischen Christlichen Bewegung. Zu dieser Zeit verwandelte sich ihre kleine Wohnung in eine vorübergehende Unterkunft für verfolgte Geistliche und deren Familienmitglieder, die sich von der Regierung versteckten oder aus auf dem Weg ins Exil waren. Zum ersten geistlichen Vater von Gleb Kaleda wurde der zukünftige Neomärtyrer Priester Wladimir Ambarzumow. Vater Wladimir hatte auf den Werdegang der Spiritualität des Jungen großen Einfluss. Bereits als Teenager fügte sich Gleb in den Dienst der Kirche ein, besuchte in Kleinstädten und Dörfern im Bezirk Moskau die sich dort verbergenden orthodoxen Geistlichen und leistete materielle Unterstützung für Familien von verfolgten Priestern.

1933 starb seine Mutter, und die weitere spirituelle Ausbildung vom Gleb erfolgte in illegalen christlichen Kreisen, die Alexandra Filinowa, eine ehemalige Aktivistin der Russischen Studentischen Christlichen Bewegung, leitete. Während seiner Schulzeit erwachte sein Interesse an Naturwissenschaften, und er begann von einem Studium im Institut für geologische Erkundungsarbeiten zu träumen.

Doch fiel das Schulende zusammen mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, und Gleb wurde eingezogen. Von Dezember 1941 bis zum Ende des Krieges war er bei der Infanterie. Als Funker in einer Gardeschützendivision nahm er an den Kämpfen bei Wolkhow, Stalingrad und Kursk, in Weißrussland und bei Königsberg teil. Seine Kameraden glaubten, dass er nur durch Wunder am Leben blieb. Von der Front kam er mit zahlreichen Auszeichnungen zurück.


Wissenschaftliches und spirituelles Wachstum

Im Herbst 1945 begann Gleb sein Studium am Moskauer Institut für geologische Erkundungsarbeiten. Bald lernte er Kryptopriester Vater Sergej Nikitin, den zukünftigen Bischof von Kaluga, kennen. Nach der Eröffnung der Sergius-Dreiheitslavra erfolgte seine Begegnung mit dem dortigen Prior, Archimandrit Gurij (Jegorow), später Metropolit von Simferopol. Vater Gurij stellt ihn Vater dem späteren Metropolit von Jaroslawl Ioann Wendland vor, der vor seinem Kirchendienst Geologe gewesen war. Die spirituelle Leitung durch die Väter Gurij und Ioann hat den weiteren Lebensweg von Vater Gleb weitgehend bestimmt.

1951, nachdem er das Institut mit Auszeichnung absolviert und sein Studium im Graduiertenkolleg begonnen hatte, heiratete Gleb Lidija Ambarzumowa, Tochter seines ersten geistlichen Vater Wladimir Ambarzumow. Ihre Hochzeitsreise verbrachten sie auf einer geologischen Expedition. Nach seinem Abschluss am Institut erhielt Gleb den Segen, einer wissenschaftlichen Tätigkeit nachzugehen, obwohl er auch danach strebte, sich ganz dem Kirchendienst zu widmen. In seiner wissenschaftlichen Tätigkeit richtete er sich nach der Anweisung des Apostels Paulus: „Und alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, danksagend Gott, dem Vater, durch ihn“ (Kol. 3:17). Seine jährlichen wissenschaftlichen Reisen nach Mittelasien ermöglichten ihm regelmäßigen Kontakt mit seiner Erkelenz Gurij, damals Bischof von Tashkent.

Gleb beschäftige sich erfolgreich mit wissenschaftlicher Forschung. 1954 verteidigte er seine Dissertation und habilitierte sich im Jahre 1981. Er wurde ein namhafter und publizierter Spezialist im Bereich der Lithologie. Zugleich sah er sich verpflichtet, die orthodoxe Glaubenslehre vor pseudowissenschaftlicher Kritik zu schützen; so schrieb er apologetische Arbeiten, in denen er darauf bestand, dass „oberflächliche wissenschaftliche Kenntnisse (Halbwissen) die Menschen von Gott wegbringen, während ganzheitliche Kenntnisse sie dem Schöpfer näherbringen“.

Zu seinen Lieblingsheiligen wurden der Kirchenvater, Theologe und Wissenschaftler Basilios der Große und der Verteidiger der Orthodoxie Athanasios von Alexandrien. In der Tradition der christlichen studentischen Bewegung gründete er einen illegalen christlichen Kreis, eine Art Sonntagsschule für Kinder seiner Bekannten, der bis in die 1990er Jahre existierte.


Kryptopriesterschaft

Im Jahre 1972 wurde Gleb durch Seine Eminenz Ioann (Wendland), der gerade aus dem Ausland zurückgekehrt war, zum Diakon und später zum Priester geweiht. Dies erfolgte heimlich, denn das hohe Ausbildungsniveau von Vater Gleb machte eine legale Weihe unter den damaligen Bedingungen der Unterdrückung der Kirche durch die Regierung unmöglich. So begann Vater Gleb, der nach wie vor Abteilungsleiter in einem wissenschaftlichen Institut war, in seiner Hauskirche regelmäßig die Eucharistie zu zelebrieren. Er leistete große Arbeit im Bereich Seelsorge und spirituelle Leitung, und die Anzahl seiner spirituellen Kinder, die in seiner Liebe und Weisheit einen Halt fanden, wuchs. Zu dieser Zeit schrieb er ein großes wissenschaftliches Werk «Домашняя Церковь» [„Die Hauskirche“], in dem er das Familienleben als Dienst konzeptualisierte. Zu diesem Zeitpunkt war die Familie Kaleda bereits sehr kinderreich.

Doch blieb all seine priesterliche Tätigkeit geheim, und nur die engsten Freunde wussten davon. Als prominenter Wissenschaftler wäre Vater Gleb unverzüglich verhaftet worden, falls jemand die Wahrheit erfahren hätte. Achtzehn Jahre lang wurden die Gottesdienste in der Wohnung eines vielstöckigen Plattenhauses hinter den dicht verhängten Fenstern seines Büros zelebriert. Eine Tischdecke diente als Priestergewand, auf das die Kreuze jedesmal neu aufgenäht und hinterher sorgfältig wieder entfernt wurden. Das Sticharion wurde inmitten von Bettwäsche aufbewahrt, um es bei einer Razzia als Nachthemd zu tarnen. Als Kommunionskelch diente ein neues Kristallsektglas, und um Partikel aus Prosphoras herauszunehmen, wurde extra ein Skalpell gekauft, das Vater Gleb dann bis zu seinem Tode verwendete. Fast jeden Sonntag sammelten sich die ganze Familie und wenige Freunde, die eingeweiht worden waren, zur Liturgie. Es wurde ein großer Farbkasten aufgeklappt, der als Altartisch diente, und im Nebenzimmer wurde ein Radio angestellt, damit die Nachbarn nichts hörten.

„Ein Priester, so wie auch ein Arzt, sollte seine Türe immer offen halten“, sagte Vater Gleb. Menschen, die am Mysterium der Beichte teilnehmen wollten, nahm er stundenlang in seinem Büro die Beichte ab. Auch später, als er in seiner Pfarrei offen wirkte und Dutzenden von Menschen die Beichte abnahm, nahm er sich immer Zeit. Die Praxis der kollektiven Beichte, die in den sowjetischen Jahren entstanden war, als die Regierung enge Kontakte zwischen Priestern und Laien unterband, hatte er nie anerkannt.


Beginn des offenen Dienstes

Ende der 1980er Jahre wirkte Vater Gleb aktiv an der Errichtung einer Sonntagsschule beim Gotteshaus zu Ehren des Propheten Elias Obydennij mit, dessen Gemeindemitglied er seit dem Kriegsende gewesen war. Hier begann er im Jahre 1990 mit dem Segen des Patriarchen Alexij II. seinen offenen Priesterdienst. Im Weiteren wurde er in die Synodale Abteilung für religiöse Ausbildung und Katechese ordiniert. Dank seiner aktiven Teilnahme wurden in Moskau katechetische Kurse eingerichtet, deren erster Rektor Vater Gleb wurde. Später wurden sie in die Orthodoxe St.-Tichon-Universität für Geisteswissenschaften umgewandelt. Unter seiner Leitung wurde große bildungsmethodische Arbeit im Bereich orthodoxer Ausbildung und der Entlarvung neu entstandener Sekten und häretischer Irrlehren geleistet.

Seine christliche Erleuchtungsarbeit leistete Vater Gleb zusammen mit seinem Priesterdienst im Gotteshaus zu Ehren des hl. Mönches Sergius von Radonesch im Wysokopetrowskij Kloster.


Gefängnishirt

Dank der Arbeit von Vater Gleb wurde das Mariä-Schutz-Gotteshaus im Butyrskaja-Gefängnis wiedererrichtet. Die erste Liturgie im Butyrskij-Gotteshaus zelebrierte er in der Osterwoche 1992. Allmählich vergrößerte sich das Gotteshaus, und es wurde ein Altarraum eingerichtet. Viele Menschen spendeten dort Gegenstände für den kirchlichen Dienst. Am 23. Oktober 1993 wurde Vater Gleb durch einen Erlass von Patriarch Alexij II. zum Dekan des Butyrskij-Gotteshauses ordiniert – als erstem Dekan nach siebzigjähriger Verweisung.

Im Gefängnis wurde Vater Gleb sowohl von den Wärtern als auch von den Gefangenen geliebt. Die Insassen warteten auf seinen Besuch behandelten ihn mit tiefem Respekt und baten ihn, länger zu verweilen. Er verließ die Gefangenen erst nach dem Einschluss und kam oft erst spät nach Mittenacht nach Hause. Er war Vater von sechs Kindern, und diese Erfahrung der Vaterschaft setzte er in seinem pastoralen Dienst vollkommen um. Jeden Gefangenen behandelte er wie einen leiblichen Sohn, und viele spürten durch ihn zum ersten Mal, wie es ist, einen Vater zu haben. Vater Gleb nahm sich die Mühsale, Strapazen und Probleme eines Jeden sehr zu Herzen.

Vater Gleb besuchte auch den Trakt der zum Tode Verurteilten. Bei seinem ersten Besuch blieb noch ein Aufseher mit dem Fuß in der Tür dabei. Später aber wurde Vater Gleb auf eigenen Wunsch in der Todeszelle eingeschlossen und saß mit den zum Tode Verurteilten zusammen, umarmte sie und brachte ihnen Geschenke und Früchte. Ostern sorgte dafür, dass ihnen Osterbrote und Eier gebracht wurden. Er verbrachte viele Stunden in der Todeszelle und blieb mit ihnen unter vier Augen. Manche von ihnen taufte er, und sie bereuten ihr bisheriges Leben. Vater Gleb sagte mehrmals, dass er nirgendwo so eifrige Gebete erlebt hatte wie in der Todeszelle. Das dort Gesehene bestärkte ihn noch in der Ablehnung der Todesstrafe, denn (in seinen Worten) „wir verurteilen einen Menschen zum Tode, richten aber dabei einen ganz Anderen hin“.


Familie

Von den sechs Kindern von Vater Gleb Kaleda und seiner Frau Lidia machten vier eine medizinische und zwei eine geologische Ausbildung. Zwei seiner Söhne wurden Priester und eine seiner Töchter Äbtissin.

Vater Gleb Kaleda ging am 1. November 1994 nach einer schweren Krankheit heim zum Herrn. Seine letzten Worte waren: „Macht euch keine Sorgen, mir geht es sehr gut.“


Werke

Die Liste der wissenschaftlichen Publikationen von Vater Gleb beinhaltet über 170 Titel. Dabei strebte er danach, die orthodoxe Lehre gegen pseudowissenschaftliche Angriffe zu verteidigen. In der Periode der Kirchenverfolgung unter Chruschtschow schieb er das apologetische Werk „Die Bibel und die Wissenschaft von der Welterschaffung“ («Библия и наука о сотворении мира»), in dem er das Fehlen prinzipieller Widersprüche zwischen biblischen und wissenschaftlichen Vorstellungen über die Entstehung des Universums zeigte. Nach seiner geheimen Priesterweihe verfasste er ein großes theologisches Werk „Die Hauskirche“(«Домашняя Церковь»), in dem er die Familie als eine besondere Form des Kirchendienstes betrachtete. [Category:moderne Buchautoren]]